Şafak Sarıçiçek: Im Sandmoor ein Android

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Şafak Sarıçiçek: Im Sandmoor ein Android

Sarıçiçek-Im Sandmoor ein Android

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Ich habe viele Kreise gestohlen
und Punkte, Formen, ferne Worte
für das Ewige entliehen:
Gewinne neue Geometrie.

Ein Kartenspiel ist ausgeschlüpft
Handlanger aus geschupptem Deck
mit dem Fes auf ihren Haaren
und knöchernen Kometen in ihrer Hand.

Sie ziehen an der Zeit wie Tau.
Sie zerren am Wind und Bild
und geben dem einen finsteren Namen
mit Kometen, so knöchern in ihrer Hand.

Dann wird am Tag erschallen
von Funkmasten und am Abend
die Regel und ein Maß der Dinge, neu:
Stampfen Doppelgänger ihre Fabrikanlagen.

Ich hab die Dogenmütze gestohlen
Und Talare, Szepter, Schnauzer, alt
an diese neue REPUBLIK verliehen:
Der Nerz auf ihren Hüten ist ein technischer Schakal.

Unsere Leuchtreklame ist die allerschönste REPUBLIK.
Es deklamiert am höchsten: o Hellebarde der
CLOUDFABRIK 

 

 

 

Der Kritiker Björn Hayer

fragte in einer Rezension von Şafak Sarıçiçeks 2019 erschienenem Lyrikband Kometen, Kometen: „Wer spricht hier? Gewiss ein Poet, der sich vollmundig in die Tradition der hohen Dichterpriester wie Hölderlin, George und Rilke samt deren Hang zu prophetischem Überschwang stellt. […]. Spricht hier ein Nostalgiker? Ja, aber mit Beschwingtheit und kraftvollem Funkenschlag!“
Mit Aplomb treten auch die Gedichte auf, die Im Sandmoor ein Android versammelt. Bemerkenswert ist ein Zyklus, der die Heidelberger Sammlung Prinzhorn – ein Museum für Kunstwerke aus psychiatrischen Kliniken – reflektiert und in kraftvolle Sprachbilder übersetzt. Überhaupt geht es in Sarıçiçeks Lyrik oft um Objekte, um Exponate. Kaum ein Gedicht ohne Auftritt lebender oder fossiler Pflanzen und Tiere. Dies alles gerät jedoch nicht zum Panoptikum, sondern ist immer auf das ambivalente Zusammenspiel mit denen bezogen, die es in der Hand haben, die Erde weiterexistieren oder untergehen zu lassen. Da, wo es um das Agieren der Menschen untereinander geht, wird ein tiefer Humanismus deutlich – und ein verhaltener Optimismus, dass es Homo sapiens gelingen wird, seine selbstzerstörerischen Kräfte ins Positive zu wenden.

Quintus Verlag, Ankündigung

 

 

Sprachgewaltiger Lyrikband

Dieser in drei Bereiche aufgeteilte Gedichtband enthält moderne Lyrik mit starken surrealistischen Bezügen. Vornehmlich behandelte Themen sind die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Erde durch die Gier des Menschen, Einsamkeit und die Grenze zwischen Realität und Wahn. Während in der Sammlung „GNOSIS“ zahlreiche mythologische Bezüge vorhanden sind, bezieht sich der zweite Part auf eine Ausstellung und wirkt wie ein von freien Assoziationen begleiteter Ausflug durch ein Museum. Am Ende findet sich ein etwas bunterer Mix an Gedichten, die teils wie in „Nebel“ Alltägliches behandeln, teils an bestehende bildende Kunst angelehnt sind oder in der Anordnung der Wörter auf dem Papier einen eigenen Sinn spinnen, wie in „Exponat“ geschehen. So findet sich ein abwechslungsreiches Werk vor, das mit starken und vor allem ungewöhnlichen, oft extravaganten Bildern und einer eindeutigen Gesellschaftskritik aufhorchen lässt, dabei aber oft auch den Blick auf das Individuum mit seinen alltäglichen Nöten lenkt.

Jonathan Wilfling, amazon.de, 6.10.2021

Weitere Beiträge zu diesem Buch:

Noha Abdelrassoul: Wortmusik und Vieldeutigkeit in Şafak Sarıçiçeks „Im Sandmoor ein Android“
signaturen-magazin.de

Kerstin Fischer: Im Sandmoor ein Android. Safak Saricicek
lyrikatelierfischerhaus.com, 12.8.2021

May Mergenthaler: Von blauer Luft zu Bauluft: Lyrik zwischen Literaturgeschichte und Anthropozän
54books.de, 14.11.2022

 

Sophie Bentzien Kurzinterview: Drei Fragen an … Şafak Sarıçiçek

 

Jamal Tuschick im Gespräch mit Şafak Sarıçiçek: „Über Wortschätze und den Terminus technicus der Juristen“

Walter Pobaschnig Interview mit Şafak Sarıçiçek „… ob wir uns aus der Gemütlichkeit des Althergebrachten lösen können“

Verena Körber: Der Jurist und sein lyrisches Ich

 

Fakten und Vermutungen zum  Autor + Facebook

 

Şafak Sarıçiçek liest seine Gedichte „lichtferndiagnose“ & „lichtfischen“.

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