Felix Philipp Ingold: Leben & Werk

27. Dezember

27. Dezember

27. Dezember
Die Möglichkeit als eine spezifische Wirklichkeitsform zu begreifen und zu akzeptieren, statt sie, wie üblich, von ihr abzusetzen, sie qualitativ abzuwerten, das könnte ein neues Weltbild begründen, in dem Realität und Fiktion gleichrangig koexistieren.

19. Dezember

19. Dezember

19. Dezember
Fragt sich aber doch … jedenfalls ich als Laie frage mich, weshalb keiner der großen Pianisten des 20. Jahrhunderts – kein einziger! – als Vermittler zeitgenössischer Musik angetreten ist. Eine vergleichbar reaktionäre Haltung ist in keinem andern Kunstbereich zu beobachten.

11. Dezember

11. Dezember

11. Dezember
In einem meiner Beiträge zur Malewitschforschung hatte ich einst vorgeschlagen, das ›Schwarze Quadrat auf weißem Grund‹ als einen opaken Text zu begreifen, mithin als einen undurchdringlichen schwarzen Satzspiegel, der alle möglichen beziehungsweise denkbaren, hier gleichsam einander überlagernden Texte virtuell enthält, aber keinerlei Bedeutung mehr freigibt.

26. November

26. November

26. November
Biografie und Ikonografie des Autors, der Autorin werden mit dem Werk so effizient enggeführt, dass man einen Roman, eine Prosa- oder Lyriksammlung heute mit unkritischer Selbstverständlichkeit als direkten literarischen Niederschlag persönlichen Erlebens wahrnimmt.

22. November

22. November

22. November
Die Poesie ist das Register in der literarischen Armatur, das ich am besten beherrsche – nein! – das ich am liebsten und am sichersten handhabe; das einzige, in dem ich mich wirklich souverän fühle und von dem ich weiß, dass ich es optimal nutze.

19. November

19. November

19. November
Was mich hinreißt, kann mich nicht auch noch beeinflussen oder gar prägen; was mich beeinflusst und prägt, reißt mich meist nicht sonderlich hin, lässt mich vielmehr einhalten, zusehen, nachdenken, Abstand nehmen, ist auch oft schwierig, wenn nicht unangenehm zu lesen.

18. November

18. November

18. November
wie ich in der Rolle Célines beim Zivilstandsamt die sofortige Geschlechtsumwandlung meines Namens fordere; wie alle alle hassen, verleumden, übervorteilen, ausnutzen, gegeneinander ausspielen und … und auf diese Weise sich wechselseitig vernetzen.

17. November

17. November

17. November
Dass dieser junge Mann aber zu meiner Lesung kommt, weil er im Roman gleichsam die existentielle … die zum Tod hin offene Spielart des Pokerturniers entdeckt zu haben glaubt, ist das wohl ungewöhnlichste Feedback, das mich als Schriftsteller bisher erreicht hat.

13. November

13. November

13. November
Ein Rivarol täte gut … täte heute Not als Meisterdenker gegen jede Art von Korruption und Mediokrität, gegen den Scheintriumph der Quantität, gegen die Diktatur der Ratings, gegen Sprachverluderung und Denkfaulheit, gegen schlechten Geschmack, eitlen Gratismut, leerlaufende Trends.

8. November

8. November

8. November
Auch in verhältnismäßig geringen Dosen halten hier menschliche Niedertracht und menschliche Erniedrigung die Tyrannei einer ruchlosen, perfekt krawattierten Führungsclique aufrecht, die dank global durchgesetzter politischer »Korrektheit« keinerlei Einspruch zu gewärtigen hat.

7. November

7. November

7. November
Ich tendiere einmal wieder, wie oft in dieser Jahreszeit, zu einer diffusen, miesen Stimmungslage … zu einem privaten, unteilbaren, unmitteilbaren Mauvismus, einer Übellaunigkeit, die mich als mein eigener Seelenmulm übersteigt, mir den Tag vergällt, der Migräne Auftrieb gibt, mich zu lächerlichen Fehlgriffen und Missverständnissen verleitet.

24. Oktober

24. Oktober

24. Oktober
Das graue Publikum füllt langsam den Raum, etwas verspätet beginne ich zu reden, rede mich rasch in Rage, beschimpfe die Zuhörerschaft, werfe den Leuten geistige Trägheit und Unbedarftheit vor, wonach sich sofort einzelne, dann mehrere, schließlich alle in wortloser Trauer erheben und den Saal verlassen.

20. Oktober

20. Oktober

20. Oktober
Mich wundert’s, dass mit diesem Buch offenbar doch etwas gelingt, das ich zwar nie angestrebt, insgeheim aber erhofft hatte, dass es nämlich für naive und für elitäre Leser gleichermaßen (wenn auch jeweils aus unterschiedlichen Gründen und auf unterschiedliche Weise) – funktioniert.

19. Oktober

19. Oktober

19. Oktober
Es ist der zunehmende Verlust an Zeitgenossen, die meiner Generation angehören und mit denen ich mich historisch wie auch intellektuell verbunden fühle … verbunden durch gemeinsame Interessen, Wertvorstellungen und Projekte, verbunden auch im Widerspruch, doch im Verlass auf eine gemeinsame Sprache.

1. Oktober

1. Oktober

1. Oktober
Was für die googlende Mehrheit selbstverständlich ist, dabei interessant, vielleicht gar unverzichtbar, kommt mir völlig fremd vor, ist für mich unerheblich, überflüssig, so wie ich für sie überflüssig und unerheblich bin. Doch eben dies ist der Triumph meiner Wenigkeit.

25. September

25. September

25. September
Selbst meine Schreibarbeit ist, vermute ich, stark durch die Krankheit geprägt, ja-nein, durch die Krankheit bin ich überhaupt erst zu einer Schreibgeste und in eine Schreibbewegung gekommen, die ihren Impuls gleichermaßen aus dem Körper und aus Geistigem, Erlerntem, Erlesenem gewinnt.

24. September

24. September

24. September
Das Gespräch artete zum Schluss in unerwartete Härte aus, ich selbst (der ich ziemlich regelmäßig Traumberichte verfasse) geriet in den Verdacht, träume literarisch zu fälschen oder wenigstens zu verfälschen – worauf ich eine wahre, wenn auch ziemlich unwahrscheinliche Geschichte aus meiner Alltagswelt zum Besten gab, die dann wiederum beargwöhnt wurde, bloß ein Traum gewesen zu sein.

18. September

18. September

18. September
Klischeehaftes Schreiben steht nicht nur für den Mangel an Können und Wollen, mitunter ist es eine aus der Not geborene Tugend, vor allem dort, wo gegen die Zensur oder in höherem (staatlichem, parteilichem, kirchlichem) Auftrag geschrieben werden muss.

17. September

17. September

17. September
Der Briefkastenonkel war damals mein produktivster Informant, wichtiger als meine Lehrer in der Schule, wichtiger als meine Eltern auch, denen die Bibel als das einzige verlässliche Lexikon galt und die auch gar nicht begriffen, was mich an so abstrusen Themen wie Pyramidenbau, Armbrust, Weltraumforschung, Farbenlehre, Faustlegende, Blindschleichen, die Bartholomäusnacht, die Handschrift von Saragossa usf. interessieren konnte.

8. September

8. September

8. September
Sinnbildung ist dort gefährdet, wo bei Autoren wie bei Lesern die Überzeugung vorherrscht, verstanden zu haben; denn was einer zu verstehen gibt oder verstanden zu haben meint, ist nie nicht etwas Abgeschlossenes, und gerade das Abgeschlossene, Vollendete, vermeintlich Vollkommene ist das, was die Entstehung und Entfaltung von Sinn verhindert.

7. September

7. September

7. September
Ob das die Zukunft von Autor und Buch ist? Jedes Werk ein Lebenswerk, ein Unikum und Unikat – Vollendung von Werk und Leben in einem; und irgendein hergelaufener Leser wie ich oder du macht es zufällig ausfindig (denn suchen kann man es nicht, weil keiner weiß, dass und wo es existiert …), um damit möglicherweise etwas anzufangen.

2. September

2. September

2. September
Seit vielen Jahren sehe ich mir täglich einen, manchmal auch zwei TV- oder Kinofilme an, ausschließlich vom Genre Drama, Thriller oder Krimi, ausschließlich deutschsprachige (also nicht synchronisierte) und zeitgenössische Produktionen, also keine Kostümfilme, keine Komödien, nichts Historisches, kaum Klassiker.

1. September

1. September

1. September
Füße und Köpfe beherrschen den Ball ja offenkundig nicht, sie reagieren bloss auf ihn – die Spieler treiben das Leder vor sich her zum gegenerischen Tor und tun letztlich doch nichts anderes, als hinter ihm herzujagen und seinen nomadischen Sonderwegen zu folgen.

22. August

22. August

22. August
Als Dilettant bewege ich mich nicht mehr nur auf wissenschaftlich gesichertem Gelände, knüpfe nicht mehr nur an den aktuellen Forschungsstand in meinem Arbeitsgebiet an, beschränke mich auch nicht auf die übliche Darbietungsform der Abhandlung mit permanenter Bezugnahme auf Sekundärliteratur und damit auf fremde Autoritäten, erlaube mir statt dessen ein deutlich riskanteres, eigensinniges Denken und eine essayistische beziehungsweise experimentelle Schreibweise, die nicht nur Erkenntnisse vermittelt, sondern solche auch hervorbringt.

17. August

17. August

17. August
ich bekomme die Schlechtigkeit des menschlichen Daseins und die Niedertracht allen Strebens, auch des Strebens nach dem Besseren, beredt vorgeführt und argumentativ bestätigt, und ich lasse mich noch einmal darüber belehren, wie aus Ungemach und Undank zumindest minimale Kraftimpulse zu gewinnen sind.

15. August

15. August

15. August
Jeder aufmerksame Psychotherapeut könnte mir meine Träume … könnte mir die Bedeutung meiner Träume plausibel machen, aber deren Sinn kann einzig ich selbst erschließen, und der hat in jedem Fall seine Richtigkeit, eben weil er nicht nur das Ergebnis meines Verstehens ist, sondern auch und vor allem ein Mehrwert meiner Vorstellungs- und Assoziationskraft.

8. August

8. August

8. August
Ich trage keine Lehre davon, nur ein schlechtes Gefühl im Gedanken daran, dass auch ich, als einer von Milliarden von Menschen unter Milliarden von Sternen, nicht mehr als eine »Ameise« bin … eine Ameise allerdings, die »ich!« sagt und sich damit vollends lächerlich und überflüssig macht: »Zu viel!«

7. August

7. August

7. August
Die Realität … das Reale selbst schwindet, wird abgelöst durch mögliche Welten (possible worlds, wie die Informatiker ja schon lange wissen), die sich aus disparaten Elementen zu einem multidimensionalen Gebilde aufbauen, das am ehesten im Traum … in der vom Traum realisierten möglichen Welt eine Entsprechung findet. Mal sehen!

4. August

4. August

4. August
Denn human ist, meine ich, nicht das Menschliche im gängigen Verständnis, nicht das, was menschenrechtlich als legitimes Bedürfnis von uns allen anerkannt ist, sondern gerade das, was über dieses ordinär Menschliche hinausgeht, was hinausgeht über das Animalische, das dem Menschen zugestanden wird als ein Natürliches.

2. August

2. August

2. August
Und vielleicht hat ja sogar die unbedarfte Vorstellung ihre Richtigkeit, dass man sich Texte durch Lektüre einverleibt, um sie zu verdauen. Dem Gedächtnis mögen sie entfallen, als Energie wirken sie fort. Was mir vom Lesen bleibt, ist das, was ich – vergessen – habe.

1. August

1. August

1. August
Heute bildet die Schweiz mit ihrem annähernd sternförmigen Grundriss die zentrale Leerstelle im europäischen Kontext, ein schwarzes Loch, das sich mehr und mehr zusammenzieht und dabei nach allen Richtungen abwehrende Zacken ausfährt.

20. Juli

20. Juli

20. Juli
Die neuen Medien haben den Rezeptionsraum der Künste, zu dem immer auch die Zukunftsdimension gehörte, so weit zum Schwinden gebracht, dass nur noch die laufende Saison, der aktuelle Spaß- und Gewinnmoment, bestenfalls »Schopenhauer für Minuten« von Interesse sind.

16. Juli

16. Juli

16. Juli
Das weithin geltende Prinzip ist Gleichgültigkeit, und je mehr vom Gleichen gültig ist, desto mehr entspricht’s der sogenannten Normalität und wird damit konsensfähig. Voraussetzung dafür ist immer, dass an irgendeinem Punkt Quantität (Produktion, Umsatz, Erfolg usf.) in Qualität umschlägt.

11. Juli

11. Juli

11. Juli
Warum sollte Literatur nicht eine Anstrengung verlangen (und übrigens schlicht auch eine solche ermöglichen), wo doch die meisten Texte – von der Regierungserklärung bis zur Familiensaga, vom Werbetext bis zum Streikaufruf und zur Hausordnung – ohne besonderen intellektuellen Aufwand zu verstehen sind. Sie sind zu verstehen, weil sie verstanden werden sollen … verstanden auf immer nur eine vorbestimmte Weise.

10. Juli

10. Juli

10. Juli
Was habe ich … was hat der alltägliche Horror mit mir als Person zu schaffen? Was kann ich dafür? Was kann ich dagegen? Was … wo liegt meine Verantwortung dafür? Was kann jemand … was kann einer wie ich überhaupt noch wollen … noch sollen hienieden?

6. Juli

6. Juli

6. Juli
Bin heute ohnehin indisponiert – Sommergrippe, alles überwärmt in der Runde, Kopf- und Knieschmerz, Schreibhand geschwollen bis zum Ellenbogen; also nur kurz diese Notiz in den Laptop getippt: Unser Buch bleibt unser Bruch, vor großer Runde muss das nicht bestehen, auch ist’s nicht zu vernichten.

5. Juli

5. Juli

5. Juli
Da geh ich drüber hin, verfolge diese oder jene Idee, hänge diesem oder jenem Problem nach, versuche aus meinen Schritten den Rhythmus für diesen oder jenen Satz zu gewinnen; aber die Natur bleibt ein kulissenhafter Raum, demgegenüber ich, obwohl ich doch regelmäßig in ihn eindringe, immer »draußen« bin und den ich durch meine Gegenwart gleichsam überfremde.

2. Juli

2. Juli

2. Juli
Korruption, Erpressung, Vergeltung, Neid, Eifersucht usf. wären im Großen wie im Kleinen neu einzuschätzen, wenn man sie unter amoralischem Gesichtspunkt beziehungsweise als Erscheinungsformen der Amoral betrachtet, und nicht bloß als Ausdruck unmoralischen Verhaltens.

27. Juni

27. Juni

27. Juni
wenn schon auf Distanz kommuniziert werden muss – der Schrifttext jedenfalls verlässlicher sei, authentischer als die beim Telefonieren freigesetzte Stimme; dass ich mich beim Schreiben wie auch im Geschriebenen (Brief, Mail, Fax usf.) als erste Person glaubwürdiger und vollständiger artikulieren kann, als wenn ich mich allein über die Stimme, über »es«, gleichsam über das Neutrum einer dritten Person vernehmen lasse.

25. Juni

25. Juni

25. Juni
Was ich dazu an dieser Stelle notiere, ist zugegebenermaßen nicht viel mehr als eine persönliche Meinung, hergeleitet aus der aktuellen Lektüre des Werks. Es fiele mir allerdings nicht schwer, diese Meinung argumentativ zu festigen und durch beliebig viele Textbeispiele zu stützen. Doch das ist heute nicht mein Ding, und mein Ding würde die Sache auch nicht besser machen. Besser machen?

28. Mai

28. Mai

28. Mai
Gegen Hilflosigkeit und Mitleid und Verzweiflung kann nur Gleichgültigkeit helfen, doch auch die nützt – gleichsam als Imprägnierung – einzig uns, und nicht den Betroffenen. Wir überleben in dem Maß, wie wir verdrängen. Wie denn anders?

23. Mai

23. Mai

23. Mai
Milliarden gewonnen, Milliarden zerronnen – mir kann’s egal sein, aber auf irgendeiner lebenspraktischen, weit von mir abgehobenen Ebene ist es dann doch vielleicht nicht ganz so irrelevant, wer die Milch wann und wo und wieso verschüttet hat.

16. Mai

16. Mai

16. Mai
vorstellbar wäre doch ohne allzu viel Fantasie, dass die Knochen in den Gelenken, die Augen in den Höhlen, das Gehirn bei Beanspruchung hörbar knirschen, knarren oder knacken – und so auch die Erde bei ihrer Drehung um die eigene Achse. Unter solch mörderischem Lärm hätte die menschliche Sprache nicht entstehen können, und sie hätte auch nicht entstehen müssen.

15. Mai

15. Mai

15. Mai
Am allerwenigsten kann ich mich mit der ganz normalen Mediokrität des Kulturbetriebs abfinden, mit der Duckmäuserei, dem Konsensbedürfnis, der Buchhaltermentalität von verantwortlichen Interessenvertretern, von Kuratoren und Organisatoren, die kaum noch eine Ahnung davon haben, was sie organisieren oder kuratieren, aber auch mit der intellektuellen Bequemlichkeit, dem Unterhaltungs- und Unmündigkeitsbedürfnis so vieler – der letzten – Kulturkonsumenten.

14. Mai

14. Mai

14. Mai
Auffallend auch, dass ich an Schmerzerlebnisse – Schmerz gehört zu meinen prägenden, ständig wiederkehrenden Erfahrungen – keinerlei Erinnerung habe; ich erinnere mich einzig an die Umstände gewisser Schmerzerfahrungen, an Anlässe, Situationen, Begleiterscheinungen, nicht aber – nie – an den Schmerz als solchen.

9. Mai

9. Mai

9. Mai
Der Autor von einst ist zum Image verdampft, Autorschaft unterliegt vor allem institutionellen und marktwirtschaftlichen Vorgaben, tendiert deutlich zur Publizistik, zur Reportage, zum Selbsterlebensbericht; doch mehr als eine von vielen gleichartigen Stimmen aus dem globalen Literatenchor ist kaum noch zu vernehmen, seitdem die Qualitätskriterien weitgehend durch Literaturinstitute, Schreibwerkstätten, öffentliche Lesekonkurrenzen und Publikumsjurys bestimmt werden.

8. Mai

8. Mai

8. Mai
Nicht nur die NZZ, das überregionale deutschsprachige Qualitätsfeuilleton insgesamt scheint, beim Gleichziehen mit dem Boulevard, den Kulturbegriff ausweiten zu wollen auf all das, was vor … vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren unter den »Vermischten Meldungen« zwischen Börse und Sport oder im Editorial auf der Frontseite zu lesen war.

6. Mai

6. Mai

6. Mai
›Gegen den Tag‹, 1592 Dünndruckseiten, wimmelnd von Jargonismen, Fachbegriffen, Daten, Personen- und Ortsnamen, ganz zu schweigen von zahllosen Anspielungen und Paraphrasen, die auch meine Lektürekompetenz auf die Probe stellen.

29. April

29. April

29. April
Wenn ich heute, als einer von vielen Passanten, von einem Pizzakurier am Straßenrand angefahren und zu Fall gebracht werde, mir dabei den Schädel aufschlage und die linke Hand breche, wird sich bald jemand über mich beugen mit der völlig deplatzierten, jedoch als politisch korrekt geltenden Frage: »Geht’s Ihnen gut? Sind Sie ok?«

28. April

28. April

28. April
Die Anfänglichkeit des poetischen Denkens und Schreibens ist vergleichbar mit einer allseits überströmenden Quelle, die ihren Weg sucht (ihren Gang nimmt); den Verlauf der Ströme oder Rinnsale bestimmt die Beschaffenheit der Oberfläche, über die sie fortlaufen.

4. April

4. April

4. April
So entsteht bei mir bisweilen der Eindruck, dass sich meine Alltagswelt, nicht anders als die höhere Welt von Politik und Wirtschaft und Wissenschaft und Kunst, aus lauter Aprilscherzen zu einer einzigen menschlichen Tragödie fügt.

24. März

24. März

24. März
Wenn ich’s bedenke – unvorbereitet mit Haut und Haar, mit dem ganzen Alltagskrempel, mit Bibliothek und Lebensgeschichte und Gefühlshaushalt weggespült zu werden und für immer zu verschwinden, wäre mir als das Letzte gut genug; schrecklich aber, es zu überleben.

17. März

17. März

17. März
frage auch Sie als schreibende Kollegen, als Kritiker oder Juroren, als rare Lyrikleserinnen und -leser, ob es das Interesse und die Aufgabe der Poesie sein kann … sein sollte, den heruntergekommenen Status der Alltagssprache zu übernehmen, zu kultivieren und damit sekundär zu rechtfertigen:

16. März

16. März

16. März
Manches lässt darauf schließen, dass ursprüngliche Rede poetische Rede ist; dass erstes Reden also nicht diskursiv auf Verständigung und Bestätigung angelegt ist, sondern als Ruf, Anruf, Aufruf, Warnung, Drohung, Lockung, Dank, Gebet ergeht

14. März

14. März

14. März
Aber immer besser verstehe ich die strenge Empfehlung der Stoa, sich über Undankbarkeit nicht zu beklagen … sich über Undank und Missachtung hinwegzusetzen und damit menschliche Größe, Würde, Gleichgültigkeit zu zeigen. Simples Rezept!

21. Februar

21. Februar

21. Februar
Ein Werk, dessen Monumentalität einzig darin besteht, dass es besteht; dass da einer sich vorgenommen hat … dass da jemand sich hingesetzt hat, um ausschließlich über Privates zu berichten, über strikt persönliche Dinge, die zumeist völlig unerheblich sind, bisweilen aber auch überlebenswichtig sein können.

11. Februar

11. Februar

11. Februar
Der Rückblick auf Getanes und Vertanes ist mehr als ernüchternd, nichts will sich zusammenfügen, zu vieles kommt in Sackgassen und auf Abwegen zum Stocken, bleibt bei mir hängen, genügt weder mir noch sich selbst, hat keinen Horizont und keine Perspektive.

5. Februar

5. Februar

5. Februar
Beklagt wird hier – wie anderswo auch – das Überhandnehmen eines globalen, nach Aussprache, Grammatik und »Wortschatz« defizitären englischen Idioms, wie es allenthalben von Fußballtrainern, Eisprinzessinnen, Spitzenköchen, Bankangestellten, Blumenverkäuferinnen, Tenniscracks, Schönheitsköniginnen, Slampoeten, Slalomspezialisten, Politikberatern, Armeesprechern und Supertalenten aller Sparten, aber auch von minderen Zeitgenossen wie du und ich praktiziert wird.

16. Januar

16. Januar

16. Januar
Immer wieder überkommt mich die abstruse Vorstellung … überkommt mich der perverse Wunsch, meine letzte Liebe für eine blinde Frau aufzubringen; für jemanden, dem ich die sichtbare Welt erzählen könnte, dem ich meine Welt als die wirkliche Welt in Worten vorspiegeln könnte, für jemanden, dessen Welt meiner Vorstellung entspräche und der – oder die – in dieser Welt tatsächlich zugange wäre.

10. Januar

10. Januar

10. Januar
Das ganz und gar unaufwendige Projekt besteht darin, auf dieser längsten Strecke der hiesigen Verkehrsbetriebe aktuelle Materialien zur Stadtschrift zusammenzutragen – sogenanntes Sprachgut, das sich auf unterschiedliche Art und in unterschiedlicher Funktion im öffentlichen Raum kundtut.

1. Januar

1. Januar

1. Januar
Ich kann mir einen Beginn nicht vorstellen, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass vor dem Beginn nichts war; ein Gleiches in Bezug auf das Ende – wie ist ein Ende zu denken, wenn man nicht denken kann, dass nach dem Ende nichts mehr sein wird.

„Suppe Lehm Antikes im Pelz tickte o Gott Lotte“

Vernunft

entfernt und nervt: versumpfte Zunft lehrt wider Kunst die Wiederkunft.

Michel Leiris ・Felix Philipp Ingold

– Ein Glossar –

lies Sir Leiris leis

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