Dirk von Petersdorffs Gedicht „Nach der Liebe“

DIRK VON PETERSDORFF

Nach der Liebe

Du auf dem Balkon, ich seh dir zu,
so selig-matt,
weil alles
sich geändert hat.
Langes T-Shirt,
das am Schenkel fällt,
wo die Haut beginnt,
ist die Welt.
Sanfte Triebe,
ich lieg da und rauch –
Licht in der Halsmulde,
das ist es auch.
Und ich seh
Faserwolken treiben,
out of the blue,
alles kann bleiben.
Du auf dem Balkon,
Rauch in der Schwebe –
Puls flattert nach,
hier wo ich lebe.

2005

aus: Die liebenden Deutschen. 645 entflammte Gedichte aus 400 Jahren. Ausgewählt von Steffen Jacobs. Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Frankfurt a.M. 2006

 

Konnotation

Der als „Schalk der Postmoderne“ bekannt gewordene Dichter Dirk von Petersdorff Jahrgang 1966, hat seine Kritiker immer wieder durch überraschende Neupositionierungen verblüfft. Mittlerweile hat sich der lässige Kritiker der poetischen Altvorderen in einen listigen Traditionalisten verwandelt. Als eleganter Diskurs-Mischer spielt von Petersdorff mit jenen ehrwürdigen Formen – Sonett, Volksliedstrophe oder dem Emblem –, die in der Moderne unter dem Verdacht des Konservatismus standen.
Petersdorff will uns mit den alten Formen die Welt neu und überraschend vor Augen stellen, und zwar in einer Gedichtsprache, die zwanglos – aber meist ironisch – aus dem Ältesten und aus dem Allerneuesten schöpft. Dabei wird der hohe Ton immer wieder durch eine ironische Unterströmung konterkariert. Auch in Liebesgedichten, die sich zur Emphase hinreißen lassen, verbergen sich ironische Widerhaken. Die 2005 entstandene Huldigung an die Geliebte freilich hat sich die ironische Konterbande fast gänzlich abgewöhnt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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