August von Platens Gedicht „Du sprichst, daß ich mich täuschte,…“

AUGUST VON PLATEN

Du sprichst, daß ich mich täuschte,
Beschwörst es hoch und hehr,
Ich weiß ja doch, du liebtest,
Allein, du liebst nicht mehr!

Dein schönes Auge brannte,
Die Küsse brannten sehr,
Du liebtest mich, bekenn es,
Allein, du liebst nicht mehr!

Ich zähle nicht auf neue,
Getreue Wiederkehr:
Gesteh nur, daß du liebtest,
Und liebe mich nicht mehr!

1828

 

Konnotation

Dass Liebe als Passion im Schmerz endet, in der bitteren Erfahrung des Verlusts – dieses Elementarerlebnis hat der polyglotte Dichter August von Platen (1796–1835) in vielen ergreifenden Gedichten beschrieben. Meist übersetzte der Abkömmling aus verarmtem protestantischen Adel diese Urszenen des Liebesschmerzes in die strenge Form von Sonetten und Ghaselen. Den Klagegesang und Abgesang des unglücklichen Liebenden im vorliegenden Text hat Platen 1828 in seine Ausgabe der Gedichte aufgenommen.
Angeekelt von den Zuständen in Deutschland, hatte Platen 1826 beschlossen, sich in seinem Sehnsuchtsland Italien niederzulassen. Dort lernte er im Frühjahr 1827 den Maler und Dichter August Kopisch (1799–1853) kennen, die Liebe seines Lebens, die ebenso tragisch und abrupt endete wie alle Liebesversuche zuvor. Der plötzliche Abschied von Kopisch mag sich in dem Gedicht manifestieren, in dem das lyrische Ich mit seinen Selbsttäuschungen konfrontiert wird und nach einem Weg sucht, sich von seiner brennenden Leidenschaft zu lösen.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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