Ulla Hahn: Mit Georg Trakls Gedicht „Musik im Mirabell“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Mit Georg Trakls Gedicht „Musik im Mirabell“. –

 

 

 

 

GEORG TRAKL

Musik im Mirabell

2. Fassung

Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn
Im klaren Blau, die weißen, zarten.
Bedächtig stille Menschen gehen
Am Abend durch den alten Garten.

Der Ahnen Marmor ist ergraut.
Ein Vogelzug streift in die Weiten.
Ein Faun mit toten Augen schaut
Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.

Das Laub fällt rot vom alten Baum
Und kreist herein durchs offne Fenster.
Ein Feuerschein glüht auf im Raum
Und malet trübe Angstgespenster.

Ein weißer Fremdling tritt ins Haus.
Ein Hund stürzt durch verfallene Gänge.
Die Magd löscht eine Lampe aus,
Das Ohr hört nachts Sonatenklänge.

 

Trakl Notizen, Salzburg im Sommer 2013

Für K.

Leichten Schrittes wandeln die Menschen aus aller Welt übern Kies unter ihren Füßen knirschen frühe Mozartsonaten, hochfliegt auf siebenrohriger Flöte die Götterhymne des Pan.
Jetzt mit dir den leichten grünen Wein zum Backhendl und ein Vogerlsalat bis wir als Liebespaar durch die Wolken sausen übers Salzburger Nockerl den Mönchsberg hinauf unanständige Lieder singen lauthals bis jeder uns hört und mitsingt die ganze erzbischöfliche Stadt eine einzige Unanständigkeit und alle rufen aus einem Munde: Was für ein schönes Werk meine Zunge tief in deinem Hals. Sich wieder einmal richtig satt essen all die Blütenblätter groß genug.

Blühe Frühling, Knospen aufspringt Glüh Sommer tief hinab in die Rosen, Springbrunnen sprüh, lass deine Tropfen fallen in silbrige Melodien, brecht aus dem grauen Marmor ihr Rösser geflügelte Pferde aufsprengt den morgenblassen Mond, so tief das Lachen der unsichtbaren Fischer oben am Himmel dem Zelt.

Und mein Glück war mir so doppelt licht im Spiegel des Dichters finsterer Unglück-Seligkeit. Denn Seligkeit war es ja doch. Oder hätte er tauschen mögen? Ich wage kein Ja kein Nein. Ein Dichter ist nicht nur Schreibhand und Mund.

Doch plötzlich trat die Kälte in den Garten
griff mir ins Haar und wies mir hinter Rosenstöcken
all die schönen Toten und abseits unter Dornenbögen
dich und mich 

Da hielt ich die Mitternacht an und den Mond überm Mönchsberg.
Einmal noch standen sie still die blinden Zeiger der Zeit
Du hobst die Hand wie zum Abschied nach der Umarmung
Die Dauerkarten zum Eintritt ins Mirabellenland rahmten wir ein.

Mag sein dass mir irgendwann nichts mehr bleibt
als eine Erinnerung an diesen Augenblick und
den Augenblick als Erinnerung an diesen Augenblick zu genießen.
Wann wird das sein?
Wenn ich noch älter als alt bin.
Wann wird das sein?
Wenn ich allein bin ohne dich mein Glück. 

Ulla Hahn, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014

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