„ein auge vereist“ von Gino Hahnemann
aus Gino Hahnemann: Allegorie gegen die vorschnelle Mehrheit,
Druckhaus Galrev, 1991
Gerhard Wolf – Autor Herausgeber Verleger. Ein Almanach zum 70. Geburtstag.
Sprachlust und Witz, Ernsthaftigkeit und Verantwortungsgefühl zeigt die neue, erfahrungshungrige Literatur, die während der 80er Jahre in der DDR entstand. Gegen den verordneten ‚sozialistischen Realismus‘ und abseits der gerade noch zugelassenen modernen Moderne entwickelte sich eine spontane Literatur, deren Impuls radikale Neusetzung war.
Auf der Suche nach Freundschaft sprechen Text, Fotos und Collagen unumwunden von schwuler Liebe, voller Energie, spröde, direkt und assoziativ.
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Nach dem Ausschluß einer ganzen Autorengeneration aus dem offiziellen Literaturbetrieb, waren es vor allem grafisch-literarische Kleinzeitschriften, Hefteditionen und Künstlerbücher, aus denen sich 1979–1989 eine unabhängige Literatur- und Kunstszene in Dresden, Halle, Leipzig und Berlin entwickelte. Mit über dreißig Zeitschriften und in die Hunderte gehenden Künstlerbüchern setzten Autoren, Maler und Grafiker dem erstarrten Literatur- und Kunstgeschehen der achtziger Jahre eine lebendige Alternative entgegen.
Hahnemann huldigt keiner Homosexualität. Er spricht über Sorge, Sehnen, Segen des Homosexuellen. In allen Gedichten ist der Hauch der Heimatlosigkeit. Die ist nun wahrlich nicht nur das Geschick und Schicksal der/des Homosexuellen. Aber wer hat dafür, das erforderliche feine Gespür und wer dann die Fähigkeit, es zu formulieren wie Gino Hahnemann in seinen Gedichten? Für sich. Für andere. Immer wartend auf Wunder.
Der Band versammelt Gedichte und Stücke einer rhythmisierten Prosa, die unübersehbar in die Tradition der klassischen Moderne gestellt wurden, also mit jener Unbestimmtheit arbeiten, die Wolfgang Iser vor vielen Jahren als Funktionsmerkmal modernder Dichtung bestimmte.