Georg Trakls Gedicht „In ein altes Stammbuch“

GEORG TRAKL

In ein altes Stammbuch

Immer wieder kehrst du, Melancholie,
O Sanftmut der einsamen Seele.
Zu Ende glüht ein goldener Tag.

Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige
Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.
Siehe! es dämmert schon.

Wieder kehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches,
Und es leidet ein anderes mit.

Schaudernd unter herbstlichen Sternen
Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.

1913

 

Konnotation

Für seinen Dichterkollegen Albert Ehrenstein (1886–1950) war das Leben des unglücklichen Dichters Georg Trakl (1887–1914) nur eine „sanfte Melancholie vor dem Tod, den er immer sah, ein Hintaumeln vor der Verwesung, die er immer fühlte“. In einem der vielen Melancholie-Poeme des Bandes Gedichte (von 1913) treten selbst die ansonsten zahlreichen Landschaftsbilder zurück hinter die unmittelbare Evokation der Schwermut.
Die Melancholie wird explizit zum konstitutiven Daseinszustand des Subjekts stilisiert – und zugleich als Schutzraum für den „Geduldigen“ reklamiert. Es sieht so aus, als plädiere der Dichter hier für eine Lebenshaltung der „Demut“, in der sich Schmerz und „Wahnsinn“ besser abwehren lassen. So wird das Leiden der „einsamen Seele“ in das „Glühen“ des Tages und die hereinbrechende Dämmerung eingepasst, als sei der geduldig ertragene Schmerz die einzig tragfähige Korrespondenz zwischen Subjekt und Natur.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

1 Antwort : Georg Trakls Gedicht „In ein altes Stammbuch“”

  1. Michael Bartsch sagt:

    Zuerst sollte man einen korrekten Text veröffentlichen.

    wiederkehrst: Falsch. Richtig ist: wieder kehrst

    Wiederkehrt: Falsch. Richtig ist: Wieder kehrt

    Schauernd : Falsch. Richtig ist: Schaudernd

    Die Überschrift gehört nicht kursiv gedruckt.

    Das Gedicht besteht nicht aus einem Inhalt oder einer Handlung.
    Trakl reklamiert nicht.
    „Es sieht so aus“: Ja was nun, ist es so oder nicht?

    Das Gedicht ist wie ein abstraktes Gemälde. Wer Gegenstände in dem Bild sieht, hat nicht tief genug geschaut. Die Worte evozieren im Leser etwas. Benn schreibt ihnen einen Wallungswert zu. Er spricht von „Zusammenhangsdurchstoßung“ (in: „Probleme der Lyrik“). Selten gelingt Lyrikern mit dieser lebensfernen Anrufung ein großes Gedicht. Brentano konnte das: „Was reif in diesen Zeilen steht…“

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