Mechthild von Magdeburgs Gedicht „Der Mindeste lobet Gott in zehn Dingen“

MECHTHILD VON MAGDEBURG

Der Mindeste lobet Gott in zehn Dingen

O du brennender Berg, o du auserwählte Sonne!
O du voller Mond, o du grundeloser Bronne!
O du unerreichbare Höhe, o du Klarheit ohne Maße!
O Weisheit ohne Grund!
O Barmherzigkeit ohne Hinderung!
O Stärke ohne Widerstand!
O Krone aller Ehren!
Dich lobt der Mindeste, den du je geschufst.

nach 1230

 

Konnotation

In ihrem in niederdeutscher Sprache verfassten Werk Das fließende Licht der Gottheit hat die große Mystikerin Mechthild von Magdeburg (ca. 1207–1282 oder 1294) ihre mystischen Begegnungen mit Gott aufgezeichnet. Um 1230 war sie als sogenannte Begine einer klösterlichen Gemeinschaft beigetreten, die nach den Regeln des Dominikanerordens lebte. Ihre religiöse Innigkeit erwächst aus einer als Liebesbeziehung verstandenen Gottesnähe.
Die Gespräche mit dem göttlichen Liebhaber ähneln einer litaneihaften Beschwörung von Schöpfungswundern. Im vorliegenden Fragment werden pathetische Anrufungen des göttlichen Geliebten zusammengetragen, der seine Präsenz nicht auf das Eingewobensein in die Naturphänomene beschränkt, sondern der das absolute Maß auch in allen Dingen menschlichen Zusammenlebens darstellt. Es sind Qualitäten, die alle menschliche Tugendhaftigkeit übersteigen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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