Frantz Wittkamps Gedicht „Ich sorge mich um eine Fliege…“

FRANTZ WITTKAMP

Ich sorge mich um eine Fliege
In diesem Raum, in dem ich liege.
Seit Stunden höre ich mir an,
daß sie wie ich nicht schlafen kann.

um 2000

aus: Das Gedicht. Heft 14. Hrsg. von Anton G. Leitner, Weßling bei München 2006

 

Konnotation

Dass eine kleine Fliege „ein größeres Wunder“ sei als Goethe, hat schon der Meister der Hochkomik, Heinz Erhardt (1909–1979) in einem Gedicht behauptet. Die Verehrung für den kleinen Hautflügler ist in der Poesie groß; selbst als Horrorwesen, wie in David Cronenbergs Filmklassiker Die Fliege, genießt sie künstlerischen Artenschutz.
Der 1943 geborene Maler und Kinderbuchautor Frantz Wittkamp hat in einem seiner Vierzeiler der poetischen Fürsorge für die Fliege noch weitere überraschende Wendung hinzugefügt. Denn selbst der Schlaflose des Gedichts, der stundenlang keine Ruhe findet, ist nicht etwa um die Sicherung seiner eigenen Mittags- oder Nachtruhe bemüht, sondern entwickelt Mitleid mit der umherirrenden Fliege. Das Insekt erscheint nicht als Störenfried, der Aggressionen auslöst, sondern als ein leidendes Geschöpf.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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