Maria Topali (Hrsg.): Dichtung mit Biss

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Maria Topali (Hrsg.): Dichtung mit Biss

Topali (Hrsg.)-Dichtung mit Biss

HOMER

Am Leben hielt ihn die Sehkraft seiner Seele.
Die Kriege gingen teils gut teils vor die Wand
und er sprach im Verborgenen wie die Pythia
allerdings ohne Tabaksblätter im Mund.

Die Finger, blutig geschlagen an den Saiten
und seine Stimme, rasend, urnengleich
waren die Orden die mit offener Hand
der Kunst Bedachtsamkeit an ihn verlieh.

Die Orden ihm geschuldet von der Zukunft
zerhackte das Vergessen, Amme der Leblosigkeit.
Doch seine eigene Zukunft eine megatonnenstarke Bombe
Mischung chronischer Verben, ausstehender Taten

ein Mechanismus dazu bestimmt zu explodieren
unter den Händen zukünftiger Dichter
troischer, gerade wie das Hölzerne Pferd und Helena
solcher, die nur im Traum gelesen werden
fiktiv sind von Geburt, so wie auch er.

Haris Psarras

 

 

 

Dichtung mit Biss

Zu klären wäre – nicht in Form endgültiger Schlussfolgerungen, sondern indem man sich mit einer naheliegenden Frage auseinandersetzt – ob die griechischsprachige lyrische Produktion der letzten zwanzig Jahre, angefangen mit jenen Dichtern und Dichterinnen, die gegen Ende des vergangenen Jahrtausends debütierten, etwas zur Kunst (der Dichtung) beizutragen, ob sie etwas hinein zur Kunst zu tragen scheint, wie es in dem bekannten Gedicht von Konstantinos Kavafis heißt. Führen die solchermaßen schematisch als „neue“ definierten Dichter wohl einen Dialog mit Vergangenheit und Zukunft von Dichtung und Sprache? Vermitteln sie wirkungsvoll die Gegenwart? Adressieren sie angemessen die Zukunft? Gibt es stichhaltige Indizien dafür, dass sie in gewisser Weise eine „Strömung“ bilden? Führen sie etwas Älteres fort oder beginnen sie gleichsam neu, im Anschluss an einen Bruch? Verbreiten sie neue Ideen? Experimentieren sie? Geben etwas auf? Revoltieren?
Vergegenwärtigt man sich die Bedingungen des Schreibens, Publizierens und Debattierens am Ende des letzten Jahrtausends, muss ehrlicherweise eingeräumt werden, dass die Laterne der Dichtung – die Rede ist hier immer von Griechenland – zu verlöschen drohte. Es ist diese Empfindung eines Endes, dieser vermutete Bruch oder Schnitt, der zu der Entscheidung geführt hat, den genannten Zeitraum zum Ausgangspunkt der vorliegenden Anthologie zu bestimmen, und natürlich nicht die Annahme, dass das emblematische Datum eines „Milleniums“ irgendwie von Bedeutung sei. Heute, zwanzig Jahre später, erscheint diese verbreitete Empfindung eines Endes – es sei auch der Mut aufgebracht hinzuzufügen: und einer Niederlage – als ferne Vergangenheit. Unabhängig davon, wie man sie beurteilt, sind die Lyriker und Lyrikerinnen der neuen Epoche präsent, mit einer Stimme, die lauter wird, und einem unverkennbaren Platz in der öffentlichen Sphäre. Sind sie durch irgendeinen Faden miteinander verknüpft? Es ist zu früh, um dazu sichere Aussagen treffen zu können. Aber man müsste völlig blind sein, um nicht das Offensichtliche zur Kenntnis zu nehmen: dass sie ein Beharren, Insistieren, ein Trotz, eine Hartnäckigkeit, ein gewisser Biss verbindet. Dimitris Allos, einer der ältesten in der Anthologie berücksichtigten Dichter, spricht von der „ringgeflochtene[n] Insistenz der Wirklichkeit“ und der „Insistenz des Schreibens“. Es geschieht nicht nur an diesem Punkt, aber ganz gewiss auch hier, dass der allgemeine Eindruck, der sich bei mir einstellt, wenn ich die Gedichte und Dichter der letzten zwanzig Jahre durchgehe, und seine Worte zusammentreffen. So spielt Dimitris Angelis, ein ganz anderer Dichter als Allos, mit seinem eigenen Trotz oder Beharren:

Und selbst ob es dich gibt ist heute eine Frage.
Und leerer Trotz ist
das abendliche Tragana

In jedem Fall traten hier und da in immer dichterer Folge Lyriker und Lyrikerinnen auf, die bereit waren, sich einer Sache anzunehmen, die mehr oder weniger ausgereizt zu sein schien. Und ihre Kontur zeichnete sich deutlich vor dem Ausbruch der griechischen Schuldenkrise ab. Aus diesem Grund ist es auch schwer, Ansätzen zur Wahrnehmung dieses komplexen Phänomens ausschließlich durch die doch billige, öffentlichkeitswirksame Brille, die die Krise in den letzten Jahren der Betrachtung Griechenlands aus dem Ausland aufsetzt, nicht kritisch gegenüberzustehen.
„Du musst sehr hart werden um das Fließen zu umfassen / Um eine so zartgrüne Zukunft zu sichern“ schreibt Katerina Iliopoulou schon 2008 in ihrem Lyrikband Ασνλο [Asyl], und zwar in dem Bemühen, der kreativen Frau eine Stimme zu geben. Die Dichter und Dichterinnen dieser Zeit haben also ein Gefühl für die schöne neue Welt, die heraufzieht, sowie für die Herausforderung, die diese für ihre Feder darstellt. „Wir machen unsere ersten Schritte / in der Heimat Sprache“ schreibt auch Marigo Alexopoulou, in dem Band Προ φαρμακείαϛ εποχή [Epoche vor der Vergütung] von 2012. Unabhängig davon, wie sich die Dinge entwickeln werden – es ist noch zu früh für abschließende Schlussfolgerungen – sind die Befürchtungen und Ansätze also jedenfalls unverkennbar. Und es bleibt eine große, im Rahmen dieser Einleitung nicht zu beantwortende Frage, in welchem Maß seitens der Kritik auf diese deutlich artikulierten Tendenzen der neuen Lyrik reagiert wurde. Letztere steht der Möglichkeit des tatsächlich Neuen wohl eher verlegen gegenüber. „Wir haben Dichtung, Dichter nicht nötig / Fast alles wurde doch schon geschrieben / Was sollen wir mit euch / Verblendeten?“ fragt sich überdies Stathis Kephalouros und gibt damit einer verbreiteten Haltung und Tendenz Ausdruck, die seit Jahrzehnten das Gefühl der Vergeblichkeit und die bescheidenen Ziele, die dieses wie selbstverständlich begleiten, legalisiert. Prosagedichte wie jene des Zyklus Πλενρικá [Aus der Seite] von Mary Kligatsi gehören zwar jener Kategorie der zeitgenössischen Literatur an, die mit Nachdruck Fragen anstößt, im konkreten Fall die Frage nach der Art von Weiblichkeit und weiblicher Kreativität, betreiben dabei jedoch auf Rechnung der Dichtung nicht mehr als eine – in unserer Epoche äußert gemäßigte – konstitutionelle (?) Forderung. Etliche Lyriker und Lyrikerinnen dieser Zeit und dieser Anthologie begnügen sich mehr oder weniger mit dem Streben nach einer Rolle, anstelle der Setzung eines Werks – ein natürlich auch in anderen Epochen keineswegs ungewöhnliches Phänomen. Von Interesse ist hier, dass sie und jene anderen, also diejenigen Autoren, welche ernsthaft versuchen, einen Dialog mit Strömungen und Traditionen zu führen und sich mit ihnen zu messen, gemeinsame Merkmale hinsichtlich des Stils, des Grundtons und der Thematik aufweisen. Sie teilen ein gemeinsames Klima, ein gemeinsames Bemühen, eine gemeinsame Kultur. Weiter unten findet sich ein Überblick über Aktivitäten, die nach und nach realisiert wurden und von den neuen Lyrikern und Lyrikerinnen mit immer reiferen Ansprüchen realisiert werden, sei es durch Gruppen, durch Zeitschriften, blogs und die Ausweitung öffentlicher Lesungen und Performances. Der lebendige öffentliche Raum und das öffentliche Wort, am Beginn dieses Zeitraums als beinahe leer und ratlos ausgewiesen, ist dabei, sich Schritt für Schritt selbst zu erschaffen. 

Auf der Suche nach einem gemeinsamen Code
In den über einhundert Gedichten der vorliegenden Anthologie, geschrieben von mehr als fünfzig, im dritten bis sechsten Jahrzehnt ihres Lebens stehenden Dichtern, die erstmals um 2000 publizierten, gibt es, glaube ich, deutliche Anzeichen, die auf das verweisen, was ein gutwilliger Leser leicht als „gemeinsame Sprache“ oder besser „gemeinsamen Code“ erkennen würde. Wie ist dieser Code aufgebaut? Es sei mit der Negation begonnen (was immer einfacher ist). Die lyrischen Konzepte und insbesondere die Formensprache der Lyriker und Lyrikerinnen, die Aufnahme in die Anthologie fanden, variieren ganz erheblich. Es gibt Gedichte, die sich auf Bilder stützen, und andere, die einen Gedankengang entfalten. Es begegnen strenge Reime, der freie Vers und Mischformen. Es kommen Metren vor, die sich markant bemerkbar machen, und absoluter Prosastil. Das optische Gedicht fehlt nicht, aber auch nicht Dichtungen in Prosa. Es gibt intensive Bezugnahmen auf andere Dichter, ältere und neuere, Griechen und Nichtgriechen, aber auch deren völlige Ignorierung. Die sogenannte Intertextualität, der Dialog der Texte, ist manchmal offensichtlich und konstitutionell für das konkrete Gedicht, und manchmal gewinnt man den Eindruck, dass Dichter und Dichterinnen in der schweigsamen Wüste eines Blattes weißen Papiers geboren wurden. Empfindsamkeit ist vertreten und Rationalität, das Warme und das Kühle, das Existentielle und das Erdachte. Die Vielfalt in Konzeption und Form schließt also die Möglichkeit aus, dass die hier berücksichtigten Lyriker und Lyrikerinnen eine Strömung auf der Grundlage solcher Elemente bilden. In diesem Sinn scheint sich der Begriff des Postmodernen anzubieten, der einschließt, dass all jene und noch weitere Eigenschaften koexistieren und sich umstandslos miteinander verbinden.
Die postmoderne „Großzügigkeit“ selbst also ist ein erstes charakteristisches Merkmal der Dichter und Dichterinnen dieser Zeit. Man mag sagen, dass dieses schon gut aus der Moderne bekannt sei. Man mag außerdem sagen, dass bemerkenswerte Dichter und Dichterinnen der letzten Jahre vor dem Jahrtausendwechsel – als Beispiele nenne ich nur Dimitra Christodoulou, Dionysis Kapsalis, Ilias Lagios, Haris Vlavianos und vor allem Evgenios Aranitsis – bereits die meisten der genannten Merkmale repräsentierten und darauf beharrten, genau damals zu schreiben und zu publizieren, als die Dinge für die Sache der Lyrik viel unheilvoller zu stehen schienen. Was also unterscheidet die Lyriker und Lyrikerinnen des neuen Jahrtausends von den etwas jüngeren bzw. den ihnen unmittelbar vorhergehenden?
Es ist unmöglich, an diesem Punkt nicht auf die Zeitschrift Ποίηση [Dichtung], später Ποιητική [Poetik] von Haris Vlavianos einzugehen. Insbesondere erstere, die 1993 gegründet wurde und es auf eine Lebensdauer von 15 Jahren brachte, denen 30 im Sechs-Monats-Rhythmus erschienene Hefte entsprechen, dann aber auch die Ποιητική [Poetik], die bereits 20 im Verlauf eines Jahrzehnts publizierte Hefte zählt, vereinte unter ihrem Dach viele, wenn nicht die meisten der in dieser Anthologie vertretenen Dichter, Lyrik-Übersetzer, Essayisten und Kritiker, und zwar bei ihren ersten Schritten. In intensivem Dialog mit den internationalen Entwicklungen, aber auch mit Philosophie, Geschichtswissenschaft und Literaturtheorie bewegten sich Ποίηση [Dichtung] und später Ποιητική [Poetik] im Zeitraum vor der Jahrtausendwende und etwas danach ganz und gar gegen den lyrikfeindlichen Strom der Epoche, aber auch gegen die bis dahin gültigen, in der Regel allein auf Griechenland bezogenen literarischen Gewohnheiten. Die Schuld, in der die neue Lyrik bei diesen beiden Periodika steht, ist unübersehbar.
Bevor ich zu bestimmten eher sekundären und partiellen Merkmalen übergehe, sei gesagt, dass das, was die „neuen“ Lyriker der Anthologie von ihren unmittelbaren Vorgängern unterscheidet, die Erkenntnis des Bruchs, der Diskontinuität ist – und der Entschluss, dennoch weiter zu machen. Es handelt sich dabei um eine recht verbreitete Haltung von Dichtern, die, wie gesagt, ansonsten ziemlich unterschiedlich und heterogen sind. Ich würde sagen, dass sie, bei allen Abweichungen untereinander, einen gemeinsamen Referenzrahmen teilen. Ich habe mich bemüht, diesen auch mit Hilfe der folgenden Tags darzustellen. 

Tags
„Finsternis weht wo ich gestern / voll Hoffnung deine Worte pflanzte“ lauten die Verse von Dimitris Angelis, mit denen, natürlich zufällig, die vorliegende Anthologie beginnen würde, richtete sich die Anordnung der Dichter und Dichterinnen nicht nach dem deutschen, sondern dem griechischen Alphabet. Folgte man dann der Namenskette, sähe man den Zufall eine Klammer schaffen, die leicht Sinn ergibt, da die letzten Verse wiederum, jene, die am Ende der Anthologie stünden, nun von Haris Psarras, diese Feststellung brächten:

Die hochgestochenen Pläne blühen par excellence
auf Trümmern

Irgendwo in der Mitte, versucht Dimitra Kotoula, die Lyra wieder zu stimmen. Ihr eigener Drahtseilakt, der, nicht unbedingt in dramatischer Weise, sondern, im Gegenteil, häufig spielerisch und mit Humor, den bebenden Stab der Lyrik und der griechischen Sprache an ein nächstes Ufer befördert, definiert in hohem Grad die neue Dichtung. Kotoula realisiert, dass sie, die stürmisch, mit weit über die Landesgrenzen hinaus gerichtetem Blick und der Gewissheit, leicht übersetzbar zu sein, begann, sich nun, auf halber Wegstrecke (auf der Wanderung zur Reife), mit der Übernahme einer anderen Verantwortung gegenüber der Tradition konfrontiert sieht. „Wenn du den Fokus nicht zurück richtest ins Licht / wirst du immer über Schatten vor dir fallen“ schreibt sie, um am Ende festzuhalten: „Du hast die Lyra nicht mehr gestimmt, die du zu spielen lerntest“, wie es in ihrem Band η επίμονη αφήγηση [die beharrliche erzählung] von 2017 heißt. Es sei hier hervorgehoben, dass die Entdramatisierung, die spielerische Grundhaltung, der Humor wiedererkennbare Merkmale der neuen Lyrik sind, was selbst für jene Dichter gilt, deren ureigentliche Wesensart eher in die Gegenrichtung tendieren würde. Unsere Epoche verabscheut das Pathos, und die Lyrikerinnen und Lyriker halten es ebenso.
Wenn Phoebe Giannisi Gedichte über Liebe oder Mutterschaft schreibt, dann in Kenntnis der feministischen Bewegung der Vergangenheit, aber auch dessen, dass das Projekt in ihrer, in unserer Epoche ins Stolpern geriet und, zumindest gelegentlich, an gewisse Grenzen stieß. Der Eindruck einer unbestimmten, aber unverkennbaren Niederlage ist weit verbreitet. Die neue Lyrik lässt diese Atmosphäre mit Entschlossenheit, aber ohne Enthusiasmus hinter sich. Wenn eine Lyrikerin wie Katerina Iliopoulou die geschlechtsspezifische, weibliche Dimension des lyrischen Subjekts thematisiert, erinnert sie sich dabei nun gut daran, mit wie viel Verschwiegenwerden und Tod der Weg der weiblichen Lyrik bis in unsere Tage gepflastert ist. Wenn Kiriakos Sifiltzoglou, Panayotis Ioannidis, Thodoris Rakopoulos oder Eno Agolli Geographie und Literatur als globales Kartenspiel betrachten, das sie – entweder vor dem Bildschirm ihres Computers, oder aber im Kafeneion ihres Dorfs – mit der größten Selbstverständlichkeit neu mischen, dann liegt jene Epoche, in welcher der örtliche Dichter im Bewusstsein seiner Gelehrtheit (und zugleich seinen Anspruch auf sie verfechtend) einen gezielten Dialog mit diesem seinem ausländischen Kollegen eröffnete, schon lange Zeit zurück. Selbst Dimitra Kotoula oder Orfeas Apergis, die sich mit größerer Dauer und Tiefe mit der Vergangenheit und den älteren Dichtern zu messen suchen, wissen gut, dass sie auf jeden Fall (auch) Kinder des Liedermachers Dionysis Savvopoulos sind. Ebenso wissen sie aber, dass ihre „ausländischen“ Gesprächspartner zahlreich und weit versprengt sind. Das globale Dorf der Lyrik interessiert sich immer weniger für absolute Autoritäten und starre Hierarchisierungen. In dieser neuen Dichtung liegt also eine erkennbare politisch-kulturelle Qualität, die einerseits von den Subjekten ausgeht und andererseits in Wechselwirkung mit der Wahl der Themen und stilistischen Ansätze tritt. Es ist, wie gesagt, noch zu früh, um Schlussfolgerungen zu ziehen. Vorläufig ist es interessant und entscheidend, Fragen zu stellen.
Die allgemeine Tendenz, in die sich die neuen, in dieser Anthologie vertretenen Lyrikerinnen und Lyriker unserer Annahme nach einschreiben, lässt sich vergleichsweise gut nach Stil, Tonfall und Thematik umreißen. Stil und Tonfall sind – und sei es unterschwellig – stets trotzig, insistent, entschieden, sarkastisch, konfrontativ. Hinsichtlich der Themen, die die neue Lyrik berührt, mag sich die Technik der digitalen Dateien mit den Tags (und/oder „Schlüsselworten“) als nützlich erweisen. In jedem Fall – und auch, weil diese Anthologie ursprünglich als elektronische Plattform konzipiert wurde –, ist es hilfreich, wenn der Leser bestimmte Tags kennt, die während der Zusammenstellung des Materials zum Tragen kamen. Als Tags zur ersten Kategorisierung der Thematiken, mit denen sich die neue Lyrik beschäftigt, könnten nun folgende betrachtet werden:
Geographie * Migration (studentische/wirtschaftliche/aus und nach Griechenland) * Provinz/Stadt. * Liebe * homoerotische Liebe * Beziehungen in der Familie * Mutter * Mutterschaft * Vater * Sohn/Mutter * Tradition * Globalisierung * Internet * Kunst * Technologie * Lyrik * Identität * Religion * Philosophie * Heimat * Griechenland * Macht * Holocaust * Humor * Trauer * Reise * Terrorismus * Aufstand * Griechenlandkrise
Ein großer Teil der Lyriker und Lyrikerinnen der vorliegenden Anthologie zeichnet sich durch ein hartnäckiges Festhalten an der Auseinandersetzung mit diesen Fragen aus. Man könnte auch noch weitere Tags hinzufügen; in jedem Fall erfolgte die Auswahl für die Anthologie aber unter Berücksichtigung der oben genannten. Es wäre verfehlt, von der Historizität eines so vorläufigen und im Fluss befindlichen Materials zu sprechen, das darüber hinaus aus einem so engen und unmittelbar involvierten Blickwinkel heraus zusammengestellt wurde, wie jenem der Herausgeberin. Dennoch handelt es sich um eine Anthologie, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ein griechisches literarisches Phänomen dem Publikum eines anderen Landes, nämlich Deutschlands, vorzustellen, und zwar in dem Moment, in dem dieses Phänomen in der Entwicklung begriffen ist. Die Anthologie ist, mit anderen Worten, der Sachlage nach „in Gefahr“, zugleich die Stelle eines für Dritte bestimmten Zeugnisses über das heutige Griechenland einzunehmen. Sie musste demnach auch als solches zusammengestellt werden. Diesem mehr oder weniger zwangsläufigen Ziel wollen die Tags dienen, die ein thematisches Spektrum von Fakten abdecken, mit deren Hilfe das Material ausgewählt wurde. Sagen wir, dass das endgültige Kriterium für die Aufnahme eine Kombination war. Angestrebt wurde die Auswahl von Gedichten, die auf Griechisch über das Heute sprechen (Tags), und im Griechischen auf eine neue Weise poetisch sprechen (Lyrik im Bewusstsein der poetischen-kulturellen „Diskontinuität“ auch nach ihr). Das Projekt wird – dies muss betont werden – mit einem großen Fragezeichen am Ende realisiert: zu untersuchen ist, ob und in welchem Maß, nicht zu entscheiden, dass.
Wie das „Öffentliche“ das Private bewusst und nüchtern verdrängt, in der Weise, dass natürlich ein neues „Öffentliches“ entsteht, welches letzteres enthält, wird schön von dem Dichter und Übersetzer der deutschen Expressionisten Nikos Voutyropoulos ausgedrückt Το νησι των ονείρων [Die Insel der Träume], 2014):

Ich weiß nicht, was die anderen sagen
für mich bedeutet Seele Familie
Ich weiß nicht, was die anderen sagen
für mich bedeutet Politik
gemeinsam mit Frau und Tochter zu essen.
Was bedeutet Geschichte?
Mich zu wundern
über die Märchen der anderen

Die Tatsache, dass der gedämpfte lyrische Ton der vorhergehenden Jahrzehnte, die Hinwendung zum Privaten, aber auch die deutliche Verringerung des Einflusses der Dichtung auf die öffentliche Sphäre die Dichter und Dichterinnen der neuen Periode dazu führte, ihre ersten Schritte mit einigermaßen zusammengebissenen Zähnen zu gehen, ist nur natürlich. Sie gingen sie ohne nennenswerte Selbsttäuschungen und mit gestählter innerer Kraft, ohne Kompass, aber mit der Absicht und dem umsichtigen Elan, ihn herzustellen (auch ihn), sich eine Orientierung zu schaffen, im Schreiben. Selbst bei den Dichtern, die traditionellen lyrischen Formen folgen (Koutsourelis, Doukas, arbiträrer Psarras) ist der Ton der Entzauberung spürbar, der dennoch einen Teil der Ewigkeit anstrebt und beansprucht – so als gäbe es diese, trotz allem. Eine Art des Dialogs mit einer Form der Ewigkeit aufrecht zu erhalten, ist für die Dichtung ein beständiges Lebenselement, was auch bei den Dichtern und Dichterinnen dieser Anthologie unverkennbar ist. Ungefähr hier ist also ihr „Profil“ zu verorten, aber auch ihr Unterschied gegenüber den Prosaautoren des gleichen Zeitabschnitts. Ja, in der neuen Lyrik des 21. Jahrhunderts kann man mit ziemlich großer Genauigkeit das heutige Griechenland lesen (Tags). Aber man liest dort andere Dinge als in einer gut geschriebenen Reportage, bei den Sozialwissenschaften oder, natürlich, in der guten Prosaliteratur. Die Dichtung bezieht sich direkt zurück auf die fundamentalen Fragen der Identität und der Heimat, der Sprache und des Ortes, insbesondere vermittels der Suche nach einem neuen lyrischen Idiom. Lyriker anderer, im konkreten Fall balkanischer sprachlicher Herkunft, wie der Debütant Agolli oder die erfahrene Boukova, erproben das Beharrungsvermögen des Griechischen auf einem freiem Feld, über das alle Winde mit all ihren Kräften stürmen. Dies ist überdies ein weiteres Merkmal der Lyriker der neuen Epoche: sie sind völlig exponiert, sind frei, aber ungeschützt – und sie wissen das.
Das Experimentieren, der Dialog mit anderen Künsten, aber auch anderen sprachlichen Ausdrucksformen, insbesondere jener der Wissenschaft, aber nicht nur mit dieser, sind einige weitere Merkmale der Lyrik der Periode, die hier zur Diskussion steht. Und es ist kein Zufall, dass sehr viele der Dichter und Dichterinnen, die sie vertreten, nicht nur einen Teil oder ihr gesamtes Studium im Ausland absolviert haben, sondern sich überdies intensiv der Übertragung fremdsprachlicher Lyrik ins Griechische widmen. In der neugriechischen Lyrik ist das weder neu noch unbekannt. Was vielleicht den Unterschied macht, das ist die neue Konstellation der Globalisierung, in deren Rahmen der Dialog zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ stattfindet. Bis in die 1990er Jahre hinein atmete die griechische Lyrik nach wie vor im Schatten der berühmten Generation von 1930 (mit den Nobelpreisträgern Giorgos Sepheris und Odysseas Elytis), bei allen kleinen und großen Revolutionen, zu denen es zwischenzeitlich kam. Die Lyriker der neuen Epoche sprechen mit und „benutzen“ ausländische Lyrik häufig mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie den, wie es bei Dimitris Allos heißt, Papierkorb der Sprache benutzen: nicht mehr so, wie jemand ein Buch durchblättert, sondern wie man im Internet surft.
Die kämpferische, beinahe eristische Betrachtung der Geschichte, vermittelt durch die Kunst der Lyrik (es wäre interessant, dieses Problem im Sinne einer latenten Usurpation des Gegenstands der Geschichte seitens der Lyrik zu durchdenken), wie sie bei Voutyropoulos zu beobachten war, fehlt auch nicht bei anderen Autoren. Dabei ist das Gedicht „Sei sie auch ohne Schwingen“ von Giannis Doukas hervorzuheben, aber auch folgende Verse von Dimitris Eleftherakis:

Die Geschichte ist eine Grabplatte
mit Ziffern und Namen. Und der Dichter
ein listenreicher Schatten, der in der Sonne verblasst

Hier sei anlässlich des homerischen Motivs dieses Gedichtes (Der Prozess des Odysseus) angemerkt, dass die Art und Weise, mit der die Lyrikerinnen und Lyriker der Anthologie ihren Dialog mit homerischen und allgemein mythologischen Motiven führen, gewiss auf ihre mittlerweile internationale und nicht auf irgendeine besondere griechische Identität verweist (vgl. beispielsweise die Homerika von Giannisi, die Gedichte von Korryvanti, die stark an entsprechende Arbeiten von Carol Ann Duffy erinnern, Eleftherakis u.a.). Obwohl Kavafis und Sepheris in jedem Fall ein Tor aufgestoßen haben, erlaubte es die gräkozentrische, einengende Lektüre, der ihr Werk bis in unsere Tage hauptsächlich ausgesetzt ist, bisher nicht, dass der internationale Same ihres Dialogs mit der antiken Vergangenheit, geführt im Rahmen einer weiteren, gemeinsamen Kultur – und nicht, wie man es in Griechenland als natürlich zu betrachten lernte, im Sinne irgendeiner „Gräzität“ – deutlicher sichtbar wurde. In dieser Hinsicht verhalten sich die Dinge bei der neuen Lyrik erleichternd einfach. Hingewiesen sei hier schließlich auch auf die Selbstverständlichkeit der Dialoge von Panayotis Ioannidis mit einem „Polen“ bzw. von Thodoris Rakopoulos mit Jules Verne. Das Bedürfnis nach irgendeinem Bolivar, „schön wie ein Grieche“ – wie ihn der Dichter Nikos Engonopoulos in einem Langgedicht von 1944 beschwor – ist Vergangenheit geworden: nicht durch Abriss, nicht bilderstürmerisch. Es ist einfach so gekommen, und die neue Dichtung hilft, dies mit der angemessenen Selbstverständlichkeit hinzunehmen.

Performance
Viele der neuen Lyrikerinnen und Lyriker experimentieren schon seit dem Beginn ihres literarischen Schaffens beim öffentlichen Vortrag ihrer Gedichte. Ihnen erscheint die einfache Rezitation als abgeschlossener Fall. Die im Sechs-Monats-Rhythmus erscheinende Zeitschrift Φάρμακο (φργκ) [Arznei (rnzn)], entstanden und entwickelt in dem Zeitraum, von dem hier die Rede ist, ein Kind der Dichterin Katerina Iliopoulou und des Videokünstlers Giannis Isidorou, leitet nicht nur den systematischen Dialog zwischen Lyrik und Bildenden Künsten ein. Sie geht darüber hinaus auch daran, dem Element der Innovation und des Experimentierens, das auch den öffentlichen Vortrag von Lyrik umfasst, ein Dach zu geben und es programmatisch zu fördern. Vorausgegangen waren in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende Gärungen und Versuche, die unter anderem im Café Dasein im Athener Stadtteil Exarchia einen Anlaufpunkt hatten, bei den dortigen Lyriktreffen, die der in dieser Anthologie vertretene Giorgos Hantzis organisierte. Phoebe Giannisi und Patricia Kolaiti haben ihr dauerhaftes Interesse an neuen lyrischen Verfahren auf der Bühne schon früh nicht verheimlicht. Die Veranstaltungsreihe Με τα λόγια γίνεται (μτλγ) [Mit den Worten geschieht es (mdwge)] von Panayotis Ioannidis präsentiert seit Dezember 2011 beständig öffentliche Lyriklesungen, die bestimmten Regeln folgen. Und natürlich gibt es Vasilis Amanatidis aus Thessaloniki, der schon seit seinen ersten Schritten als Lyriker auf jede Weise deutlich macht und erklärt, dass er seine Verse als untrennbar von ihrem öffentlichen, performativen Vortrag auf einer Bühne versteht. Neben all den anderen, gemischten Ansätzen, begegnet uns hier also ein Dichter-Performer reinsten Wassers, der als solcher mit dem Buch „m_otherpoem“ von 2014 einem breiteren Publikum bekannt wurde. Zur Herstellung einer Verbindung mit der Problematik der „Tags“ muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Thematik dieses Episodengedichts bzw. -buchs auf die Mutter fokussiert, im Rahmen der Familienstruktur, die ihrerseits nicht als rein private Angelegenheit, sondern als „Land“ und natürlich als Sprache aufgefasst wird. Es handelt sich um die „soziale“ Mutter, die, als gefestigtes Wissen, als Gemeinplatz, die freudianische einschließt. So wird offensichtlich, wie der Impuls des Performens, der Amanitidis, aber auch andere Dichterinnen und Dichter charakterisiert, dem Inhalt ihrer Lyrik entspricht. Sei es hier noch einmal gesagt: die Lyrikerinnen und Lyriker dieser Epoche machen – bewusst oder instinktiv – das Private zu einer öffentlichen Angelegenheit. Nicht „nur“ durch die Dichtung – jede Form von Dichtung bedeutet das Öffentlichmachen von Privatem. Die Lyrikerinnen und Lyriker der Anthologie bewegen sich dialektisch zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten, suchen dabei nach der Verallgemeinerung, ordnen sich ihr aber nicht mehr unter. Das „m_otherpoem“ legt fundamentale Komponenten der griechischen Gesellschaft bloß, zumindest im gleichen Maß wie der Film Dogtooth von Giorgos Lanthimos. Meiner Meinung nach noch stärker und tiefergehender. 

Einige Worte zur Sprache
Die Moderne, zumindest in ihrer griechischen Variante, wie auch der Surrealismus – in der Art und in dem Maß, in dem sie zum Tragen kamen – verharrten innerhalb bestimmter Grenzen, bei denen es sich realiter um keine anderen als jene der Kultur einer anderen Zeit (dieser Zeit) handelte. Die Sprache blieb gepflegt: Obszönitäten und Wortspiele wurden deutlich als solche ausgewiesen, als außergewöhnliche Umstände also, die auch einen gewissen Mut voraussetzen, in jedem Fall eine gewisse Pose. Die verhaltenen Nachfolger der großen Dichter brachen diese Regel nicht auf. Heute liegen die Dinge ganz anders. Die Lyriker und Lyrikerinnen, um die es in dieser Anthologie geht, sind Kinder einer Epoche, in der an Dilemmas dieser Art nicht einmal zu denken ist. Mittlerweile hat sich eine völlig andere sprachliche Natürlichkeit etabliert (in der „Wirklichkeit“ wie in ihrer „Dichtung“), während der hohe Anspruch zu einer diffizileren Herausforderung wird.
„Die Sprache, in der ich jetzt zu Euch rede, ist das Gedicht gemeinsam mit seinem Papierkorb“, schreibt Dimitris Allos im ersten Heft der Zeitschrift Φάρμακο [Arznei], und es ist schwer, das, worum es geht, mit größerer Zielsicherheit zu formulieren. Wenn es möglich ist, anschaulich zu sprechen: die Grenzen des griechischen Gedichts (und seiner Sprache) wurden nicht einfach erweitert, sondern zerbarsten. Die vorliegende Anthologie interessiert sich für diejenigen Lyriker und Lyrikerinnen, die dieser großen Veränderung nicht den Rücken zugewandt haben, sondern tief durchatmen und es wagen, im Bewusstsein des massiven Wechsels zu schreiben, der sich vollzogen hat. Ist es tatsächlich von Bedeutung, diesen als Katastrophe, Ende, Schnitt oder Revolution zu definieren? Für die Lyrik hat hauptsächlich Bedeutung, was sie vermag: dass sie weiterhin geschrieben wird, weiterhin existiert. Ein prägnantes entsprechendes Beispiel bringen die Gedichte Olga Papakostas aus dem Zyklus „Wie ich es sagte“, die zuerst im 19. Heft der Zeitschrift Ποιητική [Poetik] veröffentlicht wurden. Und wenn Allos in seinem bisher unpublizierten und in dieser Anthologie enthaltenen Gedicht „Fahrtroute“ das romantische Motiv des schwarzen Schiffs zugleich besingt und parodiert, so schreibt Papakosta ein Gedicht über eine Frau, die sich versehentlich auf der Toilette eingeschlossen hat. Von solcher Art ist, grob gesprochen, die Dichtung, die die vorliegende Anthologie interessiert: in Bewegung befindlich, sicher nicht unbeschwert, aber doch mit Natürlichkeit, zwischen schwarzem Schiff und WC. Unterwegs geschieht Vieles und Bemerkenswertes.

Wozu nützt sie?
Die oben festgehaltenen Gedanken zeigen auch die Richtung der Auswahlkriterien der vorliegenden Anthologie an. Gewiss blieben gute Dichter und Dichterinnen unberücksichtigt, in dem Maß, in dem es mir nicht gelang, sie als integriert in das zu sehen, was mir als das Neue heraufzuziehen scheint. Es gibt vielleicht beachtliche Lyrik, die geschrieben wird, ohne mit den laufenden Entwicklungen zu kommunizieren. Aber nicht sie interessierte mich im konkreten Fall. Im Gegenteil, ich wählte Lyriker und Gedichte aus, die sich noch in einem Anfangsstadium befinden, oder aber Dichter, die, nachdem sie einige Proben ihres Schreibens vorgelegt haben, keine weitere dynamische Entwicklung erwarten lassen. Ich entschied mich für die Autorinnen und Autoren nach dem Maß, in dem sie mir – auf die eine oder andere Weise, affirmativ oder konfrontativ – Teil dieses dynamischen Prozesses zu sein schienen, der belebt und nicht einschläfert, der sich abkämpft und wach rüttelt.
Habe ich die Diskussion über die neue Lyrik aber vielleicht dadurch, dass ich Gedichte auf Grundlage der genannten Tags auswählte, in bestimmter Weise und dabei unzulässig politisiert? Oder ließen die Dichter und Dichterinnen, indem sie das Private als das Öffentliche behandeln, das Lyrische, das ureigenste Blut in den Adern jeder Dichtung, am Rande liegen? Sind die Flüsse vielleicht versiegt? Dies wäre schade und ein wirkliches Ende (selbst Aris Velouchiotis, der berühmte, kommunistische Partisanenkapitän des Zweiten Weltkriegs und griechischen Bürgerkriegs, hatte irgendwann die vielen Kampflieder über und forderte den ebenfalls in den Widerstand gegangenen Lyriker Giorgos Kotzioulas auf, etwas über Liebe, Vögel, Blumen zu dichten). Glücklicherweise ist alles andere als das der Fall. „Deinen Lyrismus werde ich in Stücke hauen / Ich habe schräg getrunken spät / Mit senkrechten Zärtlichkeiten / Mit geschlossenen Augen / Mit kalten Küssen / Diagonal / Er wird leuchten wie erloschen / Ungelöscht im ungelöschten Kalk / Mein fanatisierte Liebe / Mein Silberding / Leuchtest als Blinder / Und keiner sieht es bei dir sagt es dir / Nur ich / Du mein schattiges unbewegtes / Verborgenes Wasser“ schreibt der ebenfalls aus Thessaloniki stammende Dimitris Leontzakos (Το μάτι και η ννχτα [Das Auge und die Nacht], 2016). Anna Griva wiederum besingt schließlich erschütternd, aber im klugen, gemäßigten Ton ihrer Epoche die Trauer, Phoebe Giannisi die Liebe; Panayotis Ioannidis komponiert eine vollkommene Elegie des Kummers („Der Kummer ist das schwierige Wort…“, aus dem Band Πολωνία [Polen) von 2016), während Alexios Mainas ein „Theorem des Seufzers“ entwirft, mit einem „Wangenkuss wie ein Schiffbruch / denn er galt der Stirn / verirrte sich aber / neben die Lippen“ (Ποιητική) [Poetik], 2016). 

Maria Topali, Vorwort

 

Die griechische Lyrik des 21. Jahrhunderts

bringt Veränderungen in Inhalt und Form. Sie ist politisch, weil sie das Private bewusst und verallgemeinernd öffentlich macht. Sie ist global, weil sie einen selbstverständlichen Dialog mit den Entwicklungen jenseits der griechischen Landesgrenzen führt und zugleich an ihrer zuweilen extremen Ortsgebundenheit festhält. Sie ist bahnbrechend, weil sie sich auf der Basis einer neuen, vom Internet geprägten Kollektivität mit der Performance verbindet. Die mehr als 50 Lyriker und Lyrikerinnen und über 100 Gedichte des vorliegenden Bandes stellen diese prägenden Eigenschaften der neuen griechischen Dichtung zur Diskussion. Hervorgetreten sind sie erstmals in der Zeit um die Jahrtausendwende, also lange vor dem Ausbruch der griechischen Krise. Teilweise haben sie diese vorweggenommen, teilweise sich im Laufe der Zeit dynamisch an ihr gemessen.

Romiosini, Klappentext, 2018

 

Beitrag zu diesem Buch:

Peter Oehler: Griechische Trotzköpfe
fixpoetry.de, 6.2.2019

 

 

Fakten und Vermutungen zur Herausgeberin

 

Maria Topali liest am 3.7.2013 im Athener Zentrum.

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