Rolf Haufs’ Gedicht „Tag im März“

ROLF HAUFS

Tag im März

Gefiltert dann geblendet dann
Den Atem angehalten Soll da
Noch Schatten sein Huscht über
Rote Dächer Rauch noch immer Rauch
Märzrauch braunes Feld
Weit vor der Stadt Vielleicht schon grün

Unter unsern Kleidern frieren
Wir schon lange Auf einmal
Wolke leichter Schneefall
Einen Menschen kennst du schon
Ein andrer rennt dir
Vor die Füße Tritt
lernst nur schwer

1984/1985

aus: Rolf Haufs: Felderland. Carl Hanser Verlag, München 1986

 

Konnotation

Die poetische Erinnerungsarbeit konzentriert sich in den Gedichten des passionierten Melancholikers Rolf Haufs (geb. 1935) sehr oft auf die „wohlvertraute Ebene“, in der „das Schmerzenskind“ aufgewachsen ist: auf die niederrheinischen Landschaften der Kindheit. Fluss und Ebene, Dämme und Deiche markieren die Grenzen dieses „Felderlands“. Wer es wie hier das lyrische Ich im Gehen zu erobern versucht, gerät außer Tritt und verliert die Orientierung.
Der Spaziergänger, der hier die städtische Lebenswelt hinter sich gelassen und sich in eine farblich diffuse Peripherie vorgearbeitet hat, wähnt sich in einer Landschaft der Kälte und der Menschenleere. Es scheint, als bewege sich ein in seinen Welt-Koordinaten verunsicherter Wanderer durch eine fremde Natur. Es gibt keine verlässlichen Haltepunkte, an denen sich der lyrische Protagonist orientieren könnte. Es droht der existenzielle Stillstand, ein beständiges Frieren. Aber die Schlusszeile hält die Aussicht auf ein Weiterkommen offen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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