F.W. Bernsteins Gedicht „Apokalypsen-Programm“

F.W. BERNSTEIN

Apokalypsen-Programm

Montag geht die Welt zugrunde
Dienstag regnet’s und ist kalt
Mittwoch um die zehnte Stunde
wird kein Geld mehr ausgezahlt

Donnerstag nur Feuersbrünste
Freitag früh ist Jüngster Tag
Samstag Ende aller Künste
und zwar ZACK auf einen Schlag

Sonntag herrscht dann endlich Ruhe
und die Straßen wüst und leer
auf der Post noch ein Getue
Pst – nun ist auch das nicht mehr

nach 1990

aus: F.W. Bernstein: Die Gedichte, Verlag Antje Kunstmann, München 2003

 

Konnotation

Als Schriftsteller sei er allenfalls für „Kurzwaren“ zuständig, hat der 1938 geborene Fritz Weigle alias F.W. Bernstein in der für ihn typischen Bescheidenheit gesagt. Der Maler, Zeichenkünstler und Dichter Bernstein, ein Protagonist der „Neuen Frankfurter Schule“, hat für diese Kurzschriftstellerei eine satirisch gestimmte Poetik der Entpathetisierung bis hin zum vollständigen Sinnschwund entwickelt.
Da ist zunächst ein tief ernstes Thema, das sein in den 1990er Jahren entstandenes Gedicht aufnimmt: Nichts Geringeres als den Weltuntergang hat hier der Schreibende auf seine Agenda gesetzt. Aber die Begleiterscheinungen der Apokalypse fallen im Gedicht eher glimpflich aus. In schwungvollen Kreuzreimen wird ein Untergang angekündigt, der dann doch sehr komisch wirkt. Nach allen „Feuersbrünsten“ und „Jüngsten Tagen“ ist immer noch „die Post“ da, in der sich das banale Alltagsleben träge vorwärts bewegt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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