Friederike Roth: Schattige Gärten

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Friederike Roth: Schattige Gärten

Roth-Schattige Gärten

NACHLASS

Vieles weiß ich
Fernes schau ich

Brüder kämpfen
bringen Tod
Brudersöhne
brechen Sippe –
Ehebruch Rache.

Schwertzeit, Beilzeit
Windzeit, Wolfszeit.

Arg
bis sie vergeht
ist die Welt

 

 

 

Inhalt

Mit Schattige Gärten meldet sich die Lyrikerin Friederike Roth zurück – und zeigt erneut, daß ihre „Kunst“ vor allem darin besteht, mit originellen Tönen und freien Rhythmen, mit Sätzen, die, kaum sind sie gesagt, wieder aufgebrochen und neu zusammengesetzt werden, so leicht wie sicher vom Guten, Schönen und Wahren zu sprechen. Und von dessen Gegenteil, versteht sich.
Suhrkamp Verlag, Ankündigung

 

Friederike Roth: Schattige Gärten

Wie
so vorbei einfach
vorbei diese leisen
die hauchigen Töne
vorbei eine einstige
Zartheit der Gesten
wie wir so vorbei.

Ach,  wären  sie doch vorbei, die hauchigen Töne in Friederike Roths Lyrik! Aber nein: Von der Tollkirschenhochzeit, ihrem ersten Gedichtband, bis zu den Schattigen Gärten  (Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1987; 70 S., 24,– DM)  verhaucht es sich immer mehr, wohl weil die Autorin die Atemtätigkeit fast eingestellt hat:

Selten nur noch
aber dann doch
hole ich wieder tief Atem.

Und weil die Welt so schlecht ist, versteht sich:

Nicht aus der Nase zu kriegen
dieser Geruch von
Fauligem von Verdorbenem…

Hexenküche und Kräutergarten haben als romantische Accessoires poetischer Ersatzidylle nun ausgespielt; nur eines bleibt – und wenn die Welt in Scherben fällt, gerade dann –, der Blick vom Rand, Lieblingspose des Dichters in Ewigkeit:

Nun
liegt so allerhand hinter mir.
Und wieder
erzähle ich dir
doch nur von draußen
vom Rand.

Von hier aus – die neue Kurzsichtigkeit – verschwimmen die Konturen von Welt und Geschichte: „Hier ist es wie immer“, „ich sitze hier schon immer / erinnere mich / schaue voraus“, „das alte Treiben“, „man könnte ja / träumen aber / wär auch nichts Neues“. Da reicht es beim „Richtungsverlust ins Graue“ nur noch „Jahr und Tag“ zu den drei Ks „Kohlgeruch“, „Krähengeschrei“ und „Klammfeuchte“ und zur Bitte um einen „Wind, einen milden / der soll mich wegtragen / sanft aber bitte“. Ironie? Sanft aber bitte! Selbstkritik? Anmutig aufgesetzt als Alibi fürs Trübsalblasen:  Bonjour tristesse  bei schlechtem Gewissen, „Sehnsucht nach / schattigen Gärten vielleicht. / Das nämlich sagt sich so schattig, so leicht / …“ Das Warten auf den Sankt Nimmerleinstag duldet keine Lyrik „mit schrillem Schrei“:

Versuchen wir
zu fliegen auf diesem Gesang
stürzen wir ab

Chronisches Alpdrücken kennt keine Abgründe und will gepflegt sein:

Sie haben Recht.
Es sind bloß literarische Bagatellen.

Annette Brockhoff, die Zeit, 4.9.1987

 

 

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