Friedrich von Hardenbergs Gedicht „An Adolph Selmniz“

FRIEDRICH VON HARDENBERG

An Adolph Selmniz

Was passt, das muss sich ründen,
Was sich versteht, sich finden,
Was gut ist, sich verbinden,
Was liebt, zusammen sein.
Was hindert, muss entweichen,
Was krumm ist, muss sich gleichen,
Was fern ist, sich erreichen,
Was keimt, das muss gedeihn.

Gib traulich mir die Hände,
Sei Bruder mir und wende
Den Blick vor Deinem Ende
Nicht wieder weg von mir.
Ein Tempel – wo wir knien –
Ein Ort – wohin wir ziehen
Ein Glück – für das wir glühen
Ein Himmel – mir und dir.

1794/95

 

Konnotation

Das vermutlich Ende 1794 oder Anfang 1795 entstandene Gedicht ist an einen engen Freund des Dichters Friedrich von Hardenberg (1777–1801) adressiert, den damals 25jährigen Leutnant Adolph Selmnitz. Im Kreisamt Tennstedt war Hardenberg seinerzeit als Verwaltungsjurist beschäftigt, bevor er einige Jahre später zum romantischen Dichter der „Blauen Blume“ und zum Bergbaufachmann und Salinendirektor aufstieg. Es ist ein emphatisches Bekenntnis zu einem unverbrüchlichen Freundschaftsbund.
Man kann diese „glühende“ Confessio auch als kleine Harmonielehre lesen. Die feierlich beschworene Einheit zweier emotional und intellektuell Verschworener ist auf Dauer angelegt. Keine irdische Gewalt scheint diese Freundschaft gefährden zu können. Im Umfeld seines Freundes Selmnitz lernt Hardenberg auch Sophie von Kühn kennen, mit der ihn über Jahre eine unglückliche Liebes-Passion verbindet. Das zusammenführen der Sehnsucht nach irdischer Erfüllung und himmlischer Erlösung ist ein genuin romantisches Motiv.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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