Karl Krolows Gedicht „Auf und ab“

KARL KROLOW

Auf und ab

Auf und ab sowieso.
Der nächste Augenblick
kommt nichts als schadenfroh.
Denke an dein Genick.

Und du spürst deinen Hals
gut für den nächsten Strick,
reif für ein Ungeschick
und locker jedenfalls.

Gut ist es, wenn man weiß,
wie es mit einem steht
und wie und zu welchem Preis
man vor die Hunde geht.

1998

aus: Karl Krolow: Im Diesseits verschwinden. Gedichte aus dem Nachlaß, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2002

 

Konnotation

In seinen letzten Lebensjahren betrieb Karl Krolow (1915–1999), der einst als Naturlyriker begonnen hatte, die Dichtkunst als ein Exerzitium des Abschieds. In kaltem Sarkasmus besingt der Dichter die schwindenden Lebenskräfte, den namenlosen Schrecken angesichts des herannahenden Todes ebenso wie die verbliebene Daseins-Leichtigkeit. Das Verschwinden „im Diesseits“ ist nicht Anlass für universelle Lähmung oder Resignation, sondern für die Mobilisierung lyrischer „Grazie“.
Krolow betrachtet sich in diesem Gedicht vom November 1998 – wie in vielen Texten aus dieser Periode – als Moribunder, der gefasst seinem eigenen Untergang entgegen geht. Die alte Form des dreistrophigen Reimgedichts, die auf das traditionelle Volkslied zurückgeht, wird dabei von Krolow in bis heute unerreichter Artistik durchgespielt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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