Günter Eichs Gedicht „Timetable“

GÜNTER EICH

Timetable

Diese Flugzeuge
zwischen Boston und Düsseldorf.
Entscheidungen aussprechen
Ist Sache der Nilpferde.
Ich ziehe vor,
Salatblätter auf ein
Sandwich zu legen und
unrecht zu behalten.

1964

aus: Günter Eich: Gesammelte Werke. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1973, 1991

 

Konnotation

Seit seinem Gedichtband Zu den Akten von 1964 wollte sich der Dichter Günter Eich (1907–1972) den „Kämpfern auf verlorenem Posten“ anschließen. Zur Ablieferung sozialverträglicher Sprüche war der vormalige Naturdichter nicht mehr bereit. Bis dahin hatte er Gedichte noch als „trigonometrische Punkte“ definiert, als „Bojen, die in einer unbekannten Fläche den Kurs markieren“. In den knappen Gedichten des Zu den Akten-Bandes übt er fast nur noch Verweigerungsgesten und Versteckspiele.
Der Stundenplan („Timetable“) des Dichters verzeichnet keine weltverbessernden Ziele oder gesellschaftlich relevanten Aufgaben mehr. Die ökonomisch wichtigen Dinge werden an die Dickhäuter delegiert, die hier – wie in Eugene Ionescos Drama „Die Nashörner“ als das Wappentier der Mitläufer erscheinen. An den großen Worten der „Wahrheit“ ist der Verweigerer Eich nicht interessiert; was bleibt, ist die Banalität der Nahrungsaufnahme. Ein Sandwich genügt als Antwort auf die alte (Lebens)Sinnfrage.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2008, Verlag Das Wunderhorn, 2007

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