Heinz Erhardts Gedicht „Urlaub im Urwald“

HEINZ ERHARDT

Urlaub im Urwald

Ich geh im Urwald für mich hin…
Wie schön, daß ich im Urwald bin:
Man kann hier noch so lange wandern,
ein Urbaum steht neben dem andern.
Und an den Bäumen, Blatt für Blatt,
hängt Urlaub. Schön, daß man ihn hat.

1960er Jahre

aus: Das Große Heinz Erhardt-Buch. Lappan Verlag, Oldenburg 2004

 

Konnotation

Den Dichter und Komiker Heinz Erhardt (1909–1979) hat man zeit seines Lebens als verlässlichen Kalauerproduzenten geschätzt, dessen Heiterkeit berechenbar schien. Seine Scherze, auch wenn sie sich auf schlichte Sprachspiele beschränkten, kamen nicht wie bei heutigen Comedians als mühsam herbeigezwungene Zoten daher, sondern als parodistisch fein austarierte Reaktionen auf Versmuster der Tradition.
Im vorliegenden Fall reagiert Erhardt auf die berühmte Eingangszeile eines Goethe-Gedichts (vgl. Lyrikkalender vom 7.5.2006), das nicht so sehr als zartes Blumen-Gedicht, sondern als Huldigung an Goethes Ehefrau Christiane gedacht war. „Ich ging im Walde / So für mich hin…“ Erhardt macht daraus einen kleinen Wortscherz zur Doppeldeutigkeit der Vokabel „Urlaub“. In anderen Gedichten entfernt sich der letztlich verkannte Dichter von solcher Harmlosigkeit – zugunsten sarkastischer Pointen, die eine bei Erhardt unerwartete Abgründigkeit freilegten.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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