Gertrude Stein: zeit zum essen. eine tischgesellschaft

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Gertrude Stein: zeit zum essen. eine tischgesellschaft

Stein-zeit zum essen. eine tischgesellschaft

NIMM EIN EIS AN
Nimm an es sei innerhalb eines tores das offen ist
aaaaaoffen zur sperrstunde sommer heisst zu sagen es
aaaaasei so.
Alle sitze benötigen schwärzen. Ein weisses kleid ist
aaaaain sinn. Ein soldat ein richtiger soldat hat
aaaaaschäbige tressen, schäbig in tressen
aaaaaverschiedener grössen würde bedeuten könnte
aaaaaer lesen, könnte er lesen hätt er die grösse vier
aaaaaund zwanzig demonstrativ den mund zu stopfen.
Werd rot werd rot, lach weiss.
Nimm ein kollaps an ein geriebne schnurr, eine geriebne schnurr kriegen.
Kleine ladenmädchen ladenmädchen lämmerwädchen.
Lederlädchen und so delikat delikat, delikat delikat.

 

 

 

food, objects and portraits by Gertrude Stein,

über- und vorgetragen von Barbara Köhler, die zu ihrer Neuübersetzung ausgewählter Stücke der „Tender Buttons“ schreibt: „Wir wissen von dingen, die zeit verschlingen. Das schreiben von Gertrude Stein hingegen ist ein grundsätzlich nahrhaftes. Und sichtlich: es gibt längliche weile, rundliche, viel kurze und spitze, es gibt kein weil, das nicht frischkost wäre, auch wenn es seit 1911 schon auf dem papier steht. In den mund genommen, entfalten die texte geschmack und verblüffende aromen. Das gibt einen ohrenschmaus. Fast. Und auch slow food.“ Und was wäre eine Tischgesellschaft ohne Gäste? Barbara Köhler gesellt den Speisen und Dingen aus den „Tender Buttons“ Künstlerporträts hinzu, die hier erstmals auf Deutsch erscheinen: Man Ray, Stieglitz, Bernard Fay und George Hugnet.

Urs Engeler Editor, Ankündigung, 2001

 

Die PORTRAITS zeigen eigenarten einzelner stimmen,

den duktus, das beredte einer sprache, nicht das beredete. Sie sprechen von beziehungsweisen einer person als deren grammatik und von grammatik nicht als zwanghaft, sondern möglichkeitsfeld, als entfalten eines sprachspielfeldes auf dem sich mit regeln umgehen lässt, die sich auch umgehen lassen: Sätze nicht nur worte sondern sätze und immer wieder sätze sind Gertrude Steins lebenslange leidenschaft gewesen. Machenschaften zwischen wörtern, wörtern und sätzen und sätzen und menschen. Machenschaften. Sie schreiben und sie stellen nicht fest, sie vergegenwärtigen bewegen. Das hauptwort der TENDER BUTTONS heisst CHANGE (change the subject); ich habe es meist übertragen als wandel, dessen bedeutung ebenfalls, anders changiert, auch eine leibliche bewegung tragen kann und das zauberische, gleitende einer verwandlung und eine gewisse autonomie ermöglicht (a change has come) gegenüber der mach- und feststellbaren, einrichtigen enderung oder dem zweipoligen springen des wechsels, demgegenüber ein wandel geraum ist beidseitig der wand…
TENDER BUTTONS sind zwar (auch und keineswegs ausschließlich) texte voller zweideutigkeit aber eben nicht von der eindeutigen, monosexuellen sorte: sie machen sich lustig und sind voller lust, voller kurioser erektionen und penetranz, einverleiben und leckereien, es blühen blumen in ihnen, die durchaus fliessend gelesen werden können (flowers von to flow – fliessige lieschen vielleicht) und bereits die buttons des titels knöpfen sich eine sexuelle dreideutigkeit vor, knospen/brustwaren und hoden und klitorides. Steins praxis ist, wird benannt cover, aber verhüllt, verbirgt weniger als dass sie anzüglich ist. Ein mittel (und keine mitte) wäre z.b. hanging – jedoch kein vorhang, vorwand zum dahinterkommen (ermittlung feststellung enthüllung) jedoch eine bewegliche textile vielfalt die ein beidseits, die einen unterschied macht.
ACT SO THAT THERE IS NO USE IN A CENTRE: Wo ein tisch ist, ein tuch, platz ist zum ausbreiten, ist platz für vieles, für viele, für differentes und differenzen, ist ZEIT ZUM ESSEN, zum vielstimmigen gespräch, in das sich zu mischen die/der lesende eingeladen ist, eine stimme, der kein platz zugewiesen aber gemacht ist. Platz gemacht platz zu nehmen, sich diese texte munden zu lassen, schauplatz und für einen ohrenschmaus. Das mündliche ist hier dem mündigen verwandelt die schrift in sprache zu übertragen in eine andere, eigene sprache, in der sich nichts von selbst versteht was man nicht selbst versteht, in der der text nicht vorgekaut, kein vorgesagtes ist, ich ihn mir selber mundlich, ihn stimmig machen muss. – Mir war es und ich hoffe es überträgt sich ein genuss…

Barbara Köhler, Bookleteinschub

 

FOR THE ONE AND ONLY GERTRUDE STEIN

eine rose ist eine rose ist eine rose
aber eine frau?

ein riese ist ein riese ist ein riese
aber eine frau?

ein stein ist ein stein ist ein stein
aber eine frau?

eine frau ist eine frau ist eine frau
aber eine rose?

Ernst Jandl

 

 

3. Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung 2009 an Barbara Köhler und Ulf Stolterfoht.

 

 

 

Zwiesprachen: Swantje Lichtenstein spricht über Gertrude Stein am 24.1.2017 9m Lyrik Kabinett, München

 

 

Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstlerin Gertrude Stein

Zum 75. Todestag der Autorin:

Brigitte Schwens-Harrant: Gertrude Stein: the Making of Sprache
Die Furche, 21.7.2021

Brenda Haas: Gertrude Stein – Eine komplexe Pionierin
dw.com, 27.7.2021

Zum 150. Geburtstag der Autorin:

Lorina Speder: Gertrude Stein hat früh den Begriff von Queerness geprägt
queer.de 3.2.2024

Nuria Langenkamp: Die Frau, die Picasso und Hemingway gross machte
Neue Zürcher Zeitung, 10.2.2024

 


 

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Bild von Juliane Duda mit den Übermalungen von C.M.P. Schleime und den Texten von Andreas Koziol aus seinem Bestiarium Literaricum. Hier „Die Barbaraköhler“.

 

Barbara Köhler liest beim poesiefestival berlin 2009.

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