Bertolt Brechts Gedicht „Serenade“

BERTOLT BRECHT

Serenade

Jetzt wachen nur mehr Mond und Katz
Die Menschen alle schlafen schon
Da trottet übern Rathausplatz
Bert Brecht mit seinem Lampion.

Wenn schon der junge Mai erwacht
Die Blüten sprossen für und für
Dann taumelt trunken durch die Nacht
Bert Brecht mit seinem Klampfentier

Und wenn ihr einst in Frieden ruht
Beseligt ganz vom Himmelslohn
Dann stolpert durch die Höllenglut
Bert Brecht mit seinem Lampion.

1918

aus: Bertolt Brecht: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, Band 13: Gedichte 3. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1993

 

Konnotation

So hat sich der junge Brecht (1898–1956) gerne gesehen: Als rauschbereiter Bänkelsänger und Nachtmensch, der durch die Straßen der Heimatstadt Augsburg geistert und dort seinen Zeitgenossen mit seinen gitarrengestutzten Liedern ein Licht aufsteckt. Kaum dem Gymnasium entlaufen, schrieb der Germanistikstudent Brecht 1918 einige Lieder und Balladen, in denen er mit enormem Selbstbewusstsein auftrumpfte.
Der sich hedonistisch gebärdende Dichter präsentiert sich als Bürgerschreck und als lasterhafter Zeitgenosse, der seinen zukünftigen Platz in der Hölle sieht, wo er – etwas paradox – selbst im ewigen Feuer trotzig mit seinem „Lampion“ seine Mitwelt illuminiert. Die letzte Strophe zeigt an, dass der Dichter seine Arbeit als sehr beständiges, über den Horizont seines Lebens hinaus wirkendes Projekt glaubt. Wir haben es mit einem Poeten tun, der gegen Selbstzweifel immun scheint.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2011, Verlag Das Wunderhorn, 2010

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