Nico Bleutge: Nach Georg Trakls Gedicht „Nimm blauer Abend eines Schläfe, leise ein Schlummerndes…“

Mashup von Juliane Duda zu der Beitragsserie „Im Kern“

Im Kern

– Nach Georg Trakls Gedicht „Nimm blauer Abend eines Schläfe, leise ein Schlummerndes…“. –

 

 

 

 

GEORG TRAKL

Nimm blauer Abend eines Schläfe, leise ein Schlummerndes
Unter herbstlichen Bäumen, unter goldener Wolke.
Anschaut der Wald; als wohnte der Knabe ein blaues Wild
In der kristallnen Woge des kühlen Quells
So leise schlägt sein Herz in hyazinthener Dämmerung,
Trauert der Schatten der Schwester, ihr purpurnes Haar;
Dieses flackert im Nachtwind. Versunkene Pfade
Nachtwandelt jener und es träumt sein roter Mund
Unter verwesenden Bäumen; schweigend umfängt
Des Weihers Kühle den Schläfer, gleitet
Der verfallene Mond über seine schwärzlichen Augen.
Sterne versinkend im braunen Eichengeäst.

 

 

langsam öffnet sich der nächtliche schacht
als wären haare etwas wie jodwasser
und diese augen selbst ein stück märzhimmel
nach einer schütte regen im nasskühlen
licht. jahre wie kleine grüne äpfel
und die keimlinge des gefühls, die sich einkapseln
hundert kamele, hundert mal weißer schlaf
was mich anschaut, kann ich nicht weiter
sagen. antiqua, die schmalen hufe elektrisch
das ohr folgt noch lange den pfaden
unter die fontanelle, bis in die nischen
feinlamellierter zeit. striemen, drei bis vier
abzüge, mit winzigen fältchen durch-
stochen die mundwinkel, vom sengen zerglüht
als würden die kargen stadtlüfte erblühen
im duft gestreckter blumen, fleischiger schuppen
wo ich mir selbst gehören darf. nacht ist und stille
wenn du aufhörst dich zu erinnern. schwer
sanken die worte in die schneeluft ein.

nach Reinhard Jirgl

Nico Bleutge, aus Mirko Bonné und Tom Schulz (Hrsg.): TRAKL und wir. Fünfzig Blicke in einen Opal, Stiftung Lyrik Kabinett, 2014

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