Harald Weinrich: Zu Bertolt Brechts vier Buckower Elegien

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Zu Bertolt Brechts vier Buckower Elegien, aus Bertolt Brecht: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Bd. 10: Gedichte 3. –

 

 

 

 

BERTOLT BRECHT

Vier Buckower Elegien

Der Radwechsel

Ich sitze am Straßenrand
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?

 

Große Zeit, vertan

Ich habe gewußt, daß Städte gebaut wurden
Ich bin nicht hingefahren.
Das gehört in die Statistik, dachte ich
Nicht in die Geschichte.

Was sind schon Städte, gebaut
Ohne die Weisheit des Volkes?

 

Der Rauch

Das kleine Haus unter Bäumen am See.
Vom Dach steigt Rauch.
Fehlte er
Wie trostlos dann wären
Haus, Bäume und See.

 

Beim Lesen des Horaz

Selbst die Sintflut
Dauerte nicht ewig.
Einmal verrannen
Die schwarzen Gewässer.
Freilich, wie wenige
Dauerten länger!

 

Bertolt Brecht in Buckow oder: Das Kleinere ist das Größere

DER RADWECHSEL

Ich sitze am Straßenrand
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?

Wir können uns die Straße, an der dieser Wagen zu Bruch gegangen ist, in Dänemark, Finnland oder am besten in Kalifornien vorstellen, in einem Land jedenfalls, das für Bertolt Brecht in den Jahren der Hitler-Diktatur Exil war. Wir können uns etwa denken, daß Brecht unterwegs war von seinem kleinen Haus in Santa Monica, wo er eine wenig geliebte Bleibe gefunden hatte, in die unweit gelegene Filmstadt Hollywood, die er zutiefst haßte, im Gepäck den Entwurf zum Drehbuch für einen Film, den zu verwirklichen er für überflüssig hielt. Es sind aber auch viele andere Möglichkeiten denkbar, wie ein Leser dieses lakonische Gedicht, das von der Situation des Radwechsels nur das Nötigste sagt, mit Lebens- und Erlebnisstoff anreichern kann, es mag Brechts Leben oder auch sein eigenes sein. Es sollte aber immer, wenn dieses Gedicht nach seinen eigenen Gesetzen weitergedacht werden soll, eine Situation des Exils sein. Das verlangen insbesondere der dritte und der vierte Vers. Man kann diese Verse nämlich, wenn man sie aus dem Gedicht herauslöst, als Rätsel lesen, das etwa lautet: Ich bin nicht gern, wo ich herkomme; ich bin nicht gern, wo ich hinfahre – was ist das? Ich kann mir wenige Lösungen dieses Rätsels denken, die überzeugender wären als die Antwort: das Exil. Denn ein Exil, darauf hat Brecht mehrfach mit Nachdruck bestanden, ist keine Emigration. Man wandert als Exilierter nicht aus in ein Land, dem man den Vorzug gibt gegenüber dem Land, das man verläßt. Man ist vielmehr Verbannter, und alle Orte dieser Verbannung, so reizvoll sie vielleicht dem Bewohner oder dem touristischen Besucher erscheinen mögen, sind für den Verbannten Zeichen der Unfreiheit und des Unglücks.
Es gibt also keinen eigentlichen Grund für den Reisenden, bei diesem Radwechsel ungeduldig zu sein. Die Ungeduld, die er dennoch zeigt und an sich bemerkt, muß einen tieferen Grund in jenem endlosen Warten haben, das die Zeit des Exils zu einer quälenden Geduldsprüfung macht. Wir können annehmen, daß der Reisende, der da am Straßenrand sitzt, mit seinen Gedanken gar nicht bei diesem Radwechsel ist, sondern bei einem ganz anderen Vorgang, der nach den Bewegungsgesetzen der Weltgeschichte, also viel zu langsam für den einzelnen, vor seinem inneren Auge abläuft. So nimmt er auch an dem Geschehen, das sich unmittelbar vor seinen Augen abspielt und seine Reise verzögert, nur spärlichen Anteil. Wir erfahren beispielsweise nicht, daß er etwa mit dem Fahrer ein Wort wechselt, ihn – wenn auch mit ungeschickten Worten – vielleicht berät oder ihm sogar zur Hand geht. Das paßt eigentlich gar nicht zu Brecht, der ja sonst zwischen den Denkenden und den Arbeitenden eine enge Solidarität herzustellen wünscht. Dieser Denkende ist hier mit seinen Gedanken nicht bei der Sache, die der Titel als Thema des Gedichtes nennt. Er ist statt dessen mit allen seinen Sinnen bei einer anderen Sache, die ihm – und uns – mehr bedeutet. Man hat unser Gedicht deshalb ein emblematisches Epigramm genannt (Heselhaus, S. 323). Epigramm deshalb, weil es, ähnlich wie wir es von Lessing her kennen, einen Vorgang mit knappen Strichen so vereinfacht, daß dieser „transitorische Moment des Radwechsels“ (Müller, S. 74) archetypischen Charakter annimmt. Emblematisch deshalb, weil die Straße und der Wagen und das Rad und der Radwechsel für diesen Reisenden – und für uns – Zeichencharakter haben. Dem ist sicher zuzustimmen, und diese, sagen wir kalifornische Straße ist gewiß ein Emblem des ,Lebensweges‘ (Curriculum vitae), dieser Reisende ist sicher auch der Mensch als Wandernder (Homo viator), und in diesem gebrochenen Rad dürfen wir zweifellos auch das Rad der Fortuna wiedererkennen. Denn der Straßenrand, der Fahrer, das Rad, der Radwechsel – alle diese Sprachzeichen sind in unserem Gedicht mit dem bestimmten Artikel eingeführt und werden dem Leser auf diese Weise als bekannt vorgestellt. Auch das Verb „sehen“ in der zweitletzten Zeile (es heißt dort ja nicht etwa „zusehen“!) paßt recht gut in diesen Zusammenhang. Denn dieses Gedicht vom Radwechsel, das in seinen Bedeutungsstrukturen so deutlich auf die Bedingungen des Exils verweist, ist nicht im Exil selber geschrieben, sondern viele Jahre später, im Rückblick, vielleicht im Tag- oder Nachttraum, aus dem Brecht in jenen Jahren gerne die Bilder seiner Gedichte schöpft und sie dann auch gerne durch eben dieses Verb „sehen“ kennzeichnet (vgl. das Gedicht „Eisen“). Wir wollen aber die Emblematik des Allgemein-Menschlichen, die wir eben angedeutet haben, nur als Horizont dieses Gedichtes verstehen. In seiner eigentlichen Substanz ist es ein geschichtliches Gedicht.

 

BEIM LESEN DES HORAZ

Selbst die Sintflut
Dauerte nicht ewig.
Einmal verrannen
Die schwarzen Gewässer.
Freilich, wie wenige
Dauerten länger!

Das Exil ist vorüber, die Tyrannei ist beendet, die Sintflut hat ,nur‘ zwölf Jahre gedauert. Bertolt Brecht ist nach Deutschland zurückgekehrt und lebt in der Deutschen Demokratischen Republik. In dem Dörfchen Buckow in der Märkischen Schweiz hat er ein kleines Landhaus. Dort schreibt er seine Buckower Elegien. Dort liest er nun, zum Beispiel, den Horaz, den er auch schon „in dem kleinen Garten von Santa Monica, […] unter dem Pfefferbaum“ im Exil gelesen hatte.
Die Interpreten haben sich manche Gedanken gemacht, welches Horazsche Gedicht Brecht wohl besonders im Sinn gehabt haben mag, als er sein eigenes Gedicht schrieb. Vielleicht die Ode I,2, die ausdrücklich jene Sintflut thematisiert, die nach der Erzählung des griechischen Mythos nur von einem Menschenpaar, Deukalion und Pyrrha, überlebt wurde? Aber auch an die berühmte Ode III,30 hat man gedacht, in der Horaz mit berechtigtem Dichterstolz von seinen Versen sagt, daß sie dauerhafter sein werden als eherne Monumente:

Exegi monumentum aere perennius (Mayer, S. 93).

Wenn es diese Ode war, die Brecht beim Lesen besonders beschäftigt hat, dann ist das Thema unseres Gedichtes das Nachleben von Dichtung, und man denkt sogleich an die andere Buckower Elegie, die da beginnt:

Ich benötige keinen Grabstein, aber…

Schließlich ist die Aufmerksamkeit der Interpreten auch noch auf die Epistel I,2 gefallen, die eindringlich das stoische Lebensideal preist:

Sapere aude! (Morley, S. 376ff.).

Brecht hat jedoch sicher nicht nur diese drei Gedichte, sondern den ganzen Horaz gelesen. Wir könnten daher den philologischen Textvergleich ohne weiteres noch fortsetzen und beispielsweise insbesondere an die Ode II,9 erinnern, von der Brecht wohl das „Non-semper“-Motiv seines Gedichtes übernommen hat. Diese Ode des Horaz ist ein Trostgedicht und entfaltet den Topos, daß kein Unheil (z.B. keine Naturkatastrophe) ewig dauert. Auch Brechts Gedicht kann ja als Trostgedicht gelesen werden, wenigstens in seinem ersten Teil, bis es dann „freilich“ ins Resignative umschlägt. Bei diesem Umschlag haben manche Leser einen Augenblick gestockt. Der Ausdruck „wie wenige“ könnte sich ja, wenn man nur der Grammatik nach urteilen will, auch auf die schwarzen Gewässer der Sintflut beziehen lassen. Dann müßte man annehmen, Brecht habe mehrere Sintfluten unterschiedlicher Dauer im Sinn gehabt. Für diese Auffassung bietet das Gedicht aber keinen weiteren Anhaltspunkt, und so haben alle Interpreten nach einem Augenblick des Stockens diese Lesart wieder verworfen und den zweitletzten Vers des Gedichts so verstanden, daß hier die wenigen Menschen (eine Ausgabe schreibt: „wie Wenige“) gemeint sind, die eine Sintflut überleben: Noah und die Seinen nach der biblischen Sintflut, Deukalion und Pyrrha nach der mythologischen Sintflut, Bertolt Brecht („Als ich wiederkehrte, war mein Haar noch nicht grau“) nach der faschistischen Sintflut. Diese Katastrophe hat lange gedauert, und wir erinnern uns der Ungeduld Brechts beim Radwechsel. Während dieser Zeit des ungeduldigen Wartens richtet sich die Hoffnung auf ein fast utopisch scheinendes „einmal“, vergleichbar dem Gedichttitel „Einmal, wenn die Zeit sein wird“. Ist aber dann endlich die Zeit gekommen, wird aus dem utopisch-zukünftigen „einmal“ das tröstliche „einmal“ der erzählten Vergangenheit: „einmal verrannen die schwarzen Gewässer“. Dann schaut man um sich: wer hat die gewaltige Sintflut überlebt? Nur wenige haben die Gewalt überlebt. Millionen fehlen, die Opfer der Flut geworden sind. Unter ihnen zum Beispiel Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, denen Brecht Grabinschriften geschrieben hat. Oder haben vielleicht gerade diese Revolutionäre länger gedauert? Denn auch das Dauern dessen, der zu seinen Lebzeiten Bedenkenswertes geschrieben und gelehrt hat, ist nur eine Form des Überlebens in der Flut der Zeit, und es geht im letzten wohl nur darum, ob der einzelne vielleicht etwas länger dauert als dies und das um ihn herum. Denn:

Dauerten wir unendlich
So wandelte sich alles
Da wir aber endlich sind
Bleibt vieles beim Alten.

 

GROSSE ZEIT, VERTAN

Ich habe gewußt, daß Städte gebaut wurden
Ich bin nicht hingefahren.
Das gehört in die Statistik, dachte ich
Nicht in die Geschichte.

Was sind schon Städte, gebaut
Ohne die Weisheit des Volkes?

Wenn man diese Buckower Elegie so versteht, als ob Bertolt Brecht, Horaz lesend, sich in sein märkisches Tuskulum zurückgezogen und von den großen Städten ferngehalten hätte, in denen nach den Zerstörungen des Krieges die Häuser und Fabriken wieder aufgebaut wurden, so würde man dieses Gedicht als epikureisches mißverstehen. Brecht, obwohl den ,Vergnügungen‘ dieses Daseins sehr zugetan, war kein Epikureer. Er hat, als er aus dem Exil heimkehrte und wieder in Berlin Wohnung nahm, am Wiederaufbau dieser Stadt leidenschaftlich Anteil genommen und in der regen Bautätigkeit, die Anfang der fünfziger Jahre einsetzte, ein verheißungsvolles Zeichen für den Aufbau des Sozialismus gesehen. „Als unsere Städte in Schutt lagen […], haben wir begonnen, sie wieder aufzubauen“, heißt es in einem Gedicht, und ein anderes Gedicht richtet sich „an einen jungen Bauarbeiter der Stalinallee“. Brecht hat auch Inschriften für die ersten Hochhäuser entworfen, die damals in Berlin entstanden, und er hat überhaupt darüber nachgedacht, ob man nicht lyrischen Gedichten dadurch eine größere Dauer geben kann, daß man sie mit der Architektur verbindet. Nein, Brecht hat gewiß nicht nur gewußt, daß Städte gebaut wurden, sondern er hat auch leidenschaftlich gewollt, daß sie gebaut wurden, und er hat mit seinen Gedichten selber mitgearbeitet an diesen großen Bauten, die von der großen Zeit des Sozialismus Zeugnis ablegen sollten, und zwar nicht nur in den Erfolgsstatistiken der Regierung, sondern auch vor der Geschichte.
Aber dieser Bertolt Brecht, der sich in den Jahren um 1950 herum so deutlich für die „große Ordnung“ der sozialistischen Gesellschaft und ihrer Renommierbauten ausgesprochen hat, hat damals im Solidaritätsrausch der Aufbaujahre wohl nur für kurze Zeit vergessen, daß er sich eigentlich in den Städten immer unwohl gefühlt hat. Eigentlich fand er sich nämlich als Literat „in die Asphaltstädte verschlagen“, und sein frühes Wort von der „Unbewohnbarkeit der Städte“ präludiert schon der späteren Rede Alexander Mitscherlichs von der „Unwirtlichkeit unserer Städte“. Es ist also leicht, der in Brechts Gedichten vielfach belegten These von den großartigen Aufbauleistungen des Sozialismus eine in seinen Gedichten ebenfalls gut belegte Antithese von dem immer erschreckenden Moloch Stadt entgegenzusetzen. Brecht löst diesen Widerspruch selber „dialektisch“ auf, indem er fragt:

Was sind schon Städte, gebaut
Ohne die Weisheit des Volkes?

Ein anderes Gedicht, das dem gleichen Problem gewidmet ist, trägt sogar den Titel „Frage“. Es lautet:

Wie soll die große Ordnung aufgebaut werden
Ohne die Weisheit der Massen? Unberatene
Können den Weg für die vielen
Nicht finden.
Ihr großen Lehrer
Wollet hören beim Reden!

Hören mögen die Mächtigen, so wollen wir hoffen, auch auf die Stimme des Buckower Elegikers, die in poetischer Form daran erinnert, daß am Ende doch das Kleinere das Größere ist.
Es versteht sich, daß diese Stimme eine leise Stimme ist und sich unter Verzicht auf jede amplifikatorische Rhetorik in literarischen Kleinformen äußern muß. Klein ist daher auch das folgende Gedicht, das in Form und Inhalt an ein japanisches Haiku erinnert:

 

DER RAUCH

Das kleine Haus unter Bäumen am See.
Vom Dach steigt Rauch.
Fehlte er
Wie trostlos dann wären
Haus, Bäume und See.

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten wir eine Idylle vor uns, fast einen Locus amoenus, gelegen in Buckow. Aber wir erinnern uns: schon in Kalifornien lebte Brecht in einem kleinen Haus mit Garten, das dennoch das Exil nicht vergessen machen konnte. Und in einem anderen Gedicht aus dem Jahre 1952 hört der Dichter „die Stimme des Oktobersturms / um das kleine Haus am Schilf“. Brecht denkt sich daher hier nicht grundlos etwas aus, wenn er den Rauch, der vom Dach aufsteigt, wegdenkt. Über den Rauch als Zeichen für mancherlei hat er in seinem lyrischen Werk viel nachgedacht. So in seinem „Lied vom Rauch“ über den vergänglichen Rauch, so andererseits über die „Gebirge von Rauch“, die über einer bombenzerstörten Stadt stehen können, und so schließlich über den friedlichen Rauch, den Odysseus bei seiner Rückkehr an den heimatlichen „Herd“ wahrnimmt:

Dies ist das Dach.
Die erste Sorge weicht.
Denn aus dem Haus steigt Rauch:
Es ist bewohnt.

Walter Jens hat also mit Recht vor dem Mißverständnis gewarnt, in unserem Gedicht eine Idylle sehen zu wollen. Wir wollen vielmehr mit demselben Walter Jens in den Versen dieses Gedichtes „eine verständige Betrachtung“ sehen, die uns in knappen, meisterlich knappen Worten daran erinnert, wie gefährdet der Friede in der Welt ist (Jens, S. 21). Er ist immer an Voraussetzungen und Bedingungen gebunden. Das ist in äußerster Verknappung mit dem nur zwei Wörter umfassenden Vordersatz des Konditionalgefüges gemeint, der im dritten Vers die Achse des Gedichtes bildet. Sind diese Bedingungen, die wir sicher im Sinne Brechts als politische Bedingungen verstehen dürfen, erfüllt, so können wir uns an dem kleinen Haus unter Bäumen am See und an dem Rauch, der aus seinem Dach steigt, erfreuen. Sind sie aber nicht erfüllt, dann ist auch kein Trost mehr bei diesem Haus, diesen Bäumen, diesem See zu finden. Es sind dann zwar noch dieselben Gegenstände, aber die Kargheit des Summativ-Schemas im letzten Vers, verglichen mit der entfalteten Syntax der beiden ersten Gedichtzeilen, gibt die Ode zu erkennen, die sich ausbreitet, wenn keine besorgende Hand mehr die friedliche Ordnung der Menschheitskultur aufrecht erhält.
In einer Betrachtung aus den dreißiger Jahren über das Zerpflücken von Gedichten nennt Brecht ein gutes Gedicht ein „zum Verweilen gebrachtes Flüchtiges“. Das paßt gut auf dieses Gedicht. Brecht führt sodann eine Reihe von Gründen an, warum seine Leser und Interpreten keine Scheu haben sollen, ein solches Gedicht zum besseren Verstehen in seine Teile auseinanderzunehmen. „Zerpflücke eine Rose und jedes Blatt ist schön.“ Auch wer unser Gedicht, dieses „zarte blütenhafte Gebilde“, bei der Interpretation auseinandernimmt und zerpflückt, wird finden: jedes Wort ist schön.

1

Harald Weinrich, aus Walter Hinck (Hrsg.): Gedichte und Interpretationen. Band 6 Gegenwart, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1982

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