Miron Białoszewski: M’ironien

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Miron Białoszewski: M’ironien

Białoszewski-M’ironien

NICHT VON DER ERDE WEGWACHSEN

Abends
komme ich heim
durch das steife,
das durchsichtige
abends
komme ich heim
durch das Fernrohr,
ich verdächtige mich,
ein künstliches kaltes Kind
der Sterne zu sein,
mir knirschen
die gläsernen Atemröhrchen
von der Verbindung mit
aaaaaaden Ur-Welten
– mich, erschaffen,
umgeschaffen,
verberge
vor fremden Müttern
du meine Mutter von den Füßen,
mein Stern.

 

 

 

Miron Białoszewski (1922–1983)

war knapp 34 Jahre alt, als seine erster Gedichtband 1956 erschien. Wie aus dem Nichts tauchte ein reifer origineller Dichter auf, der überraschend neue Themen aus der Alltagswelt in die Poesie einbrachte.
Doch woher kam er? Schon in den frühen vierziger Jahren schrieb er Gedichte, die allerdings fast alle unpubliziert blieben. Für die Außenwelt hatte er also keine Vergangenheit. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Sortierer bei der Post und später als Journalist. Als diese letzte Arbeit ihm aufgrund eines homosexuellen Verhältnisses gekündigt wurde, folgten Jahre bitterer Armut.
Unter der künstlerisch veranlagten Warschauer Intelligenz erwarb er sich einige Bekanntheit, nachdem er 1955 mit Freunden angefangen hatte, in einer Privatwohnung eigene experimentelle Theaterstücke aufzuführen. Bald wurde er zum bekanntesten Darsteller dieses Theaters. Die privaten Theateraktivitäten wurden vom Geheimdienst zwar toleriert, aber ständig beobachtet. Gerade als er begann, sich eines gewissen Ruhmes zu erfreuen, wurde ihm schwere Schwindsucht diagnostiziert, und er musste sich längere Zeit in einem Sanatorium außerhalb Warschaus aufhalten.
1959, 1961 und 1965 erschienen weitere Gedichtbände. Gegen Ende der 50er Jahre häuften sich die Sprachexperimente. Man nannte dies damals „linguistische Poesie“, deren wichtigster Vertreter Białoszewski war. In der ersten Hälfte der 60er Jahre entwickelte er eine Art von Prosagedichten, die ungefähr ein Jahrzehnt später in Prosa mündeten – den Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand (1970) sowie den meist kurzen Geschichten aus seiner privaten Umgebung.
Białoszewskis Umzug von 1975 aus der Warschauer Stadtmitte in einen Wohnblock eines neuen Stadtviertels auf der anderen Seite der Weichsel gab seinem Schaffen einen neuen Impuls. Neben Prosa schrieb er wieder an Gedichten, die meistens von der Veränderung seiner Lage inspiriert waren.
Ein gesundes Leben war Białoszewski nicht wichtig. Den 24-Stundenzyklus ersetzte er durch Zyklen von mindestens 50 Stunden. Lange Schreibsitzungen wechselten sich mit langen, oft nächtlichen Spaziergängen und langen Schlafperioden ab. Um unwillkommene Besuche zu vermeiden, empfing er an Dienstagabenden Besuche von einem Kreis getreuer Freunde und Bekannter. Über seinen ersten Herzinfarkt und die nachfolgende Rekonvaleszenz schrieb er 1977 ein Buch. Etwas später folgte ein zweiter. Der dritte Herzinfarkt war tödlich, als er noch keine 61 Jahre alt war. Seitdem ist seine Popularität in Polen stetig gewachsen.
Diese werkchronologische Auswahl aus Bialoszewskis Werk enthält vor allem Gedichte, daneben ein paar Prosastücke sowie zwei poetologische Texte, die sich im Besonderen auf seine Experimente mit der poetischen Sprache beziehen. 

Henk Proeme,1 Vorwort

 

Miron Białoszewskis (1922–1983)

erster Gedichtband von 1956 wurde sofort als literarisches Ereignis angesehen. Wie aus dem Nichts tauchte ein reifer, origineller Dichter auf, der überraschend neue Themen aus der Alltagswelt in die Poesie einbrachte. Ende der 50er Jahre häuften sich die Sprachexperimente einer „linguistische Poesie“, deren wichtigster Vertreter Białoszewski war. In den 60er Jahre entwickelte er eine in Vers gesetzte Prosa, die in die „Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand“ (1970) mündete. Die Auswahl aus Białoszewskis Werk enthält vor allem Gedichte, daneben ein paar Prosastücke sowie zwei poetologische Texte, die sich auf die Experimente mit der poetischen Sprache beziehen.

roughbook, Ankündigung

 

Beiträge zu diesem Buch:

Jan Kuhlbrodt: Das ist keine Rezension oder Lyrik als Lebenshilfe
signaturen-magazin.de

Dagmara Kraus: Junivers
lcb.de, Juni 2021

Marie Luise Knott: Miron Białoszewski M’ironienong
lyrik-empfehlungen.de, 2022

Reinhard Palmer: Neugelesen – Folge 44: „M’ironien“ von Miron Białoszewski
dasgedichtblog.de, 16.9.2022

 

 

 

Fakten und Vermutungen zur Übersetzerin und Porträt 12
Autorenporträts
shi 詩 yan 言 kou 口

 

Dagmara Kraus liest ihr Gedicht „dagmärchen vom aal“.

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + IMDb + Internet Archive +
Kalliope
Porträtgalerie: Keystone-SDA

 

Miron Białoszewskis Karuzela z Madonnami (frag.): gesungen von Ewa Demarczyk.

1 Antwort : Miron Białoszewski: M’ironien”

  1. DALL·E mini sagt:

    DALL·E mini verbildlicht Miron Białoszewski Gedicht „Nicht von der Erde wegwachsen“

    null

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

0:00
0:00