Johann Wilhelm Ludwig Gleims Gedicht „Einladung zur Liebe“

JOHANN WILHELM LUDWIG GLEIM

Einladung zur Liebe

Mädchen, wolt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in dem Schatten!
Seht mich nur, ihr müßt mich lieben!
Rosen blühen auf den Wangen,
In den Adern glühet Feuer,
In den Minen lacht Vergnügen,
In den Augen lokket Liebe,
Und bewegen sich die Lippen,
So bewegt sie Scherz und Freude.
Mädchen, wolt ihr mich nicht lieben?
Seht, hier lieg ich in den Schatten,
Mädchen seht, wie schön ich liege!

1745

 

Konnotation

Die große poetische Ambition des Rokoko-Dichters Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803) war es, die Stilformen des altgriechischen Lyrikers Anakreon (ca. 6. Jhd. v. Chr.) in der Dichtung seiner Zeit zu etablieren. In seinem „Versuch in Scherzhaften Liedern“, den Gleim 1744 vorlegte, strebte er nach der Anverwandlung der anakreontischen Leichtigkeit: eine eigene Form galanter Tändelei, die auch erhabene Stoffe wie die Liebe in elegante, gefällige und vor allem unpathetische Poeme umsetzte. Von der uferlosen Produktion Gleims haben nur wenige Gedichte literarisch überlebt.
Das 1745 entstandene Gedicht zeigt den galanten Liebhaber, wie er in großer Selbstbegeisterung einem „Mädchen“-Kollektiv die eigenen Vorzüge anpreist. Das lyrische Ich badet sich gleichsam in der eigenen Unwiderstehlichkeit. Das heitere Spiel mit den erotischen Verlockungen kann man auch als ironische Selbstpräsentation eines vormodernen Callboys lesen.

Norbert Lange (Gedichtkommentar) Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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