Kerstin Preiwuß: Nach Georg Trakls Gedicht „Sommersneige“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Nach Georg Trakls Gedicht „Sommersneige“. –

 

 

 

 

GEORG TRAKL

Sommersneige

Der grüne Sommer ist so leise
Geworden, dein kristallenes Antlitz.
Am Abendweiher starben die Blumen,
Ein erschrockener Amselruf.

Vergebliche Hoffnung des Lebens. Schon rüstet
Zur Reise sich die Schwalbe im Haus
Und die Sonne versinkt am Hügel;
Schon winkt zur Sternenreise die Nacht.

Stille der Dörfer; es tönen rings
Die verlassenen Wälder. Herz,
Neige dich nun liebender
Über die ruhige Schläferin.

Der grüne Sommer ist so leise
Geworden und es läutet der Schritt
Des Fremdlings durch die silberne Nacht.
Gedächte ein blaues Wild seines Pfads,

Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre!

 

der grüne sommer ist so leise
geworden innerhalb seiner tagweite
bleibt die wärme noch bis zum abend
dann wird es kühler

der grüne sommer ist so leise geworden
und blickt kühl auf sich selbst zurück
von allen möglichkeiten bleibt nur das gefühl
wie alles mal zusammenhing

nichts wächst mehr nach wo es zu ende geht
so wie die dinge zusammenhängen
ist der grüne sommer leise geworden heute
das heißt immer 

Kerstin Preiwuß, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014

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