Sandra Trojans Gedicht „Wenn ich in Bienen spreche“

SANDRA TROJAN

Wenn ich in Bienen spreche

meine ich Unschärfe, Murmeln
Nektar am Mund. Und wenn ich in
Birnen spreche, in Äpfeln, in Zellen
in Kisten, von Zungen zerfressen
in Zungen, in Menschen, meine ich
Menschen: Schwärme gestempelt
innen & außen, ein Bienentanz
und damit meine ich: Bienentanz.

Nach 2005

aus: Sandra Trojan: Um uns arm zu machen, Poetenladen, Leipzig 2009

 

Konnotation

In seltsamer Obsession tanzt die zeitgenössische Dichtung derzeit den Bienentanz. Die Flugbewegungen der Biene und die biologischen Eigenarten und symbolischen Attraktionskräfte der Wespe bestimmen vielerorts die Ikonographie und das Motiv-Arsenal der Gegenwartslyrik. Ausgehend von den Bienen-Träumen der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson, die ihre Dichtkunst in völliger Abgeschiedenheit in einem Provinznest in Massachussetts verfasste, entwickelt auch Sandra Trojan (geb. 1980) eine hypnotische Bildsprache.
In einem fast surrealen und zugleich vollkommen der Phänomenalität der Dinge zugewandten Text beschwört Sandra Trojan das sinnliche Sprechen der Poesie. Es ist eine sinnliche Rede, die wie selbstverständlich „Unschärfen“ und Mehrdeutigkeiten mit einschließt. „Wenn ich in Bienen spreche“ – das meint ein „polylinguales“ Sprechen in vielen Zungen, ein poetisches Sprechen, das stets dem Bild verpflichtet bleibt und sich nicht an den besserwisserischen Begriff verrät.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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