SABINE TECHEL
Kriegslied
Das ist der Krieg
mit Hand und Fuß mit
Kopf und Bauch und ganz
er selbst tritt ein
und zählen vorher und nachher wird
müßig gewesen sein ein
Krieg mit Herz und Hand geführt
durchs ganze Land
Das wird ein Krieg
du Liebchen mein die
Trommel schlag
in Plastik ein (für hinterher)
wenn gar nichts mehr
sich muckst und rührt
1986
aus: Sabine Techel: Es kündigt sich an. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1986
Die weiche Melodie eines Kinderlieds und der lakonische Gestus einer Kriegs-Chronik werden hier ineinander geflochten – kann das gut gehen? In ihrem ersten Gedichtband Es kündigt sich an (1986), in dem das „Kriegslied“ enthalten ist, hatte Sabine Techel (geb. 1953) sehr unterschiedliche Sprechweisen und Schreibverfahren durchprobiert. Meist bevorzugte sie assoziativ zerklüftete, offene Formen und löste die klassischen Muster auf. Das „Kriegslied“ bildete in diesem Band die spannungsreiche Ausnahme.
In Tonfall und Bildlichkeit ist das ein raffiniertes Gedicht der Gegensätze. Zwar wird die alte Volksliedstrophe mit dem vertrauten Kreuzreim aufgelöst und ersetzt durch versteckte Binnenreime. Aber die klanglichen Suggestionen der traditionellen Liedform bleiben erhalten – und die scheinbar beschwichtigende Anrufung des „Liebchens“, das die Trommel schlagen soll, erweist sich als bittere Desillusionierung. Die beiden Schlusszeilen ziehen dann lakonisch die Bilanz der kriegerischen Verheerungen.
Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2009, Verlag Das Wunderhorn, 2008
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