Thomas Böhmes Gedicht „DAS KONFETTI DER KIRSCHBÄUME bringt eine…“

THOMAS BÖHME

DAS KONFETTI DER KIRSCHBÄUME bringt eine
gewisse Heiterkeit in die Gärten. Auch ohne
Pappnase gibt man sich gut gelaunt,
wenn es klingelt. Es ist immer der Falsche.
Jetzt stört es einen schon weniger,
daß die Flaschen statt mit Wein
nur mit Zweigen gefüllt sind. Was tut man
nicht alles, um den Frühling für einen Moment
zu verlängern. Frische Farbe durchwabert
das Haus, und die Kameras, die den Eingang
belauern, ducken sich wie kleine Vögel
in den bestürzenden Flieder.

nach 2000

aus: Thomas Böhme: Nachklang des Feuers. Druckhaus Galrev, Berlin 2005

 

Konnotation

Somnambules Schreiben, Automatismus sollte man nicht verachten. Man kann viel von den Surrealisten lernen.“ Das ist eines von vielen poetologischen Glaubensbekenntnissen des traditionsbesessenen Leipziger Lyrikers und Erzählers Thomas Böhme (geb. 1955), der seine Gedichte in einem weiten Feld intertextueller Bezüge ansiedelt. Von den amerikanischen Beat-Autoren hat Böhme ebenso gelernt wie vom strengen Klassizismus Stefan Georges. Sein nach 2000 entstandenes Frühlingsgedicht orientiert sich eher an einem bildstarken Sensualismus, der mit spielerischer Leichtigkeit Naturszenen mit ironischen Kommentaren verbindet.
Hier hat der Autor seinem lyrischen Subjekt eine lebenshungrige Heiterkeit verordnet, die mit den Aufbruchszeichen des Frühlings korrespondieren soll. Weil aber die Natur nicht den gewünschten Enthusiasmus liefert, wird mit Stimuli aller Art nachgeholfen. So verwandelt sich die idyllische Kirschbaum-Szene denn auch bald in eine künstlich generierte Landschaft, in der sich auch die technischen Medien ins harmonische Bild zu fügen haben.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2010, Verlag Das Wunderhorn, 2009

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