Martin Opitz’ Gedicht „Bedeutung der Farben“

MARTIN OPITZ

Bedeutung der Farben

aaaaaaaWeiß / ist gantz keusche Reinigkeit /
Leibfarbe / weh vnd Schmertzen leiden /
Meergrüne / von einander scheiden /
Schwartz / ist Betrübnuß /Angst/ vnd Leid /

aaaaaaaRoth, innigliche Liebesbrunst /
Vnd Himmelblo / sehr hohe sinnen /
Bleich Leichfarb / argen Wohn gewinnen /
Gelb/ end und außgang aller Gunst /

aaaaaaaHaarfarbe / deutet uff Gedult /
aaaaaaaaaaaaBleich Aschenfarben / heimlich Huldt.
Braun / aller Liebe gantz vergessen /

aaaaaaaGrün / Hoffnung; Und weilt jetztund ich /
aaaaaaaaaaaaGebrauche dieser Farbe mich /
Ist wol mein Zustandt zuermessen.

nach 1620

 

Konnotation

Mit seinem 1624 publizierten Buch von der deutschen Poeterey hat der Barock-Poet Martin Opitz (1597–1639) eine Art Grundgesetz für die neuhochdeutsche Dichtkunst entworfen. In Anlehnung an die Versmaße der Antike formulierte er die folgenreiche These, daß das im Deutschen angemessene Metrum sich an der natürlichen Wortbetonung orientieren solle. Als idealtypisches deutsches Versmaß definierte er den Alexandriner – ein sechshebiqer, dem Jambus folgender Vers. Aber auch für das Sonett hat er vorbildliche lyrische Muster gefunden.
In seiner nach 1620 entstandenen poetischen Farbenlehre, in der in jeder Strophe zwei oder drei Farben ihre Bedeutung zugewiesen bekommen, überrascht uns Opitz am Ende mit seinem Bekenntnis zum Grün als der Farbe der Hoffnung. Denn angesichts der verheerenden Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges hat Opitz in fast allen seinen Gedichten die Vergänglichkeit und die Leidverfallenheit alles Irdischen in den Mittelpunkt gerückt.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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