Dino Buzzati – BUZZATI 50 ・ 10 POESIE ・ 40 TRADUZIONI

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Dino Buzzati – BUZZATI 50 ・ 10 POESIE ・ 40 TRADUZIONI

Buzzati-BUZZATI 50 ・ 10 POESIE ・ 40 TRADUZIONI

SCRIVI,
TI PREGO

Scrivi, ti prego.
Due righe sole, almeno,
anche se l’animo è sconvolto
e i nervi non tengono più.
Ma ogni giorno.
A denti stretti, magari delle cretinate senza senso,
ma scrivi.
Lo scrivere è una delle più ridicole e patetiche nostre illusioni.
Crediamo di fare cosa importante
tracciando delle contorte linee nere sopra la carta bianca.
Comunque, questo è il tuo mestiere,
che non ti sei scelto tu ma ti è venuto dalla sorte,
solo questa è la porta da cui,
se mai, potrai trovare scampo.
Scrivi, scrivi.
Alla fine, fra tonnellate di carta da buttare via,
una riga si potrà salvare. (Forse.)

 

SCHREIB,
ICH BITTE DICH

Schreib, ich bitte dich.
Zwei Zeilen bloß, zumindest,
auch wenn das Gemüt zerrüttet ist
und die Nerven zum Zerreißen sind.
Aber jeden Tag.
Mit zusammengebissenen Zähnen, auch Blödsinniges ohne Bedeutung,
aber schreib.
Das Schreiben ist eine unserer lächerlichsten und pathetischsten Illusionen.
Wir glauben, wir machen etwas Wichtiges,
wenn wir gewundene schwarze Linien auf weißes Papier zeichnen.
Na ja, das ist eben dein Handwerk,
das nicht du dir gewählt hast, sondern das dir vom Schicksal zugefallen ist,
nur dies ist die Tür, durch die du,
wenn überhaupt, einen Ausweg finden wirst.
Schreib, schreib.
Am Ende, unter Tonnen von Papier zum Wegschmeißen,
wird sich eine Zeile retten können. Vielleicht.

Übersetzung: Hans Raimund

 

 

 

Die linguistischen Eigenheiten in der Lyrik von Dino Buzzati

Obwohl das lyrische Werk von Dino Buzzati einen eher geringen Umfang hat, nimmt es einen wichtigen Platz in seiner Produktion dadurch ein, dass es eine Reihe von Themen und Motiven vorstellt, die sich in dem größeren Werk vereinend wiederfinden. Ungefähr in die Hälfte der 60er-Jahre zurückreichend, fand die Dichtung des Autors aus Belluno eine bedeutsame verlegerische Möglichkeit dank des Freundes und Gefährten Neri Pozza, der Il capitono Pic e altre poesie und Due poemetti in der Reihe Poesie e veritá des Verlags, der seinen Namen trägt, jeweils 1965 und 1967 veröffentlichte. In eben dieser Reihe, in der Texte in Prosa und in Versen Platz fanden, erschienen Werke von Andrea Zanzotto, Fernando Bandini, Giorgio Chiusura, Ferdinando Camon. 1982 wurden die beiden Titel in einem Band, versehen mit einigen unveröffentlichten Texten, zusammengelegt, der posthum unter dem allgemeinen Titel Poesie erschien, herausgegeben von Bandini.
Die für Buzzati kongeniale lyrische Form war die des „Poemettos“, die merkwürdige Analogien aufweist, durch die unternommene besondere linguistischen Suche, mit manchen Ergebnissen, die sich im Verlauf der Jahre eingestellt haben, obwohl man Buzzati als Einzelfall betrachten kann, als untypischen Autor, der sich im Kielwasser der Tradition bewegt, in einer Epoche, die von einer starken experimentellen Strömung beherrscht wird, (man betrachte in diesem Zusammenhang die erzählerischen Versuche oder die journalistischen Lokalberichte, die ganz einem linearen Stil verpflichtet sind, im Hinblick auf eindeutige Lesbarkeit). Die linguistischen Seiltänze Buzzatis scheinen, mehr als auf die geplante Dekomposition von bestimmten formalen Stilelementen – die zeitgenössischen Bestrebungen der „Novissimi“ kann man mehr oder weniger als Antipoden zu jenen Buzattis betrachten –, vielmehr auf die Besonderheit einer Wesensart zurückzugreifen, die immer aufmerksam die Problematiken des Lebens erforschen wollte, die, nicht zufällig, zu wunderschönen Resultaten in den Erzählungen führen werden, in denen das alltägliche Einerlei aus der Fassung gebracht wird von täuschenden oder märchenhaften Optionen, die häufig an tatsächliche sprachliche Eigenheiten gekoppelt sind.
Auf jeden Fall ist spürbar, dass in der privilegierten Form des „poemetto“, die auf antikonventionelle Art entwickelt wurde, die natürliche Neigung ausgelebt werden soll, mittels einer erfundenen Geschichte, die jeden lyrischen Impuls auflöst, eine wandelbare Wirklichkeit darzustellen, die so schillert wie die Facetten eines Diamanten. Buzzati bedient sich dabei mannigfacher Kunstgriffe, um den Text expressiver zu machen: von Lautmalereien über fremdsprachige oder dialektale Begriffe, bis zu Interjektionen und Wortfetzen. Kein Kunstgriff kommt ihm ungelegen, wenn nur das angepeilte Ziel erreicht wird. Sogar die Zeichensetzung wird „extemporiert“ , wodurch ein recht deutlicher Verfremdungseffekt entsteht.
Aber vor allem ist jene enge Bindung an die im erzählerischen und dramatischen Bereich entwickelten Themen präsent, die die poetische Welt des Autors aus Belluno bilden: von der Disziplin des Soldatenlebens, die die 10 Abschnitte des Capitano Pic charakterisiert (und an sein Meisterwerk „Il deserto dei tartari“, dt, „Die Tartarenwüste“, denken lässt), bis zur Mailänder Thematik, auf die sich das „poemetto“ Scusi, da che parte per Piazza del Duomo? stützt. Diesen beide Titeln kann man idealerweise Tre colpi alla porta hinzufügen, einen Text, der ursprünglich in der Nummer 5 der Zeitschrift Il Caffè im Jahre 1965 erschienen ist und dann in „Due poemetti“ aufgenommen wurde, wobei das Thema der Unwägbarkeit alltäglicher Handlungen dominiert. Hier sieht sich die Figur des „fratello postino“ („Bruder Briefträger“) paradoxerweise einer verkehrten Situation gegenüber, in Hinsicht auf jene, die von seinen täglichen Obliegenheiten herrührt: es geht nicht mehr um das Individuum, das an die Tür klopft, um die Post zu überbringen, sondern um jenes, das sich in der Lage sieht herauszufinden, wer zur Nacht angeklopft hat:

Wer klopft um diese Zeit? Ist es die Post?
Es wird doch jemand da sein.
Tatsächlich ein peinliches Problem:
wer bringt den Briefträgern die Post?

Von diesem Nonsense wimmelt es im Hauptwerk, überall dort, wo eine bestimmte Situation, die sich mit der Zeit konsolidiert hat, mit Hilfe eines Fremdfaktors verdreht wird, der häufig der Welt der Legenden oder der Märchen der Kindheit entnommen ist (ein Elf, der WauWau, der „Riese vom Berg“ aus dem Gedicht mit dem Titel Vecchia storia).
Eine derartige linguistische Mustersammlung kann nicht in eine besonders engmaschige Prosodie gezwungen werden, wenn mit Unbefangenheit freie Verse verwendet werden, die es nicht verschmähen, wie es in Canzonetta in forma di der Fall ist, sich dem Modell der Kalligramme anzugleichen, indem sie das Profil eines fliegenden Blässhuhns nachzeichnen, das sich an den Seiten durch die Zeichnung einiger blau gefärbter Vögel widerspiegelt, die auf dem weißen Raum des Papiers flattern, kenntlich gemacht durch eine Bildlegende, die kleiner gedruckt ist als der Haupttext. Das Absurde manifestiert sich durch die Sinnwidrigkeit der Daten: hier ist es ein 41. Dezember, der auf andere Topoi verweist, darunter jenen des 58. Mai in der oben zitierten „Vecchia storia“.
Als leichter zugänglich erweisen sich die Gedichte, die nicht an die zwingende Struktur des „Poemetto“ gebunden sind, obwohl der Autor sich auch in diesem Bereich für jene Art von Lösung entscheidet, die es erlaubt, sich den einzelnen Momenten zu stellen, ohne sie notwendigerweise auf eindeutige Weise in einen Kontext zu bringen. In diesem Sinne paradigmatisch ist die Vorgangsweise, die in Scusi, da che parte per Piazza del Duomo? angewendet wird, und zwar dort, wo die Teile dieser „Frammenti di carta topografica“ wie der Autor selbst sie in der Passage „in exergo“ definiert, so konzipiert werden, dass sie vollendete Gedichte sind, auch wenn sie sich den Dynamiken annähern, die dem städtischen Thema eigen sind.
Daß Buzzati für jeden Text einen Titel vorsieht, ist eine paradigmatische Tatsache, wobei jeder Titel, der ein Gedicht charakterisiert, bewirkt, dass dieses Gedicht als autonom gelesen werden muss. In der Auswahl, die für diese Anthologie getroffen wurde, weisen die ausgewählten Teile dieses „Poemetto“ eine wirklichkeitsnahe Dimension auf, die direkt auf eine ethische Einstellung verweist (von den nicht seltenen Abschnitten über die lebendigen Ausdrucksweisen der gesprochenen Sprache), wie z.B. im „Incipit“ von „Kein gutes Haar daran – Kleiner Vorfall unterwegs: „Also ganz ehrlich: vergesst Mailand / meidet es auf Bildungsreisen, / auf Hochzeitsreisen und Liebesreisen.“ Mailand ist tatsächlich „eine wirklich widerwärtige Stadt, / zwanzig Personen verletzt bei einem Zusammenstoß / zwischen einem Auto und einer Tramway.“
Natürlich gibt es zahlreiche humoristische und ironische Stellen, die häufig mit Hilfe rigoroser Aufzählungen entwickelt werden, die heterogene Elemente enthalten, sozusagen auf der Welle analoger, zufälliger Kombinationen, die an den Surrealismus gemahnen, wie in dieser Passage aus Abreise noch Amerika:

Schau, schau, die roten Ameisen
die Aushänge, die Spiegelungen auf dem Wasser,
die Handbücher, die Wolken des späten Nachmittags,
die Bar Aurora, das Goal des Ausgleichs,
die Mädchen mit den schmalen Taillen
und die schamlosen Lippen.

Aber der humour Buzzatis – jene Form des schwarzen Humors, der gut in die historische, von Breton zusammengestellte Anthologie gepasst hätte, – ist niemals auf den Autor bezogen oder Selbstzweck, wobei er gewisse Einzelheiten auf eine Art isoliert, die wir als hyperrealistisch bezeichnen könnten, da sie zuweilen an die Vergrößerungen denken lassen, die ein „häretischer“ Maler wie Domenico Gnoli vorgenommen hat.
Es scheint, dass Buzzati, obwohl er von quasi antithetischen Positionen zu jenen gewisser experimenteller Autoren ausgegangen ist, zu ebenso bedeutsamen Resultaten gelangt, wobei er aber im Gegensatz zu jenen auf ideologischem Gebiet keine Konzessionen macht. Also gelebte Poesie, versehen mit dem Segen einer Authentizität, die vermittels einfacher und niemals banaler Ergebnisse in Erscheinung tritt, wie sich an diesen Versen aus Giorno verrà erkennen lässt:

Um sich an dich zu erinnern
auf der ganzen Welt, nur
diese meine Worte,
und du wirst sie nicht verstehen,
weil du sie nie verstanden hast.

Pasquale Di Palmo, Nachwort
Übersetzung: Franziska und Hans Raimund

 

 

Zum 70. Geburtstag des Übersetzers:

David Axmann: Wider-Klang der Welt-Betrachtung
Wiener Zeitung, 3.4.2015

Fakten und Vermutungen zum Übersetzer + Archiv
shi 詩 yan 言 kou 口

 

Hans Raimund im Interview mit Gerhard Winkler für die Literatur-Edition-Niederösterreich am 13.4.1999 in Hochstraß.

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + IMDb + Internet Archive
Porträtgalerie: Keystone-SDA

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag Buzattis (2006) der Poste Italiane

Zum 50. Todestag des Autors:

Gerhard Strejcek: Existenzialismus am Rand der Wüste
Wiener Zeitung, 17.1.2022

Dino Buzzati  – eine Video-Hommage anlässlich des 50. Jahrestages seines Todes am 28. Januar 1972.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00