Gottfried Benn: Gedichte in der Fassung der Erstdrucke

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Gottfried Benn: Gedichte in der Fassung der Erstdrucke

Benn-Gedichte in der Fassung der Erstdrucke

NUR ZWEI DINGE

Durch soviel Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
– ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.

 

 

 

Zur Lyrik Gottfried Benns

I
Der poetische Standpunkt ist ebenso schmal wie unerschütterlich: die westliche Zivilisation ist wertlos, seit sie der materiellen Steuerung verfallen ist, seit sie verlassen ist von Idealität und Transzendenz. Die Geschichte ist bankrott. Die empirische Wirklichkeit ist ohne sinngebende Instanz, nackte Tatsächlichkeit, ohne Mythos, ohne geistige Substanz. Nur die Kunst hat jene Positionen gerettet, die in einem fundamentalen Sinne als ideal zu begreifen sind. Alles übrige ist nur noch mittels negativer Kategorialität zu fassen. Im Sinne der Alltagssprache: das kann ich nicht fassen. Das Leben nämlich in seinen Verzerrungen, Entstellungen, in seiner Sinnleere. Diese Haltung wird gerade hinter den frühen Gedichten sichtbar. Aber sie zeigt sich als idealistische Position, als „Fanatismus zur Tranzendenz“, im gesamten Werk von Gottfried Benn. Es ist die „Unbeirrbarkeit, jeden Materialismus historischer oder psychologischer Art als unzulänglich für die Erfassung und Darstellung des Lebens abzulehnen“.
Niemand ist genötigt, den poetischen Standpunkt eines Dichters zu übernehmen. Sei dieser idealistischer oder materialistischer Art. Immer kommt die Existenz des Lesers mit ins Spiel, sein Geschichtsbewußtsein und sein Ich-Bewußtsein. Zu fragen ist also hier nach Wert oder Unwert des Idealismus. Und zwar in Richtung einer komplexen Lebensgestaltung, das heißt Erhaltung und Steigerung des Lebens. Für Benn war die idealistische Komponente lebensbestimmend, und die Frage kann demnach nur lauten was sie ihm bedeutet hat, was er daraus gemacht hat, welchen Wert sie für sein Leben hatte. Sehen wir uns die Lyrik im Überblick an, so ergibt sich folgendes Bild…. Am Anfang sehen wir die harte Zurücknahme von Idealität und Sprache. Benn hatte vor der Morgue weiche, impressive Lyrik geschrieben, die er selbst nicht mehr gedruckt sehen wollte, die also auch hier nicht ausgegraben wird. Ohnehin sind die Beispiele spärlich und weitgehend verschollen. Der Anfang also mit der Morgue: der medizinische Schock, der zugleich ein soziales Schockerlebnis vermittelt („Saal der kreißenden Frauen“), die bedingungslose Skepsis hinsichtlich der traditionellen Sinnfrage („Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch“), die bittere Konstatierung menschlichen Elends, das zugleich ein physisches und metaphysisches ist, die Auflehnung gegen Verfall und Sterblichkeit, ein trotzig versagtes Mitleiden, nicht dem anderen versagt, dem sogenannten Mitmenschen, sondern sich selbst versagt als poetische Stilblüte – die als Wucherung die Literatur der Zeit durchzog. Dieser Stoß gegen poetisches Selbstmitleid richtete sich zugleich gegen schwärmerischen Leerlauf, der mit dem Anruf Gottes und der Menschheit die metaphysische Abgewracktheit zu überwölben trachtete. Dagegen Benns zynische Ablehnung von Pseudosinn:

Gott – Als Käseglocke auf die Scham gestülpt („Der Arzt“).

Dieses beherrschende Thema der frühen Lyrik ist nicht gegen die Sinnfrage im Prinzip gerichtet, wohl aber gegen „Affentranszendenzen“ („Puff“), gegen den Widerspruch von Soll und Haben im Bereich der Weltanschauung.

Ich brülle: Geist, enthülle dich!
Das Hirn verwest genauso wie der Arsch!

(„Fleisch“)

Im Grunde haben auch diese Gedichte den bohrenden Habitus des Fragens nicht verloren. Sie fragen nur an der Grenze einer unerbittlichen Radikalität und versagen sich die Antwort. Zu oft zitiert sind die Verse aus „Gesänge“ und „Untergrundbahn“:

Wir sind so schmerzliche durchseuchte Götter. –
Und dennoch denken wir des Gottes oft.

Ein armer Hirnhund. Schwer mit Gott behangen.

Man macht es sich zu leicht, wenn man die metaphysischen Rosinen aus diesem Kuchen pickt. Hier bricht eine religiöse Sinnwelt vollends zusammen, die seit der Aufklärung in die Krise geraten war. Restaurative Bemühungen in diesem Grabenkrieg werden angesichts der Unversöhnlichkeit der Fakten ihr eigenes Opfer. Die frühen Gedichte signalisieren die extremen Spannungen, die das Aggregat Seele in dem Psychiater und späteren Haut- und Geschlechtsarzt Gottfried Benn erzeugt.

Ihr sprecht von Seele – Was ist eure Seele?
Verkackt die Greisin Nacht für Nacht ihr Bett –

(„Der Arzt“)

O Seele, futsch die Apanage
Baal-Betlehem, der letzte Ship,
hau ab zur Augiasgarage,
friß Saures, hoch der Drogenflipp –
(„Innerlich 6“)

Steigerung der Seele, früher zu Gott, wird zum Sursum corda in einem kosmischen Bordell: „Orgasmen in den leeren Raum“. Schärfer als in jeder vergleichbaren Lyrik der Zeit kommt hier der Kampf zum Austrag, den Materie und Geist sich liefern. Letzterer noch getarnt, noch zurückgenommen, nur sarkastisch hinter dem Angriff spürbar. Hier spricht ein Renegat, kein Materialist, dem wäre soviel Engagement Verschwendung von Energie. Also Aufschrei von Hoffnungslosigkeit? Das ist der Jargon jener Expressionisten, mit denen Benn nichts zu tun hat. Die Aufschreier, Ankläger und Wehklager. Benn versagt sich die pathetische Gebärde, arbeitet ohne elegische Abfangvorrichtung, stellt einfach fest: so ist die Lage, kein Ausweg, illusionslos wird die Negation von Idealität konstatiert. Ein antiidealistisches Fazit? Vivisektion ist naheliegender im Falle Benns. „Glaube Liebe Hoffnung“ um den Hals entstellter Menschlichkeit gehängt („Nachtcafé“). Die kontrastiv durchleuchtete Lüge einer vom Geist verlassenen Gesellschaft.

Man hat uns belogen und betrogen
Mit Gotteskindschaft, Sinn und Zweck

(„Alaska II“)

Hier rennt jemand mit der Stirn gegen die Wirklichkeit. Will sich nicht abfinden, kann sich nach Maßgabe äußerer Bedingungen nicht abfinden. Auch später nicht. Frühzeitig tritt er den Rückzug an, verschanzt sich hinter den phylogenetischen Ufern ferner Vergangenheit. Das Thema der doppelt bedingten Regression, kulturell wie individuell, ist von Anfang an da.

Oh, dass wir unsre Ur-ur-ahnen wären.
Ein Klümpchen Schleim in einem warmen Moor.

(„Gesänge 1“)

Dem mehr verbalen Rückzug in die paläontologischen Zonen biologischer Herkunft, in die Urmeere, „thalassale Regression“. („Regressiv“), steht die ontogenetische Erfahrung zur Seite, die Sehnsucht nach Rückkehr in den pränatalen Zustand. Diese tiefenpsychologischen Heimkehrgelüste machen einen wesentlichen Teil der Libidothematik der frühen Lyrik aus. Das Thema Weib war kulturbeherrschend schon in der vorausgehenden Zeit, psychologisch wie tiefenpsychologisch, Strindberg, Ibsen, Wedekind, Schnitzler, Dehmel, in der Malerei Munch, aber insgesamt in den Künsten wird es anders durchgespielt als bei Benn der auch dieses Thema hineinzieht in den infernalischen Strudel idealistischer Demontage. Libido im Verbund mit Totentanz hat christliche Tradition, aber auch darauf greift Benn nicht zurück, er sieht das Thema erotischer Liebe unter dem Blickwinkel des Analytikers und Arztes. Die scheinbar erbarmungslose Naheinstellung des Beobachtungsfokus läßt Zärtlichkeit in Flammen aufgehen, die der Hölle eher entstammen als menschlicher Leidenschaft. Hier findet nichts zueinander, was im Liebesgedicht bis dato zueinanderfand. Trieb und Seele sind auseinander gedriftet, haben nichts mehr miteinander zu tun. Eros und Schönheit sind aus ihrer traditionellen Koppelung herausgefallen. Die Divergenz mußte dem Leser damals um so schauriger erscheinen, wenn er zurückblickte auf die trivialromantische Liebeslyrik, auf die Schlagersentimentalität, die auch das 19. Jahrhundert schon durchzog. Geibel war der Lieblingsdichter wilhelminischer Gesangvereinsmentalität, das Volkslied, das keines mehr war, rührte den falschen Nerv:

Schön ist die Jugend bei frohen Zeiten

Oder Geibels Sentimentalitäten:

Jugendzeit, du grüner Wald

Undsoweiter. Benns „Schöne Jugend“ aus der Morgue setzte hier Kontrafaktur, zerfetzte den verlogenen Gemütshaushalt des deutschen Stimmungsbürgers, räumte die Nischen aus, in die sich der Bildungsbürger salviert hatte. Falsch verstandene Lebensphilosophie hatte der Scheinversöhnung am Ende noch einmal Auftrieb gegeben. Benns Antithema räumte auch hier auf. Das Programmatische ist greifbar. Die vegetative Verschlungenheit jugendstilhafter Erotik wird aufgerissen im Spaltungsvorgang des Bewußtseins, wird unversöhnlich getrennt durch die zerebral erfahrene Antinomie von Geist und Leben. Brünstige Lust entfaltet sich jetzt ohne kulturelle Hemmung, wenn nicht Krankheit und Fäulnis dem brutalen Akt zuvorgekommen sind.
Auch hier ist der Kahlschlag funktional, wie in der gesamten frühen Lyrik, er dient der Befreiung. Das psychologische Tropenklima, die erotische Treibhausluft der vorausgehenden Zeit sind vertrieben. Inzwischen hatte Sigmund Freud seine psychoanalytischen Abhandlungen zur Sexualtheorie verfaßt. Die Aufklärung hatte wieder an Boden gewonnen. Aber was Benn damit zugute kommt, steht zugleich seinen Intentionen im Wege. Die Illusionen, die er zertrümmert, sollen keineswegs ersatzlos gestrichen werden. An ihrer Stelle werden die psychosomatischen Tiefenerfahrungen, gespeist und gesteuert vom Stammhirn, in ihre alten, verdrängten Rechte wieder eingesetzt. Damit ist ein Thema angedeutet, das als Tendenz neben dem Kahlschlag von Anfang an parallel mitläuft. Der Rückzug ist zugleich der Ausweg, der Ausstieg aus verfestigten Lebensbedingungen; der vitale Teil des Rauschkomplexes zeigt seine Wirkung. Die Rückkehr zu den Müttern geschieht literaturvergleichsweise rüde:

Eine Frau ist etwas für eine Nacht
(„D-Zug“).

Aber auch hier das Programm: die Frau als abendländisches Kulturprodukt wird demontiert, aufgebaut dagegen wird das Weib als biologische Epiphanie („Untergrundbahn“). Nicht ohne die spezifisch Bennsche Haltung des Einerseits – Andererseits, der ambivalenten Einstellung, die nicht zur Synthese drängt, wie dialektische Modelle das tun. Also einerseits die Frau als genießbares Natur-Objekt, die Liebe als mythisch erlebter Geschlechtsakt, andererseits die infernalische „Syphilisquadrille“ („Ball“), „Geschlechtszersetzungen“ („Notturno“), das Leben ohne Schminke.
Nur in der frühen Lyrik wird in dieser Weise radikal und illusionslos thematisiert. Auch das ist Kontrafaktur, wie vieles an diesen harten Gedichten. Später folgen dann, nach der veristischen Abarbeitung, die zarten Liebesgedichte, durchaus transparent für seelische Nuancen. Zu fragen ist, ob sie Benn gelungen wären ohne den Kahlschlag der Frühphase. Wie überhaupt die spätere Setzung von Idealität ohne die Tabula rasa des Anfangs nicht zu werten ist. Hier konstituiert sich ein Bewußtsein mit allen spezifischen Verhaltensformen zur Welt. Das zentrale Thema personaler Isolation, der innere Rückzug, das „Bei-sich-selbst-sein!“ („D-Zug“), das wird bleiben. „Diese Stummheiten. Dies Getriebenwerden!“ Als Voraussetzung des schöpferischen Aktes, aber auch als Bedingung menschlichen Umgangs. Man vergleiche mit dem frühen Gedicht nur: „Auf deine Lider senk’ ich Schlummer“. Einsamkeit als Existenzform ist die Voraussetzung von Selbsterhaltung und Selbststeigerung.
Dem isolierten Ich, das sich nach außen abgrenzt, eröffnet sich der innere Freiraum der Träume. Es lebt von den provozierten Bilderfluten einer poetisch geschaffenen Wirklichkeit. Etwa ab 1916, den Erlebnissen in Brüssel, die eine tiefgreifende Wandlung mit sich brachten, öffnet sich dieser Ausweg nach innen. Von Benn biographisch dargelegt in „Lyrisches Ich“. Auch äußerlich ist damit eine adäquate Form für das Gedicht gefunden, die musikalische Intonation, eingebunden in den traditionellen Kreuzreim. Seit 1912/13 schon signalisieren die Gedichte das innere Traumvokabular aus Süden, Licht und Meer, Mythos und künstlerischer Form, Insel und Gärten, Blüten, Küsten, Segel. Hinzu tritt jener Rausch der Liebe, der den Tod einschließt. Vier Gedichte genügen, um die volle Bandbreite zu entfalten („D-Zug“, „Englisches Café“, „Untergrundbahn“, „Kurkonzert“). Beschwörungen einer kontaminierten Nominalwelt innerer Erhöhung. Diese lyrische Sprache ist so neu wie faszinierend. „Sichel-Sehnsucht“ – „Blütenfrühe“ – „Rosenhirn“ – „Meer-blut“ – „Götter-Zwielicht“ – „Marmorlicht“. Der Nominalstil als die nennende, bannende Geste, sprachliche Zauberkraft, die herbeizitiert.

Worte, Worte – Substantive! Sie brauchen nur die Schwingen zu öffnen und Jahrtausende entfallen ihrem Flug.

Das steht am Anfang als poetologisches Bekenntnis („Lyrisches Ich“, 1928) und am Ende („Probleme der Lyrik“, 1951).
Bis in Einzelheiten ist die spätere Thematik da, etwa die Farbe Blau, „das Südwort schlechthin“, voller Magie und damit Hauptmittel der „Zusammenhangsdurchstoßung“, der „Wirklichkeitszertrümmerung“. Diese mystische Durchbrechung alltäglicher Wirklichkeit hebt Benn als fundamental und lyrisch konstitutiv hervor in beiden poetologischen Manifesten. Blau als Farbe des Himmels und der Meere hat eine kosmische Symbolfunktion, steht für jene „fernen Reiche“, in die sich die Götter zurückzogen, für mediterranen Mythos und die aus ihm hervorgegangene Kunst, für Tiefendimension und Unantastbarkeit der Form.

Tyrrhenisches Meer. Ein frevelhaftes Blau.
(„Englisches Café“).

Fernes Glück: ein Sterben
Hin in des Meers erlösend tiefes Blau
(„Untergrundbahn“).

Kein Thema wiederholt sich durch die Jahrzehnte in dieser Lyrik so konstant. Eine Botschaft, kein Thema nur, und Botschaften bedürfen der ständigen Erneuerung. Erlösung in der vollkommenen Identität aus Méditerranée und Mythos. In den Fernen innerer Vision erscheint das Glück, das äußerlich sich versagt.
Die provozierte Innenwelt, exotisch ausgestattet, ein Arsenal geographischer, historischer, mythischer Herkunft, wird zur Festung ausgebaut. Die Form des Gedichtes schützt den subtilen Inhalt. Es sind die Ausdrucksformen, die den Erlebnisformen als Schild dienen. Geschmiedete Verse, die der Erlebnisfülle Sicherheit und Halt geben, darauf läuft alles hinaus in Theorie und Praxis des Poeten Benn. Ist der empirische Kausalzusammenhang von Wirklichkeit erst einmal durchstoßen, sind die Zonen innerer Erlebnismöglichkeit erreicht, dann steigert sich der Formprozeß zugleich mit der rauschhaften Erfahrung des lyrischen Ich. Dann geschieht jene Selbstbegegnung, die hinter den Gedichten steht, als Antrieb, Intention und Thema. Entgrenzung als Vernichtung kategorialer Empirie wird aufgefangen in der künstlerischen Form. Diese artistische Ästhetik umfaßt auch die frühen Gedichte. Gerade hier schlagen die Widersprüche der Zeit als formales Spannungsprinzip sprachlich an: die Widerständigkeit innerer und äußerer Erfahrung, privater und öffentlicher Existenz, der Antagonismus aus mythischer Traumwelt und brutaler Wirklichkeit. Gottfried Benn transferierte das Spaltungsbewußtsein in die poetische Form. Antinomisch strukturiert verstand er sich als Repräsentant der Zeit. Der Naturwissenschaftler mit seinen magisch-animistischen Gefühlstiefen kämpfte mit den Waffen des Geistes gegen eine Gesellschaft, die den Geist verachtete.
Der ekstatische Weg nach innen war auch später kein Ausstieg aus gesellschaftlicher Verantwortung. War nicht Flucht, blieb weiterhin Kampfprinzip gegen eine Gesellschaftsordnung, die sich gründet auf Nützlichkeitswahn, kaschierte Egoismen, merkantile Abhängigkeit, politische Normenverhärtung, Wissenschaftspositivismus, Fortschrittsoptimismus, insgesamt auf Borniertheit und Brutalität. Des Gedicht als Interessenvertretung des Ich legitimiert sich als Ort der Selbstbestimmung und Selbstbehauptung des geschundenen Individuums. Seine Wahrheit liegt in seiner Wirkung, in der Vermittlung jener Ich-Wahrnehmung, die sich selbst erreicht hat. Das Gedicht leistet Widerstand gegen gesellschaftliche Teilung des Ich und seiner Interessen, gegen pragmatischen Zweckrationalismus, gegen kategoriales Denken, kausale Erklärung und materielle Verwertung des Geistes.

Zerstoßt das Grau des Himmels! Tretet den Norden ein!
(„Fleisch“).

Unbestechlichkeit und Radikalität, mit der Gesellschaftslügen hier zerrissen werden, bleiben erhalten. Auch dem alten Gottfried Benn geht die Emphase nicht aus. Die Prosa allerdings wird zunehmend das geeignete Medium dieses scharfen Sarkasmus. In der Lyrik dominieren gegen Ende die elegischen Töne. Die Zuspitzung der schnoddrigen Gesellschafts-Persiflage zeigt die Lyrik um 1920.

Totale Auflösung, monströseste Konglomerate,
neurotische Apocalypsen, transhumane Foken,
Jactation, hybridestes Finale –:
Individual-Ich: abgetakelt,
Psychologie: zum Kotzen,
Entwicklungsprinzip: der Hund bleibt am Ofen,
Kausalgenese: wer will das wissen,
Ergebnis: réponse payée!!
(„Prolog“)

Fortschritt, Zylinderglanz und Westenweiße
Des Bürgermastdarms und der Bauchgeschmeiße.
(„Verlauste Schieber“).

Ein Zeitgedicht, das Peter Rühmkorf Anlaß gab, zum 90. Geburtstag Benns dem Meister seiner Jugend noch einmal Reverenz zu erweisen. Das seien keine Strophen zum Ausstellen, sondern die Luft anzuhalten. Hier bezeuge sich eine Unerbittlichkeit und Unversöhnlichkeit und Radikalität der Anschauung, die uns auch heute veranlassen könne, den Blick noch einmal ganz neu auf den Dichter Gottfried Benn zu richten. Die korrupte Berliner Szene dieser Zeit in einem zynisch-flotten Marschton persifliert. Schon damals stellte man die Frage: ist das noch Lyrik? Wenn man sie überhaupt stellte, lieber stellte man sich taub oder wies entrüstet solchen Schmutz zurück. Heute sehen wir historisch das Avantgardemoment und stellen fest, daß solche Zuspitzung später nicht zu überbieten war. Benn fand seine Epigonen. Die Collagentechnik in vielen dieser Gedichte, Summation banaler Gesprächsfetzen, Slang, Tabuzertrümmerung, Alltagsszene kombiniert mit Röntgeneffekt, sprunghafte Assoziation, Simultaneität konträrer Empfindungen und Fakten, dissonante Montage, enzyklopädisches Maschinengewehrfeuer, exotische Wortkaskaden, alles schon ausgebildet am Ende des expressionistischen Jahrzehnts, nach Durchgang durch einen Weltkrieg und eine künstlerisch-antikünstlerische Revolution, wie der Dadaismus es war.
„Café“ – George Grosz gewidmet (1921):

„Ick bekomme eine Brüh’, Herr Ober!“ –
Saldo-crack mit Mensch ist gut von Frank –
Hoch die Herren Seelenausbaldower
Breakfast-dämon, Tratten-überschwang.

Die Frage, was ein Gedicht ist, läßt sich angesichts der frühen Lyrik Benns beantworten: das Widerständige, das Unverdauliche zu seiner Zeit. Oder: das Gegenteil von dem was der Leser erwartet. Nicht dieser prüft den Text, sondern der Text prüft den Leser. Wer die Prüfung nicht besteht scheidet als Leser aus. Ein Wort Albrecht Fabris. Heute haben wir uns an vieles gewöhnt, und vieles ist nachahmbar geworden. Gerade bei der frühen Lyrik Gottfried Benns müssen wir den historischen Innovationswert im Auge haben, der als ästhetischer Wert für den Modernismus insgesamt ausschlaggebend ist.

II
Nach über zehn Jahren Antigesang und Provokation konnte Gottfried Benn das tun, wozu jeder Lyriker im Grunde seines Herzens bereit ist, übergehen zum Gesang. Jetzt sind sie da, die gefüllten Bilder, jetzt fällt von Vers zu Vers bei wechselnder Taktfüllung (jambisch, trochäisch, daktylisch) der melodische Rhythmus, jetzt wird der Strophenbau geschlossener, der Reim klammert formal das innere Sinngefüge, jetzt sind sie da, die Ach-Verse, Sehnsucht und Trauer vermittelnd, jetzt ist die gesammelte Ausrüstung lyrischer Tradition formal zugegen, nur inhaltlich, sofern es diese Unterscheidung gibt, ist alles Benn, von der Thematik bis zum spezifischen Ton, der unverwechselbar geworden ist. Allerdings, als Begleitmusik in schriller Tonlage bleibt das provokante, satirische, zeitkritische Gedicht. Das ist der freche Benn-Ton, der mit der Trauermelodie kontrapunktisch durchläuft. Beide Tonlagen ergänzen sich, schaffen zusammen erst die volle Musik. Das sei gerade jenen Lesern gesagt, die sich bevorzugt den „schönen“ Gedichten Benns zuwenden. Ihnen zum Troste sei aus des Dichters Vorbemerkungen von 1952 zum Neudruck seiner frühen Lyrik zitiert:

Ich gestehe, um die Korrekturen des vorliegenden Bandes lesen zu können bedurfte es zahlreicher Apéritifs und Cocktails für Gemüt und Magen, dann allerdings erschien mir das Ganze als Wurf und Wahnsinn gut. Ich dachte zurück. Es muß eine schwere Krankheit gewesen sein, jetzt ist sie ausgeheilt. Ist sie ausgeheilt? Enzephalitische Prozesse, halb lyrische Epilepsie, halb moralische Lethargien – und heute?

Der Künstler als Medium der Kulturkrankheit, die in ihm zum Austrag kommt. „Die Dichter sind die Tränen der Nation“, hatte Benn am Grabe Klabunds gesagt. Wem das zu pathetisch klingt, der kann den Dichter einstufen als Registraturstelle des Zeitbewußtseins. In jedem Falle ziehen die Krisen nicht folgenlos durch sein Inneres. Sie können ihn krank machen, zum Wahnsinn treiben oder auch umbringen. Ist die Krankheit ausgeheilt? Benn bejaht die Frage und stellt sie dann wieder ins Offene. Für ihn selbst war eine Phase überwunden, die Krise aber blieb. Überwunden war der harte, gnadenlose Widerstand, Benn war aus dem Kampf mit verändertem Bewußtsein hervorgegangen. Er konnte jetzt freisetzen, was hinter dem Frühwerk als Schubkraft spürbar ist: seinen poetischen Glauben. Gereinigt vom Kulturschlamm konnte er als Bekenntnis hervortreten. Das Gesamtwerk Gottfried Benns ist ab 1920 etwa durchzogen von dem apodiktischen Glaubensbekenntnis an eine geistige Instanz, die außerhalb der Materialität existiert. Das ist nicht der christliche Gott der Offenbarung, aber es wäre verfehlt, diesen als Vorläufer ganz aus der Diskussion zu drängen. Geblieben sind Erlebniskräfte, die früher sich auf Gott zentrierten, geschichtlich erweitert auf die Götter. Die Gedichte dieses Bandes registrieren ihren letzten Saum. Das bedarf nicht der Erläuterung, das ist zugegen im Vers und wartet auf Antwort von Leserseite. Das Gedicht braucht den Leser. Halten wir das einmal fest. Das Gedicht will mit dem Leser ins Gespräch kommen. Dieser erst entfaltet in einem schöpferischen Vorgang die potentielle Mitteilung des Verses. Multipliziert eben nach Maßgabe individueller Vielfalt und historischer Zuordnung. Die Situation des Gedichtes ist so neu und tiefgründig, wie der Leser offen ist und substantiell begabt. Alles problematische Sätze, aber töricht wäre es, diese Gedichte anzupreisen als Kursbuchinformation. Der Dichter als Mann mit der roten Mütze am Politbahnsteig ist etwas anderes.
Auf dem Literaturbahnhof fahren viele Züge ab. Wohin es mit Brecht ging, das konnte man leichter bestimmen als die Richtung des Kollegen Benn (gestorben beide 1956, um ein Gemeinsames hervorzuheben). Dessen Fahrtrichtung ging ins Zeitlose. Ein Wagnis zweifellos. Die Zeitlichkeit von Geschichte steht fest. Das ist zu akzeptieren. Die materielle Veränderung historischer Bedingungen ist nötig. Darüber kann man sich einigen. Dagegen steht das Zeitlose als antihistorisches Moment, ein Glaubensfaktor, der hinüberträgt ins Inkommensurable. Gegen Geschichte steht er in einem widerständigen Sinne. Hier liegt die Problematik für den Leser von heute. Die Lyrik Benns beschwört das überzeitliche in einer Zeit, die an historische Kategorien gefesselt ist. Die Lyrik, die nach Benn geschrieben wurde, macht gerade letzteres deutlich. Anzuraten ist, diese Unterscheidung mit historischer Distanz zu sehen. Benn als Repräsentant einer geistigen Haltung, die ihren akuten Stellenwert verloren hat. Die aber von Bedeutung ist als Dokumentation des Geistes in der Geschichte.
Und hier liegt das Problem, das Benn nicht verfälscht sehen möchte. Die Feststellung des status quo, die Konfrontation: so ist es bestellt um den Menschen, seit sich der Geist zurückzog aus der Geschichte. Das ist das Gelenk des Ganzen, das Scharnier, um das sich alles dreht. Mehr noch als gegen den Materialismus ist der Kampf gerichtet gegen jene falsche Idealität, die nach dem Kriege gerade den allgemeinen Wertverfall zu übertünchen suchte. Benn bleibt radikal. Gerade in diesem Punkte. Er kämpft aggressiv mit dem Rücken zur Wand. Auf nichts gestützt als auf seine eigene Erfahrung geht er unerbittlich gegen die restaurative Aufwärmung abendländischer Kulturwerte vor. Was er sieht und attackiert, ist die Wertverwahrlosung infolge sentimentaler Aufweichung, sind deutsche Gemütsspezialitäten im Ausverkauf. Das brüllt die „Stimme hinter dem Vorhang“:

Schluckt doch endlich euer Inneres und eure Beine und haltet die Schnauze über eure Kaldaunen oder wie der Psalmist sagt: meine Seele ist stille zu Gott. – Was soll denn sein, ihr nennt schon heilig, was ich nur doof nenne, ihr billiger Krimskrams mit Gemüts- und Blasenpanik – immer schnell aufs Töpfchen! Wenn ihr ahnen könntet, was eine Äone ist – aber woher sollt ihr das wohl ahnen? – Ihr intellektuellen Schimpansen, betreibt nur weiter euren Ausverkauf…

III
Das ist der alte Benn, und er verhält sich nicht anders als der junge in seiner expressionistischen Phase. Das läßt die spätere Lyrik nicht mehr erkennen, das sagt kompromißlos die sie begleitende Prosa. Abwehr von Mißverständnis und Mißbrauch erlebter Transzendenz. Ein Generalthema:

laßt doch euer ewiges ideologisches Geschwätz, euer Gebarme um etwas ,Höheres‘, der Mensch ist kein höheres Wesen, wir sind nicht das Geschlecht, das aus dem Dunkel ins Helle strebt –.

Dem lyrischen Bekenntnis im Gedicht geben solche Sätze Flankendeckung. Probleme der Lyrik sind auch Probleme dieser Art. Verlust der Mitte, ein Buchtitel und Schlagwort der Nachkriegszeit, gibt Benn im Marburger Universitätsvortrag („Probleme der Lyrik“) Anlaß zu scharfer Differenzierung. Nicht der moderne Künstler gefährde die verbalisierte Pseudo-Mitte, sondern die arroganten Mitte-Vertreter brächten die Kunst in Gefahr und Verruf.

Uns, die letzten Reste eines Menschen, der noch an das Absolute glaubt und in ihm lebt.

Hier spricht jemand aus dem Bewußtsein einer langen Tradition. Der Dichter als Bewahrer eines religiösen Wissens, das lebensmäßig nicht mehr praktizierbar ist, das sich gerettet hat in jenen Innenraum artistischer Selbstbegegnung, den Benn im selben Zusammenhang anspricht:

Gespräche, Diskussionen – es ist alles nur Sesselgemurmel, nichtswürdiges Vorwölben privater Reizzustände, in der Tiefe ist ruhelos das Andere, das uns machte, das wir aber nicht sehen. Die ganze Menschheit zehrt von einigen Selbstbegegnungen, aber wer begegnet sich selbst?

Zweierlei ist festzustellen von heute her. Einmal die klare Einsicht Benns in seine Position. Kämpferisch vertritt er seine Haltung inneren Erlebens, einsamer Selbstbegegnung gegen anbiedernde kollektive Zielsetzungen in der Kunst. Zum anderen kämpft er in einer Situation, die für uns historisch geworden ist. Das restaurative Kulturklima mit seinem Jargon der Eigentlichkeit verlor schon in den fünfziger Jahren an Einfluß. Der Klimawechsel kam nach dem Tode Benns. Bedingt durch die kulturelle Achsenverlagerung drehte sich der Betrieb jetzt um eine andere Mitte. Die soziopolitische Verabsolutierung von Gesellschaft hätte Benn noch einmal neu in die Arena gefordert. Es ist nur konsequent, daß Gottfried Benn für zwei Jahrzehnte aus jenen Diskussionen verschwand, die er so gründlich verachtete. Das läßt sich nicht „ausdiskutieren“, das läßt sich nur konstatieren: ein historischer Wandel hatte sich vollzogen. Seit Benns Tod sind entscheidende Veränderungen des allgemeinen wie literarischen Bewußtseins zu verzeichnen.
Das soll nicht heißen, Benn werde historisch abgehakt, klassifiziert. Im Gegenteil schafft solche Feststellung den Freiraum neuer Auseinandersetzung. Die Thematik aus Innerlichkeit und Transzendenz in vorliegenden Gedichten bedarf nicht mehr der Abgrenzung vom Pathos religiöser Erneuerungsversuche in der Literatur, wie Benn sie 1955 noch vornehmen mußte in der Radiodiskussion mit Reinhold Schneider („Soll die Dichtung das Leben bessern?“). Das konservative Lager hatte Benn als notorischen Nihilisten abgestempelt, als inhaltsleeren Artisten, als Kulturzersetzer ohne Glauben und ohne Hoffnung. Benn konterte mit Statements, die er schon in „Probleme der Lyrik“ vorgetragen hatte:

Das moderne Gedicht, das absolute Gedicht ist das Gedicht ohne Glauben, das Gedicht ohne Hoffnung, das Gedicht an niemanden gerichtet, ein Gedicht aus Worten, die Sie faszinierend montieren. Und doch kann es ein überirdisches, ein transzendentes, ein das Leben des einzelnen Menschen nicht verbesserndes, aber ihn übersteigerndes Wesen sein. Wer hinter dieser Behauptung und dieser Formulierung weiter nur Nihilismus und Laszivität erblicken will, der übersieht, daß noch hinter Faszination und Wort genügend Dunkelheiten und Seinsabgründe liegen, um den Tiefsinnigsten zu befriedigen, daß in jeder Form, die fasziniert, genügend Substanzen von Leidenschaft, Natur und tragischer Erfahrung leben.

Die religiösen Erlebnissubstanzen früherer Zeit haben sich verlagert in die Sphäre ästhetischer Setzung und Erfahrung. Das ist das immer wiederholte Fazit der Bennschen Poetik. Zur Ästhetik des Dichterischen gehören der Produktionsprozeß, die Form des Gedichtes und die Erfahrung des Lesers.
Vom Diktat des Monologischen sollten wir uns nicht verunsichern lassen. Der Monolog wird aufgebrochen, wo die ästhetische Zündung gelingt. Von Innenraum zu Innenraum schlägt der Funke – es spricht der Einsame mit dem Einsamen. Auch das ein Bekenntnis dieser Ästhetik. Wobei die Voraussetzung solchen Gesprächs gerade in der Zurücknahme des Wirkungsanspruchs zu sehen ist. Im übrigen ist Beschäftigung mit dem Innenleben auch heute noch das Arbeitsfeld des Dichters. Diese Einsicht hat sich wieder hervorgewagt aus der Deckung und wird nicht gleich mit Kopfschuß geahndet. Also die Innenwelt des Lyrikers, die sollte man wieder ins Auge fassen. Sie ist der Humus, aus dem das Gedicht austreibt. Man sollte sie ins Auge fassen nach Maßgabe ihrer dynamisierenden Funktion. Wenn heutige Literatur die Situation innerer Erlebnisleere umkreist, hat sich die Perspektive nicht wesentlich geändert.
Nur der Vorrat an Erlebnismasse ist geschwunden. Man schaut nach innen und ist konsterniert über die Öde, die man antrifft. Die Geschichte ist fortgeschritten und hat ausgeräumt. Vieles ist auf dem Sperrmüll gelandet, das in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch Funktion und Inhalt hatte. So schauen wir zurück und halten zugleich Bestandsaufnahme, wenn wir die Gedichte dieses Bandes lesen.

IV
Was ist geblieben vom existentiellen Haushalt früherer Generationen? Besitzen wir sie noch, diese Sucht nach substantieller Identifikation, wie sie unseren Voreltern eigen war? Goethe, Hölderlin, die Droste, Rilke oder Benn – diese Ahnenkette großer Seelentröster, die ist wohl abgerissen. Benn, der sich so unerhört modern einführte in die Geschichte der Literatur, steht doch am Ende einer Tradition. Er hat der geistigen Situation des Abschieds von alten Wertvorstellungen und Weltanschauungen Ausdruck gegeben. Den Verlust mythischer Erlebnisformen hat er in Gesang verwandelt. Wir können auch sagen, die Verwandlung ist ihm noch einmal gelungen. Er verfügte noch über das Handwerkszeug des Sängers: Melos, Reim, weittragende Rhythmen und Bilderfülle. Er stand somit in einer Tradition, die heute über zweihundert Jahre zurückreicht, die individuellen Ausdrucksformen betreffend wie die elegische Tonlage. Mit Schiller begann dieser Abschiedsgesang: „ohne Wiederkehr verloren“ sind nicht nur die Götter Griechenlands, verloren sind die Wirkkräfte des Göttlichen überhaupt in der modernen, aufgeklärten Welt. Die Symptome von Entfremdung und Verdinglichung können schon nach Schillers Vorstellung nur ästhetisch überwunden werden. Schon hier signalisiert das Gedicht Widerstand. Es ist die spontane Antwort des Subjektes auf die Masse unbewältigter Objekte, die es umstellen. Der Unbeweglichkeit von Umwelt wird ein bewegtes Inneres entgegengehalten. Im Protest nennt das neuzeitliche Gedicht den Traum einer Welt, die grundsätzlich anders beschaffen ist.

Freiheit ist nur in dem Reich der Träume
und das Schöne blüht nur im Gesang.

(Schiller: „Antritt des neuen Jahrhunderts“)

Der empirisch unversöhnbare Gegensatz von realer und idealer Welt kann nur ästhetisch ausgesöhnt werden. So das frühromantische Fazit. Die Welt der Kunst, der „reinen Formen“, löst die Antithese aus Geist und Leben Freiheit und Notwendigkeit:

hier der Ruhe heitres Blau.

Schillers Gedicht „Das Ideal und das Leben“ führt das Thema schon voll aus. Konsequent durchdacht, ist es ohne Tröstung. Die erzielte Harmonie im Kunstwerk ist im Sinne des Wortes nur eine scheinbare. Was formal bruchlos und harmonisch in Erscheinung tritt, zeugt real von seinem Gegenteil. Das Gedicht kann den Verlust von Wirklichkeit nicht ersetzen Trauer bestimmt es konstitutiver als die Hoffnung auf Erlösung. So schon der Gesang ertönt, angestimmt wird er in einer götterlosen Welt. Das goldene Zeitalter ist endgültig dahin, das Gedicht birgt nur noch Spuren seiner Kostbarkeit.

Ach! nur in dem Feenland der Lieder
lebt noch deine goldne Spur.
Ausgestorben trauert das Gefilde
keine Gottheit zeigt sich meinem Blick
(„Die Götter Griechenlands“)

Der elegische Grundton durchzieht die Gedichte Benns wie er die Lyrik seit zweihundert Jahren durchtönt. Besungen wird der Verlust eines transzendenten, einheitstiftenden Weltgefühls. Das goldene Zeitalter, jene rückwärtsgewandte Utopie, fließt imaginativ zusammen mit der eigenen Jugendzeit, so bei Schiller, so bei Hölderlin. Die Enttäuschung ist am Anfang schon zur Stelle: wo denn sind die Götter der Jugend, wohin tragen die Impulse des Gedichtes, was ist denn greifbar, verwertbar von diesem Traum?

Die Ideale sind zerronnen
die einst das trunkne Herz geschwellt,
er ist dahin, der süße Glaube
an Wesen, die mein Traum gebar,
der rauhen Wirklichkeit zum Raube,
was einst so schön, so göttlich war.
(Schiller: „Die Ideale“)

Erstaunlich, daß Benn nach dieser frühen Festschreibung von Enttäuschung immer noch an die Idealität der Form glaubt, an den „Olymp des Scheins“, den er als Begriff von Nietzsche übernahm. Schillers Nänie war doch schon ein Endzustand:

Auch das Schöne muß sterben!

Die Klage:

Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.

Benns ästhetische Haltung ist Auflehnung, wie die Frühphase Auflehnung war, nur jetzt als Beschwörung, als magische Formel.

Im Namen Dessen, der die Stunden spendet…
(„Gedichte“)

Der Rückgriff auf Goethe: „Im Namen dessen, der Sich selbst erschuf!“ („Prooemion“) – kann täuschen. Goethes Glaube an einen vernünftigen und geordneten Kosmos stand nicht einmal Schiller mehr zur Verfügung. Der Glaube nämlich an eine bergende Weltharmonie, die im dichterischen Gleichnis ihre Nachahmung findet. Subjekt und Objekt, Mensch und Natur, Idee und Wirklichkeit sind hier noch im Einklang. Eine tiefgreifende Harmonie besteht zwischen den Gesetzen der Natur und den Gesetzen des Geistes. Benn hat das dargestellt in seinem Essay „Goethe und die Naturwissenschaften“. Er sieht Goethe am Ende eines langen geschichtlichen Weges:

Noch einmal die ungetrennte Existenz, der anschauende Glaube, die Identität von Unendlichkeit und Erde, noch einmal das antike ,Glück am Sein‘.

Goethes Gegensatz zur romantischen Geisteshaltung war fundamental – und wir können auf solche Entfernung hin sagen, daß am Anfang schon Schiller zu ihr gehörte. Erfüllung im Anschauen einer sinnvollen, göttlichen Weltstruktur war schon für ihn ein Traum. Die Zerstörung eines ebenso mythischen wie metaphysischen Vertrauensverhältnisses, das einmal Mensch und Welt verbunden hatte, schreitet dann rasant voran. Am Ende zeigt sich nur noch das „Geröll der Himmel“ auf dem Trümmerberg der „Weltgeschichte“ („Gedichte“).

die großen Götter Panne,
defekt der Mythenflor

(„Banane“)

Die Welt zerdacht. Und Raum und Zeiten
und was die Menschheit wob und wog
Funktion nur von Unendlichkeiten –,
die Mythe log.

(„Verlorenes Ich“)

Das Generalthema von Benns Lyrik wird einsehbarer vor dem histonschen Hintergrund. Ob aggressiv oder elegisch vorgetragen, die„Klage, der Schmerz, die Trauer dieser Verse sind nicht Äußerungsformen des vereinzelten Individuums in seiner Zeit, sie sind Bestandteil eines allgemeinen, weit tradierten Kulturbewußtseins. Nur so ist die außerordentliche Wirkung erklärbar, die Benns Lyrik einmal hervorgerufen hat. Auch der Leser stand im Bannkreis einer großen Erinnerung.

Ach, als sich alle einer Mitte neigten
und auch die Denker nur den Gott gedacht

(„Verlorenes Ich“)

Nach der aufdeckenden Desillusionierung des Anfangs nachdem auch die letzten Kulturtapeten noch heruntergerissen und zerfetzt waren, blieb nur noch die Trauer. Sie konnte weder in der Geschichte einen substantielleren Menschentyp restituieren noch das zerfallene religiöse Kräftefeld renovieren. Bei aller magischen Beschwörung („Im Namen Dessen, der die Stunden spendet“) – dieser deus absconditus ordnet die Welt nicht mehr sinnhaft, er hat den Menschen sich selbst überlassen, seiner Einsamkeit, seiner inneren Zerstörung („zersprengt von Stratosphären“), seiner kosmischen Verlorenheit. Aber wie ein Wunder ist das: dieser Mensch gibt nicht auf, schlägt Sinn noch aus der Sinnlosigkeit, behauptet sich absurd. Er klagt wie Hiob, arbeitet wie Sisyphos und singt wie Orpheus. Das Gedicht wird zum Vollzugsorgan äußerster Tapferkeit („das Selbstgespräch des Leides und der Nacht“). Seine Ethik 1st das Aushalten, seine Wahrheit ist der Gesang.

es gibt nur ein Begegnen: im Gedichte
die Dinge mystisch bannen durch das Wort.

(„Gedichte“)

Wenn je die Gottheit, tief und unerkenntlich
in einem Wesen auferstand und sprach,
so sind es Verse, da unendlich
in ihnen sich die Qual der Herzen brach;

(„Verse“)

Was wird beschworen mittels sprachlicher Magie? Hoffnung auf Hoffnung hinter aller Hoffnungslosigkeit? Die Inhalte werden absurd, wenn man sie feststellen will. Solches Transzendieren entzieht sich jeder raumzeitlichen Einordnung, steht jenseits von Geschichte, ist pures Eschaton. Als solches gibt es vielen dieser Gedichte jene Faszination, die Mysterienkulten, Geheimlehren oder Religionsriten anhaftet. Von den Frühformen der Magie, den Zaubersprüchen ist der Anspruch erhalten geblieben, das Ansprechen. Indem etwas beklagt wird, wird es gebannt, wird suggestiv in Erinnerung gebracht, soll nicht verloren sein. Trauer um etwas ist immer noch Teilnahme an der vergangenen Existenzform. Erst das Vergessen löscht diese aus. Seit den fünfziger Jahren hat die Lyrik in unserem Lande die metaphysische Thematik ausgespart.

V
Halten wir das fest, und verkleistern wir nicht die Brüche, den historischen Einbruch. Die Dichtung nach dem letzten Krieg hat den Bannkreis metaphysischer Erinnerung verlassen. Insgesamt. Nicht nur die Lyriker haben das getan. Eine Epoche war zu Ende. Gottfried Benn war ein historisches Phänomen geworden. Machen wir uns nichts vor. Das lyrische Werk ist weder als Alternative noch in irgendeiner Form von Aktualisierung anzupreisen. Aufklärung im Sinne instrumenteller Vernunft und operationaler Kalkulation kann darin nur Volksverführung sehen, Verschleierung historischer Faktizität und ihrer Machbarkeit. Aber auch dahinter steckt ein Glaubensbekenntnis. Auch das ist in Frage zu stellen. Dialektik von Aufklärung ist in klugen Köpfen schon seit längerer Zeit als frag-würdig akkreditiert. Hier ist nicht der Ort solcher Diskussion. Lassen wir uns nichts verbieten, fragen wir aufklärerisch, ohne dem Trugschluß zu verfallen, daß Klarheit alles klärt. Daß sich die Dunkelheiten des Daseins aufhellen lassen in unseren intellektuellen Raffinerien. Also, stellen wir fest, hier stehen zwei Weltanschauungen sich im Wege. Zumindest stehen die Haltungen sich konträr entgegen und geben Anlaß, weiter zu fragen. Das ist die Frage nach Wert oder Unwert des Idealismus. Nach der Verwertbarkeit für unser Leben. Innenleben oder Außenleben, das mag in eins gehen. Arbeiten wir an dieser Stelle ohne Glaubenssätze, betrachten wir die Fakten, richten wir noch einmal den Blick in die Geschichte.
Von den Flugversuchen der Dichter ist nichts geblieben – nur das Gedicht. Von diesen abgestürzten Höhenflügen blieb im wörtlichen Sinne das Nichts, das als alarmierende Vokabel um 1800 schon in die literarische Diskussion eingeführt wird. Als solche ist sie bei Benn noch anzutreffen. Idealität und Nichts markieren im Verbundsystem die letzte Hoffnungsposition metaphysischer Geschichte.

Was ists denn, daß der Mensch so viel will?… was soll denn die Unendlichkeit in seiner Brust? Unendlichkeit? wo ist sie denn?

So Hölderlin schon 1794/97 im Hyperion – als Frage gerichtet gegen die Akrobaten eines dialektischen Idealismus, der den Umschlag in den Nihilismus in sich trägt.

O ihr Armen, die ihr das fühlt, die ihr auch nicht sprechen mögt von menschlicher Bestimmung, die ihr auch so durch und durch ergriffen seid vom Nichts, das über uns waltet, so gründlich einseht, daß wir geboren werden für Nichts, daß wir lieben ein Nichts, glauben ans Nichts, uns abarbeiten für Nichts, um mählich überzugehen ins Nichts…

Hölderlin schneidet die zentralen Fragen der kommenden Auseinandersetzung an.

Das Gefühl für das Vergebliche des Geistes gegenüber der Wirklichkeit ist vielleicht bei ihm als Ersten zum Ausdruck gelangt

So Benn, der im übrigen kein Hölderlin-Verehrer war, an Oelze (29./31.7.1941). Benn hat recht im Hinblick auf die Sinnfrage, die Frage menschlicher Bestimmung im Spannungsfeld von absoluter Setzung und Abwehr des Nichts. Weder die Literatur der Aufklärung noch die des Barockzeitalters kannte diese Alternative. Erst die Frühromantik entdeckte den Schrecken des Nichts, jene Leerstelle, wo früher Gott war. Der Begriff des Nihilismus kam auf und beschäftigte fast eineinhalb Jahrhunderte die Geistesgeschichte. Die Literaten wie die Philosophen. Jean Paul konstatierte schon zu Anfang des Jahrhunderts den Tod Gottes ebenso konsequent, wie er scharfsichtig die „poetischen Nihilisten“ analysierte. Hegel stellte in der Phänomenologie des Geistes (1807) fest, daß „Gott gestorben ist“. Nietzsches Wort „Gott ist tot“ war am Ende des Jahrhunderts ein Resümee. Der Nihilismus der russischen Literatur wurde sprichwörtlich. Kierkegaards Denken umkreiste den Begriff, aber niemand setzte sich wie Nietzsche mit diesem abendländischen Geistes-Phänomen auseinander. Der Nihilismus war die notwendige Endstufe der Geschichte metaphysischen Glaubens und Denkens. Nietzsches Einfluß auf Benn war enorm, gerade im Hinblick auf eine ästhetische Überwindung des Nihilismus. Die Kunst als letzte metaphysische Instanz im allgemeinen Wertzerfall. Das ist die philosophische Absicherung des poetischen Glaubens. Die sprachliche Geste der Beschwörung bedeutet Setzung eines Absoluten, das nur im Schaffensvorgang noch erfahrbar ist. Das lyrische Produkt ist geronnene Erfahrung, stabilisierte, statisch gemachte Erlebnismasse. So sieht es der späte Benn. Statisch bedeutet hier soviel wie Gleichgewicht zwischen Frage und Antwort. Skepsis, Zweifel, Hoffnungslosigkeit werden mit einer latent immer noch wirkenden Gewißheit in Balance gebracht. Das Gedicht als Synthese des gespaltenen Bewußtseins entsteht im Rausch, ist gestaltetes Traumpotential. Dokument der im Schöpfungsrausch erfahrenen Einheit.
Benns poetische Theorien wiederholen in immer wiederkehrenden Variationen diese Thematik. Zentriert zwischen dem frühen und späten Werk im Essay „Zur Problematik des Dichterischen“ (1930). Es geht eine Lehre durch die Welt, heißt es dort, die verkündet die „süße Ekstase“, die „Wallungstheorie“ aus Halluzination und „mystischer Partizipation“, die „hyperämische Theorie des Dichterischen“, aus der hervortritt der „Stundengott“, der Sehopfergott des Gedichtes, der Rauschgott, die „Hieroglyphe aus Phantasmen“. Aus archaischen Tiefenschichten des Körpers steige mit der Evidenz des Phallischen die „Transzendenz der sphingoiden Lust“. Auch das ist Beschwörung – aber was sagt uns diese raunende Theorie? Als „Trunkene Flut“ begegnet sie in vielen Gedichten. Überwinden denn wir mit Hilfe innerer Gesichte die Spaltung aus Geist und Leben, Denken und Handeln, Individuum und Gesellschaft, sofern diese Spaltung überhaupt noch konstitutiv ist für unser Bewußtsein? Ich meine, mit klarem Kopf und nicht im Drogenrausch. Das sind Fragen, die aufstoßen, für die der Leser eine Antwort finden muß. Das Werk stellt ihn unter Entscheidungszwang. Natürliche Grenzen trennen ihn ja ohnehin vom artistischen Schöpfungsmythos. Was nicht besagt, daß er ausgeschlossen ist von der Teilnahme an den Produkten, wenn der Produktionsprozeß ihm schon verschlossen bleibt.

Ich brülle: Geist, enthülle dich!

Die Stoßkraft des Anfangs wandelt sich zwar, aber die Fragerichtung bleibt erhalten in dieser Lyrik. Sie kann den Leser bewegen, selber Fragen zu stellen. Direkt an das Werk. Wieviel historische Realität steht eigentlich hinter dem beschworenen Geist hinter den beklagten, weil verlorenen Idealen, hinter der substantiellen Wertskala, deren suggestive Höhenmessung unter Umstanden nur das Ergebnis imaginativer Steigerung war? War das der Abschied von einem vergangenen Menschenbild, oder war das der Abschied von einer Illusion? Diesen ganzheitlichen, unentfremdeten, metaphysisch stabilisierten Menschentyp, dem man da nachtrauerte seit Schiller, seit Hölderlin, dieses erfüllte, göttergleiche Bewußtsein, dieses einerseits geistige Wesen, das andererseits mit der Natur aufs innigste verbunden war diese naive, imaginäre anthropologische Idealausführung, hat es doch zu keiner historischen Zeit unangefochten gegeben. Aber – so fragt das Werk zurück, ist nicht die Sehnsucht nach dem Ideal vorhanden, auch wenn wir kritisch feststellen, daß ideelle Totalität von Daseinsformen in der Geschichte nicht anzutreffen ist?
Also die Sehnsucht nach dem Ideal, nach der Vollkommenheit, nach Schönheit, Glück und Dauer. Als Phänomen ist sie konstitutiv für das lyrische Werk, gibt ihm jene spezifische Dimension, die als Verklärung aufscheint: so könnte es sein. So hätte es sein können. Der Möglichkeitssinn im Gegensatz zum Wirklichkeitssinn. Der Gedanke ist beherrschend als invertierte Hoffnung, als Rückerinnerung, als platonische Anamnesis. So durchzieht er das lyrische Werk, und Benn sagt oft genug in anderem Zusammenhang, daß er Platon als Urvater dieser Geisteshaltung ansieht.

Deutlich neigt sich Platon herüber; endogene Bilder sind die letzte uns gebliebene Erfahrbarkeit des Glücks.
(„Provoziertes Leben“)

Aus der allgemeinen Götterdämmerung und Untergangsstimmung hatte der Platonismus sich retten können in unser Jahrhundert. Gerade die expressionistische Generation war noch gezeichnet von ihm. Diese letzte Generation, wie Benn betont, die „jenen schwierigen Weg nach innen ging zu den Schöpfungsschichten, zu den Urbildern, zu den Mythen…“ („Expressionismus“). Er selbst zählt sich zu diesen „Gläubigen… eines alten Absoluten“, für die Nietzsches Wort noch galt, „daß die Kunst die einzige metaphysische Tätigkeit sei, zu der das Leben uns noch verpflichte.“ Und dann trifft Benn die interessante Feststellung, daß mit ihm und seiner Generation das Ende einer zweitausendjährigen Entwicklung gekommen sei.

Was jetzt beginnt, was jetzt anhebt, wird nicht mehr Kumt sein…

Wenn er von Kunst spreche, meine er ein vergangenes Phänomen. So hatte schon Hegel gesprochen mit Rückblick auf ein mythisches Zeitalter. Er konnte nicht damit rechnen, daß dann der Abschied so lange dauerte. Und Benn zählt gerade die Abschiedsphase noch dazu. Aber jetzt sei es endgültig zu Ende mit der Kunst, versichert er uns apodiktisch.

Es wird nie wieder Kunst geben…

VI
Das ist ebenso großzügig gedacht wie großräumig. Aber es war eine Prophetie, die in den fünfziger Jahren ihre realen Konturen schon zeigte. Die Poetengeneration nach Benn hat eben keinen transzendenten Standpunkt mehr vertreten. Eine historische Umschichtung war erfolgt. Das ist festzuhalten, für den Augenblick zumindest, ohne Langzeitprophetie. Nur rückblickend können wir genauer sein. Da sehen wir den Metaphysiker Benn, der im Frühwerk revoltierte aus transzendenter Nötigung, kein Revolutionär unter dem Gesichtspunkt historischer Utopie, im Gegenteil, ein Geschichtspessimist spricht da, war weder für Hegel noch für Marx zu gewinnen, und so bleibt er seiner Rolle treu, verkündet seine Lehre immer setzender, bis hin zu jener Statik, die als formal gehämmertes Glaubensbekenntnis heutigen Gemütern als gepanzerte Weisheit erscheinen mag. Geschichte, so sagt dieser Geschichtsverächter, ist kosmisch gesehen nur noch ein Abfallprodukt, Absturz aus dem Horizont des Idealbildes. Die Götter sind tot, ohnehin waren sie eine Erfindung der Menschen, auch der christliche Gott ist dem historischen Vergänglichkeitsprozeß anheimgefallen. Kollektiv erlebbare Götter gibt es nicht mehr, das „Unaufhörliche“ hat den Weg nach innen angetreten, in jenes individuelle Reservat, wo es als Existenzgefühl sich verdichtet und zur Erscheinungsform drängt. Im Kunstwerk, in der sprachlichen Form, findet der Existenzkern Ausdruck. Kunst als letzte metaphysische Instanz, als finale religiöse Erscheinungsform, rettet somit die Restbestände historischer Erlebnismasse. Aber nicht als Offenbarung, nicht triumphal, eben elegisch, verdeckt und verschleiert. Der Schleier wird in dieser Lyrik zum Symbol notwendiger Verborgenheit. Der direkte Zugriff würde das Geheimnis zerstören. Darum fragen diese Verse so oft, fragen rhetorisch, stellen in Frage den verlorenen Sinn. Die lyrische Frage nach der Hintergründigkeit bestimmt – neben den setzenden Beschwörungsformeln – zunehmend das Werk. Trauernd und fragend zeigt sich jenes sprachliche Hinüberreichen in einen Horizont, der sich entzogen hat, der keine Antwort mehr gibt. Die Beharrlichkeit des Fragens schlägt in sich selbst zurück, bestätigt sich als fragendes Bewußtsein.

war das dein Bild? war das nicht deine Frage,
dem Wort, dem Himmelslicht, daß du besaßt?

(„Abschied“)

streift dich das schwere Sein der Himmel nicht?
(„Sommers“)

hinüberlangen in jenes Andere, – in was?
(„Spät“)

Wessen ist das und wer?
(„Am Brückenwehr“)

Das Erleiden der Antwortlosigkeit ist geprägt von der Trauer um die verlorene Gewißheit: etwa in dem makellosen Gedicht „Einst“.

Oder die Städte erglommen
sphinxblau an Schnee und Meer –,
wo ist das hingekommen
und keine Wiederkehr.

Der Verlust ist irreversibel, aber er ist doch aufgefangen im Vers, in jenem einzigen Widerspruch, den Geschichte nach dem Absturz aus dem Horizont des Idealbildes noch duldet: in der Kunst. Idealiter widerspricht diese dem realen Verfall. Bleibt also das Werk, das Gedicht, die Strophe, vielleicht nur ein Vers – um Kunde zu geben.
Wie wenig ist das – oder wie viel? Der Geist Gottes, der einmal über den Wassern schwebte, war auch nur eine Metapher. Darauf läuft alles hinaus, wenn überhaupt vom Geist die Rede ist. Daß Geist und Leben unversöhnlich sich entgegenstehen, diese Generalthese Benns signalisiert den Zerfall von Schöpfung. Und hier fragen wir uns heute, was eigentlich ist dieser Geist? Was ist er wert, wenn er das Leben verachtet? Selbst dann, wenn man das Leben als Verkommenheit stilisiert, als Gier, Genuß, Selbstzweck, puren Nutzen. Dagegen die Vollkommenheit des Geistes: das Unberührte, Reine, Selbstlose, das Absolute und Ewige. Die Polarisierung ist so vehement wie aufschlußreich: der Geist Gottes hat sich entfernt von seiner Schöpfung. Wir haben es mit einem historischen Vorgang zu tun, wenn auch in weitreichender religionsgeschichtlicher Perspektivik. Der Zerfall des idealistischen Selbstbewußtseins im 19. und 20. Jahrhundert ist nur das Ende dieser Geistes-Geschichte.
Man muß sich vor Augen halten, daß der Modernismus, beginnend in der Dichtung mit Mallarmé, in der Malerei mit Cézanne, von der Vorstellung getrieben war, die dingliche Welt zu vernichten und dem reinen Geist zum Sieg zu verhelfen. Als Gottfried Benn seine poetische Produktion begann, war Kandinskys Programm schon erschienen: „Über das Geistige in der Kunst“. Die Bewegung war allgemein in Gang gekommen. Auch Picasso und Braque waren von ihr ergriffen. Die Kristallgebilde des Kubismus sollten die Dinge transparent erscheinen lassen auf Wesen und Struktur hin. Hinter allem steht ja der Geist. Die Skala spiritueller Symbolwerte ist in der Malerei so unerschöpflich wie im lyrischen Symbolismus um Baudelaire und Mallarmé. Gerade die Transparenz von Licht und Farbe ist Ausdruck des reinen Geistes, der „reinen Formen“, was eben Schiller 1795 schon ausdrückte im Gedicht „Das Ideal und das Leben“:

hier der Ruhe heitres Blau.

1864 schreibt Mallarmé das Gedicht „L’Azur“:

Je suis hanté, L’Azur! l’Azur! l’Azur! L’Azur!

Behext also vom Blau – wer war es mehr als der Lyriker Benn:

Blau welch Glück welch reines Erlebnis… dies ewige und schöne Wort!
(„Probleme der Lyrik“)

Er stelle sich Farben vor als „leibhaftige Ideen“, hatte Cézanne gesagt, „als große Noumena“. Licht und Farbe also als korrespondierendes Ereignis in Malerei und Literatur, das Phänomen der Illumination, Eigenqualität jenes Zwischenbereichs, der zum Geistigen hinüberweist. So entsteht aus platonischen und neuplatonischen Vorstellungen, die den Malern vielfach vertrauter waren als den Literaten, das Moment der Abstraktion, das später der modernen Kunst ihren Namen gab.
Abstraktion, das ist die „Wirklichkeitszertrümmerung“ und „Zusammenhangsdurchstoßung“, die hinführt zum Ursprung geistiger Ordnung. Das ist nicht handgreiflich zu parallelisieren, nicht einflußphilologisch auszuwerten. Diskursives Denken kann in diesem Zusammenhang nur Hinweise geben.

Denn was ist die Zeit, spricht sie mit uns, sprechen wir mit ihr… Woher ihre Gestaltung, wer begleitet ihre Verwandlung…?
(„Zur Problematik des Dichterischen“)

Etwa das Moment des Archaischen, der Hinwendung zum Primitiven als Griff zu den Urformen das ist in der Malerei wie in der Literatur so zeittypisch wie das Ingredienz des Geistigen. Hinter allem die Vision von Gesetzmäßigkeit und Dauer, platonisch-neuplatonisch und christlich gedacht in Feindschaft zu Stoff, Materie, Natur. Das ist der Grund, warum Natur bei Benn nicht vorkommt, es sei denn als Kontrast:

Einsamer nie als im August…

Die Einsamkeit des Geistes wird erfahrbar gerade im Herbst. Gegen naturhafte Erfüllung stellt sich adversativ der Geist. Sein Selbstverständnis als „Gegenglück“ hat eine lange Tradition. Sein Befreiungsversuch aus Natur und Materie als Programm der modernen Kunst markiert nur die Endphase abendländischer Geistesentwicklung. In diesem Zusammenhang ist Benns finale Grundhaltung zu sehen. Mehr als Spezifikum; denn die literarischen „Expressionisten“ teilten weitgehend diesen Geschichtspessimismus nicht. Die Maler waren ohnehin optimistischer eingestellt. Kandinsky glaubte an den Sieg des Geistigen in der Geschichte.
Aber was am Ende Maler wie Mondrian oder Malewitsch erfuhren, als Konsequenz der Tilgung gegenständlicher Erfahrung, die Tendenz der Denaturalisierung hin zur Leere, zum Nichts, hatte die Literaten ein halbes Jahrhundert vorher schon als ästhetischer Schrecken erreicht. Bei Baudelaire zeigt sich der Umschlag seiner transzendenten Grundmetaphern – Aufschwung, Himmel, Azur, Ideal, Licht, Reinheit – in den Bereich geistiger Inhaltslosigkeit. Bei Mallarmé werden kurz nach dem Azur-Gedicht Wörter wie Traum, Ideal oder auch Blau durch das Wort Nichts ersetzt. Der Umschlag von Sein in Nichts ist ein Grundthema moderner Geistesgeschichte, der Literatur wie der Philosophie. Auch bei Benn sind die Begriffe konvertierbar im Zusammenhang mit der künstlerischen Theorie. Das Definitorische verselbständigt sich, wird zum Spiel am Rande der Bedeutungslosigkeit. Der mystische Trieb führte allgemein poetisch durch die Wolkendecke irdischer Begrenzung hinaus in den Raum inhaltsloser Idealität. Erstaunlich ist, wie Benn mit dieser artistischen, ahumanen Inhaltslosigkeit in seinen Theorien immer erneut kokettiert. Daß etwa die Dichter in einer „erbarmungslosen Leere leben, unablenkbar fliegen da die Pfeile, es ist kalt, tiefblau, da gelten nur Strahlen, da gelten nur die höchsten Sphären, und das Menschliche zählt nicht dazu.“ („Soll die Dichtung das Leben bessern?“) Solche Theorie ist provozierte Poesie, stilistische Eskamotage oder auch Camouflage einer Position, die in den Gedichten selbst als menschliche Erfahrung voll zu Buche schlägt. Die Tragik der Geschichte des Geistes wird in den artistischen Theorien Benns heroisch überhöht. Auch das ist Widerstand, ist Schutz und Rettung innerer Erlebnisinseln. Und darauf läuft alles hinaus in dieser Lyrik.

VII
Der Geist ist soviel wert, wie er an innerem Erleben hergibt. Das gilt für den Leser wie für den Dichter. Das kann in eine Strophe eingehen, das kann ausgehen von einem einzigen Vers nur.

Ich denke manchmal, daß überhaupt zwei, drei Reihen das Höchste sind, das wir in der Lyrik ertragen, nur in so wenigen Worten ist der Geist so groß und einsam, wie wir ihn uns wünschen. Der lyrische Geist ist fragmentarisch…

In diesem Bekenntnis von 1950 ist deutlich der geschichtsphilosophische Aspekt getilgt, der Geist kehrt dorthin zurück, wo er allein erfahrbar ist, ins Partikulare, Individuelle, in den erlebten Augenblick. Die lyrischen Höhenflüge der Geschichte sind darum noch keine Absturzmakulatur. Die Höhenflieger sind gelandet und geben Lagebericht. Die Klangmagier, die das Geheimnishafte per se beschworen, die sich retten wollten in den kristallinen Traum (Baudelaire), um die Verwandlung zu leisten in Schwingungen aus Sprache, haben den Zaubermantel abgelegt. Das macht Benn mit aller Deutlichkeit auch in „Probleme der Lyrik“ klar. Die Immunität des Sakralen ist auf der Strecke geblieben.
Was sagte Baudelaire vom Wesen der Poesie? Streng und einfach gefaßt, sei sie die menschliche Sehnsucht nach einer höheren Schönheit, der unstillbare Durst nach Vollkommenheit (Über Gautiers Dichtkunst). Sollen wir fragen, was ist die Sehnsucht noch wert? Une promesse du bonheur – ein Versprechen des Glücks (Stendhal: „Über die Schönheit“), wörtlich von Benn in ein Gedicht montiert („Dunkler –“). Ein leeres Versprechen oder Aussprache von etwas und über etwas, das an anderer Stelle mit diesem Ernst nicht besprochen wird? Wenn es möglich ist, daß uns ein Kunstwerk die Tränen in die Augen treibt, meint Baudelaire, dann ist das nicht ein Beweis unserer Genußsucht, sondern der Beweis unserer ins Unvollkommene abgedrängten Existenz. Das heitere, ruhige, traumhafte Land, nach dem die Dichter Heimweh haben, dieser schöne Satz Baudelaires ist heute kritisch abzuschließen mit der Feststellung, daß viele Wege zu diesem Lande hinweisen. Immer schon hingewiesen haben. Ohne es je zu erreichen.
Wer das Absolute nicht anstrebt, endet auch nicht im Nichts. Unserem relativierten Bewußtsein entspricht die fragmentarische Einschätzung des „lyrischen Geistes“. Damit ziehen wir nur die Konsequenz aus der finalen Lage, die Benn konstatiert hat. Wenn die elegischen Abschiedsgesänge den „Fanatismus zur Transzendenz“ in der Historie zurücklassen, werden sie frei auf ein Grundgefühl hin, das subjektiv greifbar und objektiv begreifbar ist. Sie lassen Tragik als Pathos in seiner Zeitgebundenheit erkennen und werden transparent für neue Erlebnisformen. So werden die großen Themen aus dem geschichtlichen Anspruch zurückgenommen in die Zeile, ins Wort, in den privaten Dialog. Der Leser als Gesprächspartner ist angesprochen.

Ein Gedicht verschmilzt mit dem Augenblick, m dem man es zum ersten Mal liest, mit der Stimmung, in der man sich befindet, mit den Erfahrungen, über die man verfügt, mit dem inneren Zustand des Lebens, der einen gerade erfüllt. Man erschafft das Gedicht mit, man denkt oder träumt in es hinein. Dann vergisst man es oder lebt mit ihm weiter.

Als er dies schrieb 1950, war Benn aufgefordert worden, allgemein als Leser von Lyrik Stellung zu nehmen, und zwar für die Vorbemerkung zu einer Anthologie mit dem Titel Geliebte Verse! Aus der eigenen Produktion schlägt er als einziges vor das Gedicht „Einst“. „Niemand braucht es schön zu finden“, fügt er hinzu, „jeder kann über dies Selbstzitat lachen.“
Das ist freundlich gesprochen und zeigt die Haltung, die Benn immer eingenommen hat gegenüber seinen eigenen Gedichten: Lässigkeit bis zur Nonchalance den fertigen Produkten gegenüber. Allerdings, das muß betont werden, nur der Verwaltung seines Werkes, der Pflege und Verbreitung und dem Ruhm gegenüber, nicht im Hinblick auf den Herstellungsprozeß und seinen Abschluß. Immer erneut hat Benn betont, „daß in der Lyrik das Mittelmäßige schlechthin unerlaubt und unerträglich ist…“ („Probleme der Lyrik“) Das ist das einzige Ethos des Lyrikers, sonst kann und darf er sich verhalten, wie er will. Gültigkeit hatte diese Regel seit jenem Augenblick, als im 18. Jahrhundert Dichtung Existenzaussage wurde, also nach der normativen Zeit des Schreibens. Und so finden wir schon bei Goethe die Alternative, daß „ein Gedicht entweder vortrefflich sein oder gar nicht existieren soll“. Wieviel existentielle Treffsicherheit und sprachliche Schönheit in einer Zeile, in einem Bild, in der Strophe gespeichert sind, das entscheidet über den Wert eines Gedichtes. Die Feststellung bleibt letztlich dem Leser überlassen.

Wir werden uns damit abfinden müssen, daß Worte eine latente Existenz besitzen, die auf entsprechend Eingestellte als Zauber wirkt und sie befähigt, diesen Zauber weiterzugeben.

Kunstformen sind transformierte Erlebnisformen und zeugen als solche von der Gebrechlichkeit des Menschen und der gebrechlichen Einrichtung seiner Welt. Singen sie mit betörendem Gesang, so wenden sie sich gegen etwas, das vom Wesen her gesanglos ist. Sind sie vollkommen in sich, so verweisen sie damit auf alles, das nicht vollkommen ist. Abwegig wäre es, die private Existenz des Dichters davon auszunehmen.

Bruno Hillebrand, Nachwort

 

Der entfirnißte Gottfried Benn

– Bruno Hillebrands Edition eröffnet neue Einsichten. –

Mit der von Gottfried Benn autorisierten Ausgabe der Gesammelten Gedichte von 1956, zu seinem siebzigsten Geburtstag veröffentlicht, schien der Schlußstrich unter das lyrische Werk dieses Autors gesetzt. Merkwürdigerweise fehlte jedoch dieser Sammlung jene Faszination, die nach 1949 das Werk Benns wieder bekannt gemacht hat. War die Zeit so rasch darüber hin gegangen? War es, seinem Charakter nach, ein Werk, das nicht zu Gesamtausgaben taugte? Dabei bewahren die Erstausgaben der Nachkriegsjahre, Statische Gedichte, 1949, Trunkene Flut, 1949, Fragmente, 1951, Frühe Lyrik und Dramen, 1952, selbst Destillationen, 1953 und Aprèslude, 1955, wenn ich sie in die Hand nehme, darin blättere, darin lese, etwas von dem Geruch jener Jahre, in denen dies neu war. Bloße Nostalgie? Sentimentalität des selber Gealterten? Ich muß gestehen, daß ich bis vor kurzem geneigt war, diese Fragen zu bejahen. Man blickt zurück, man erinnert sich, aber das Erinnerte wirkte nicht mehr, läßt sich nicht mehr aktivieren und erscheint auch in seiner historischen Relativierung etwas schal. Das hat sich merkwürdig geändert, seit ich den ersten Band der Taschenbuchausgabe der Gesammelten Werke in der Fassung der Erstdrucke, den Bruno Hillebrand zusammen mit seiner Helferin Inge Skibba herausgegeben hat, zu lesen begonnen habe. Das Altbekannte, früher einmal Zitierte, das fast ins Unbewußte untergetaucht war, jedenfalls so weit, bis Anklänge im eigenen Schreiben nicht mehr identifiziert wurden, gewinnt plötzlich neue Frische. Die Standardgedichte erscheinen aufgerauht, leuchten, durchbrechen das durch Gewohnheit und Kanonisierung Zugeklebte mit ursprünglicher Bedeutung.
Das Prinzip, dem Hillebrand gefolgt ist, ist einfach. Es kehrt die Gewohnheit, sich an Fassungen letzter Hand zu halten, um und folgt der, wenn man so sagen kann, Fassung erster Hand. Das bewirkt bei den Gedichten von Gottfried Benn leichte Verschiebungen. Blickt man genauer hin, sieht man, daß Benn vielfach geändert hat, aber nicht in Richtung auf einen zu erreichenden idealen Endstand, sondern weil manche Gedichte Stellen enthalten, die sich der definitiven Verfestigung zu entziehen suchen. Dem Eindruck des Überarbeiteten, des „Verbesserten“, steht das Unvermittelte der Erstformulierung (nicht im Manuskript, sondern im ersten Druck) gegenüber. Benn hat nach 1945 immer wieder seine Unlust zum Ausdruck gebracht, sich mit den vergangenen Stufen seiner Lyrik zu beschäftigen. Dennoch hat er selber beigetragen zu einer gewissen Stilisierung des Gesamtbildes. Zitate, die das bezeugen, sind im Kommentar der Hillebrandschen Ausgabe zusammengestellt. Dennoch erklärt das nicht, warum mir plötzlich in der Taschenbuchausgabe die Gedichte von Benn erschienen, als läse ich sie erneut zum ersten Mal.
Zwei Gesichtspunkte, so meine ich, muß man zunächst berücksichtigen. Benn wurde bekannt als ein Autor von Gedichten, denen etwas Anrüchiges anhaftete, er war berüchtigt ebenso wie berühmt. Das führte, obwohl er anfangs gewillt war, der nazistischen Kulturpolitik zuzustimmen, zu Verbot und Beeinträchtigungen im Dritten Reich. Diese Zäsur hat sich tief auch ins Werk eingeprägt. Die Selbstverarbeitung und quasi ideologische Stilisierung in „Doppelleben“ hat doch die Spur dieser Zäsur nicht ausgleichen können. In Briefen ist nachzulesen, wie Benn sich dennoch als einen Autor davor und danach sah. Zwar zeichnet der andere Benn sich bereits Ende der zwanziger Jahre ab, aber das hebt die Negation nicht auf. Vielleicht stellt überhaupt jenes Werk die Gelenkstelle dar, das am leichtesten kritisch beiseite zu schieben ist: „Das Unaufhörliche“, 1931, Textbuch für Paul Hindemith. Dieses Werk ist ja seinem Gestus, wenn auch nicht seiner Gesinnung nach gar nicht so weit entfernt von dem, was von den NS-Kantatendichtern verfaßt wurde, aber es war verdammt wegen der Zusammenarbeit mit Hindemith. Auch das vielleicht Assimilierbare war ausgeschlossen. Für Benn führte das nach dem Krieg dazu, daß er sich zwischen allen Fronten und Stühlen sah, eine Tatsache, die dann die bundesrepublikanische kulturelle Rechte mit Sieburg und Holthusen benutzte, um ihn als einen der Ihren zu deklarieren. Auch das drückte sich als Spur dem Werk auf. Oder korrekt, nicht eigentlich den Gedichten selbst (wo Formulierungen vorkommen, die das andeuten, stellen sie doch Verarbeitungen dar), sondern der Rezeption des Werks. Diese Rezeption aber hat die Ausgaben zunehmend bestimmt, so daß Benn 1956 als der große klassizistische Nihilist, Fortsetzer von Nietzsche und George zugleich, erschien.
Dem schlägt die Ausgabe „In der Fassung der Erstdrucke“ den Stuck weg. Hinzu kam, und das möchte ich auch deutlich sagen, die zwar gutgemeinte, aber nivellierende theoretische Interpretation durch Dieter Wellershoff. Stilisierung ist angesichts des Taschenbuchbandes nicht mehr wirksam. Das chronologische Prinzip, das hier so peinlich befolgt wie belegt ist, löscht Zäsur und Stilisierung aus. Was sonst so oft einebnend wirkt in eine langgezogene Reihe von Erscheinungsdaten, hat hier etwas von der Frische reproduzierter alter Fotos. Der Dichter davor und danach wird leichter erkennbar in der Einheit seiner dichterischen Person. Der andere Gesichtspunkt, der mir wichtig erscheint, ist der, der in der Chronologie mit enthalten ist. In der Abfolge der Wiedergabe nach den Erstdrucken wird der gleichmäßige Strom der Entstehung durchsichtig, aber auch die spontane Zusammenfindung von Gedichtgruppen, von Reihen, die einem Thema gelten. Diese Gruppen wie „Morgue“, „Alaska“, „Söhne“, „Der Psychiater“, „Schutt“, „Betäubung“, die Gruppierungen, die er während des Krieges an den Vertrauten Oelze schickt, sind wichtiger als die Bände. In der Ausweitung des gedruckten Bandes Statische Gedichte steckt schon eine Rezeptions-Stilisierung gegenüber der ursprünglichen Gruppe von Gedichten, die so hieß. Das macht die Hillebrandsche Ausgabe erkennbar. Was für einen Dichter wie Stefan George absolut gilt, daß das Endprodukt der zeremoniell präsentierten Bände alles gilt, der Weg dahin nichts, hat für Benn keine Bedeutung. Es spielt auch nicht die Dialektik zwischen der einzelnen Entstehung und der auf Wirkung, politisch wie ästhetisch, ausgerichteten Zusammenstellung, die für die Gedichtbände von Brecht so wichtig ist, eine Rolle. Das Verfahren, das Bruno Hillebrand gewählt hat, weist sich bei den Gedichten Benns als das angemessene, weil es das Werk in seiner lebendigen Offenheit hält. Diese Offenheit, die in Druck, Anmerkungen und Kommentaren sichtbar wird, macht die Gedichte überraschend neu aktuell.
Aber was ist das, was ich da als aktuell empfinde oder als erneuerte Aktualisierung? Solange man den Akzent auf das pessimistische Außenseitertum, die Exklusivität dessen, der es durchschaut hat und ohne Erwartung ist, setzt, erhält man das Bild eines mit Gedichten, auch Essays und Prosaentwürfen ausgefüllten Programms. Für George und seinen Kreis stand ein solches Programm, das der ästhetischen Erneuerung gegen die Banalität des historischen Pragmas, und das heißt das der extremen ästhetischen Restauration, tatsächlich unverrückbar an erster Stelle. Das, was die Gedichte Georges bis heute in unvergleichlichen Versen lebendig hält, hat sich immer unter dem Schirm des Programms gegen das Programm durchgesetzt.
Benns Programm war, wenn man überhaupt davon sprechen kann, ein schwacher Aufguß der ästhetischen Paradoxie Carl Einsteins, aber er hat die Radikalität der Einsteinsehen Position, obwohl er sie hier und da zitiert, einer Position eingeklemmt zwischen politischen und ästhetischen Anarchismus, nie begriffen. Er war auf der anderen Seite, zugespitzt ausgedrückt, auch nicht der Autor eines versifizierten „Untergangs des Abendlands“.
Was der Verlag, auch für die Taschenbuchausgabe „In der Fassung der Erstdrucke“, immer noch als Klappentext benutzt, der bildungsschwögende Gemeinplatz Friedrich Sieburgs, enthält doch den Ansatz einer möglichen Interpretation. Bei Sieburg heißt es:

Die völlige Losgelöstheit dieser Dichtung macht es unmöglich, sie einzuordnen und ihr in der Gesamtheit der deutschen Lyrik einen Platz zu geben. Sie ist nicht nachzuahmen und sie kann keine Schule machen, da der mühevoll schmerzliche Weg ihrer Klärung an die Grenzen der Ausdrucksmöglichkeiten streift.

Abgesehen davon, daß Benns Gedichte unmittelbar äußerlich und auch vermittelt Schule gemacht haben, ließe sich das, was hier schmerzlicher Weg der Klärung genannt wird, so verstehen, daß in diesen Gedichten die Spur einer tiefen, personalen wie absoluten Verletzung aufbewahrt ist.
Das macht diese Neuausgabe deutlicher als alle Gedichtbände Benns bisher: Das Grundsätzliche des Traumatischen in dieser Zeit. Die als pornographisch oder obszön verschrieenen Gedichte des frühen Benn sind ja eher von höchster sensibelster Empfindlichkeit gegen das Libidinöse. Daß die Libido das Herkommen überwältigt und aus der noch eingehaltenen bürgerlichen Übereinkunft herausgedrängt, wird nicht als Befreiung, sondern als Verwundung erfahren. Das Arsenal abendländischer Begriffe, Bilder und Vorstellungen, das der mittlere Benn aufruft, drückt nicht Trauer aus, sondern wütenden Verlust. Die Faktizität vieler später Gedichte ist die Gefaßtheit dessen, der mit der Zerstörung zu leben gelernt hat, lernen hat müssen. Dahinein paßt die Zäsur der Erfahrung des Naziregimes, mit der die Erfahrung des persönlichen Verlusts verbunden war. Im Gegensatz zu Ernst Jünger, der immer auf Sonderstation ging und sich vorgenommen hatte, sich durch nichts verblüffen zu lassen, eine Haltung, die uns Jüngeren ja am Anfang durchaus imponiert hat, war Benn von allem Anfang an und bis zum Schluß immer zutiefst getroffen. Das zeigen, wenn nichts sonst, die Briefe an Oelze. Und wenn ich es einmal so ausdrücken darf: Hillebrands Gedichtausgabe hat es geschafft, die Gedichte endlich in Kongruenz zu diesen Briefen zu bringen.

Helmut Heißenbüttel, Frankfurter Rundschau, 26.3.1983

Gottfried Benn von Staub gereinigt

Irgendwo muß noch der Brief stecken, den Gottfried Ben mir, einem unbekannten Verfasser von Gedichten, der ihn mit der Zusendung solcher Gedichte belästigt hatte, als Antwort geschickt hat, handschriftlich, kurz, höflich, vorsichtig ermunternd. Warum habe ich ihm Gedichte geschickt? Hat mir damals jemand erzählt, er würde antworten? Wann fand dieser Austausch statt? Nicht vor 1950, in einem der beiden Jahre danach? Da der Brief noch in den unausgepackten Restkisten meines letzten Umzugs verborgen ist, kann ich mir selber diese Fragen nicht beantworten. Ist die Antwort wichtig? Kaum.
Ich sage: kaum, weil die genaue Bestimmung von ein paar autobiographischen Daten, die mich direkt mit Gottfried Benn in Verbindung bringen, für die Vorstellung, die ich heute von diesem Autor habe, Randerscheinungen bleiben. Was ist wichtiger? Daß der damalige Student, mit dem zusammen ich in der gleichen Wohnung wohnte, mir eines Tages erzählte, er habe den anderen Studenten Walter Boehlich getroffen und der habe von dem größten lebenden deutschen Lyriker, dem unbekannten Gottfried Benn gesprochen? Daß ich mich, als der Name zuerst in den Feuilletons auftauchte, daran erinnerte, wie ich, noch vor dem Krieg, einen Verlagsprospekt des Rowohlt Verlags über Faulkner gelesen hatte, auf dem Benn sich über Licht im August verbreitete? Daß ich Benn einmal im Auditorium maximum der Hamburger Universität habe lesen hören und daß er mir dabei wie ein Krankenkassenarzt hinterm Schreibtisch erschien? Und wann war das? 1952?
Auch die Anekdoten geben nicht viel her. Aber sie beleben das Bild. Die Stimmung jener Jahre, ohne die die Aufnahme der Statischen Gedichte, des Ptolemäer, des Doppelleben nicht denkbar ist, Stimmung und Lektüre, die einander entgegenkamen, sich begegneten? Die Empfindung des Kahlen, der Entleerung von großen Worten, auf die doch noch ein paar große Worte antworteten, der Ekel an Politik, die Neigung, Standpunkte außerhalb zu suchen? Zwei Aspekte lassen sich für mich genauer rekonstruieren. Zu dem Band Frühe Prosa und Reden, der 1950 bei Limes erschien, schrieb Max Bense einen einleitenden Essay „Versuche über Prosa und Poesie“. Es war dies die erste Begegnung mit dem Autor Bense für mich, mit dem ich später über zwei Jahrzehnte befreundet war. Schon der Titel des Essays hatte programmatische Färbung: Prosa und Poesie, Prosa vorangestellt, das schlicht verbindende und. Hier las ich zum erstenmal den Namen Ludwig Wittgenstein. Benses Satz:

Denn die Destruktion der Form, des Verses und des Numerus, der Periode und der Aussage, die der Destruktion der bestehenden sozialen und intellektuellen Welt des Bürgers entspricht, bezeugen ja nur die totale Destruktion des Seins und seiner Ontologie, die mit Kant einsetzte und bei Heidegger und Wittgenstein endigte.

Da wurde ein Punkt berührt, der für mich in der Folgezeit außerordentlich wichtig wurde, auch wenn ich, allem Widerspruch zum Trotz, dessen Konkretion eher im Werk Brechts sah als in dem von Benn. Benses Schlagwort lautete damals:

die solipsistische und die atomistische Destruktion.

Bei Bense fand ich auch den Namen Walter Benjamin, dessen „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ ich in der Originalausgabe in der Seminarbibliothek fand und dort durchlas. Hier setzt der andere Satz von Bense ein, der für mich wichtig wurde:

Man wird die Überzeugung nicht los, daß auf dem Wege vom Barock zum Expressionismus der emotionale Ursprung der Dichtung das klassische Leiden aus der Melancholie in die Pathologie transzendiert hat, und so mußte die allegorische Kasuistik des Barock in eine psychiatrische verwandelt werden, ohne daß die artistische Reinheit der Kunst des Ausdrucks verlorenging.

So befragenswert die Begriffsbildungen, die Bense hier verwendet, heute auch erscheinen mögen, das war ein Aufruf, der für mich nicht nur literarisch-praktisch eine Wegmarke dargestellt hat, sondern auch die Richtung der kritischen Auseinandersetzung bestimmte.
Unmittelbar damit hängt das zusammen, was ich damals aus der Methode des Roman des Phänotyp ablas und aus jener Passage des Doppelleben, die für mich über lange Zeit geradezu zum Programm wurde:

Der Mensch muß neu zusammengesetzt werden aus Redensarten, Sprichwörtern, sinnlosen Bezügen, aus Spitzfindigkeiten, breit basiert –: Ein Mensch in Anführungsstrichen. Seine Darstellung wird in Schwung gehalten durch formale Tricks, Wiederholungen von Worten und Motiven – Einfälle werden eingeschlagen wie Nägel und daran Suiten aufgehängt. Herkunft, Lebenslauf-Unsinn! Aus Jüterbog oder Königsberg stammen die meisten, und in irgendeinem Schwarzwald endet man seit je. Jetzt werden Gedankengänge gruppiert, Geographie herangeholt, Träumereien eingesponnen und wieder fallengelassen. Nichts wird stofflich-psychologisch mehr verflochten, alles angeschlagen, nichts durchgeführt. Alles bleibt offen, Antisynthetik. Verharren vor dem Unvereinbaren. Bedarf größten Geistes und größten Griffs, sonst Spielerei und kindisch. Bedarf größten tragischen Sinns, sonst nicht überzeugend. Aber wenn der Mann danach ist, dann kann der erste Vers aus dem Kursbuch sein und der zweite eine Gesangbuchstrophe und der dritte ein Mikoschwitz und das Ganze ist doch ein Gedicht. Und wenn der Mann nicht danach ist, dann können die Ehegatten ihre Frauen und die Mütter ihre Söhne und die Enkel ihre Großtanten im Lehnstuhl oder im Abendfrieden vielstrophig anreimen, und selbst der Laie wird bald merken, daß das keine Lyrik mehr ist.

Satz um Satz könnte ich diese Passage auf die Folgerungen projizieren, die ich daraus für die eigenen Ansätze zu benutzen versucht habe. Hier liegt der Einfluß Benns, der durch nichts anderes, durch keine Modifikation, etwa durch die Praxis Ezra Pounds, in dessen Cantos ich mich etwa zur gleichen Zeit eingrub, widerrufen werden kann. Daß ich, bis auf wenige Ausnahmen, nie ein Benn-Eleve oder Benn-Nachahmer wurde, liegt vermutlich daran, daß ich eben den Ansatz, den ich im Roman des Phänotyp und in der zitierten Passage aus Doppelleben fand, in Benns eigener Lyrik nicht realisiert sah. Der Tonfall der Bennschen Gedichte, der damals doch viele verführt hat und von dem manche sich bis heute nicht losmachen können, hatte keine Suggestivkraft für mich, wurde in seiner Suggestivkraft von vornherein neutralisiert dadurch, daß ich das Programm der „Phase II“, wie Benn die theoretisch-programmatischen Formulierungen nannte, wortwörtlich nahm, ja in seiner Anwendbarkeit noch zu radikalisieren suchte. Daß da sofort ein Kontakt entstand, erkenne ich heute daran, daß dieser Begriff der „Phase II“ schon in frühen Gedichten von 1950/51 auftaucht, die sonst eher Bennsche Färbung im üblichen Sinne zeigen.
Benns Werk selber wurde für mich für lange Zeit verdunkelt durch andere Einflüsse: Bertolt Brecht, Ezra Pound, Gertrude Stein, Literatur des Dadaismus. Ein anderer Vorgang darf dabei jedoch nicht übergangen werden. Zu den Namen, die ich bei Benn lernte, gehörte der von Carl Einstein. Dessen Werk, fragmentarisch überliefert, wie es bis heute geblieben ist, besetzte dabei allmählich die Leerstelle, die sich für mich zwischen Programm und Praxis Benns (in dem geschilderten Zusammenhang) auftat. Carl Einsteins Gdichte, Prosa, Pamphletismus waren verzweifelter, auswegloser, unanpaßbarer, widerstandskräftiger, blieben in manchem unauflösbar rätselhaft. Zudem zeigte sich bei ihm deutlicher als irgendwo sonst in der deutschen Literatur Widerspruch und Identität von Politisierung und Ästhetisierung. Der Fundus, den mir Benns Werke, je populärer sie wurden, nicht geben konnte, sammelte sich in allem, was ich von Carl Einstein las, einschließlich der umfangreichen Fragmente zu „Bebuquin II“, die bis heute nicht ans Licht der Publikation gebracht werden konnten.
Ich habe also Impulse befolgt, die Arbeiten jedoch, mit denen diese Impulse verbunden waren, am Weg liegen lassen wie so manche Wegmarke der Lektüre, die nicht wieder aufgegriffen worden ist. Daß darin auch eine Ungerechtigkeit gegenüber diesem Werk lag, ist unbestritten. Es war eben lange Zeit auch so, daß ich, wenn ich in einem der Gedichtbände von Gottfried Benn las, vor meinem inneren Auge das Oberseminar des Germanisten Hans Pyritz auftauchen sah, in dem ich viele dieser Gedichte, um den langweiligen Seminarablauf privat zu würzen, las, und dieses Bild hatte weniger die Farbe des Nostalgischen als den Geschmack des Pubertären. Warum sich daran erinnern?
Erst jetzt, mit der Taschenbuchausgabe der Gedichte in der Fassung der Erstdrucke ist sozusagen eine Kruste gesprungen, die den lebendigen Eindruck verdeckt hatte. Überraschend auch für mich ist da etwas durchsichtig geworden, was die Einheit des lyrischen Werks von Benn bezeugt und was ich heute, erneut, aber in revidierter Interpretation, auf das zurückprojizieren würde, was Max Bense einst formuliert hat. Hier ist der neue Leseansatz, den ich lange vermiß habe und dem nachzugehen ich eben erst anfange. Wenn die vier Bände, die geplant sind, vorliegen, wird sich für mich, dessen bin ich gewiß, das Bild, das in mir von Gottfried Benn lag, ohne Relief, verstaubt, grau, neu belebt haben.

Helmut Heißenbüttel, 1983, aus: Bruno Hillebrand (Hrsg.): Über Gottfried Benn. Kritische Stimmen 1957-1986. S. Fischer Verlag, 1987

Gottfried Benn – Der Artist im Posthistoire

Hans Rosenhaupt gewidmet

1886 geboren, sah sich Gottfried Benn als ungetreuen Sohn des neunzehnten, des naturwissenschaftlichen Jahrhunderts. Von ihm war er geprägt, von ihm fühlte er sich abgestoßen. Die Prophezeiung, bald werde der Nimbus der Wissenschaften wie der Geschichte dahin sein, war auch ein Versuch, die Fesseln dieses Saeculums, das 1900 nicht enden wollte, sondern sich weiter und weiter vorwagte, abzustreifen.
Léon Daudet, Mediziner wie Benn, nannte das neunzehnte Jahrhundert stupide. Kierkegaard und Nietzsche hätten es ebensogut tun können. Ein Franzose aber hatte mehr Grund dazu. Jetzt ging endgültig verloren, was noch das Dixhuitième ausgezeichnet hatte: die Nähe von Kunst und Wissenschaft, die Bedeutung der Anschauung, der Primat der gelebten Erfahrung. Nun wurde, wie Benn 1920 schrieb, der Verstand flach und der Opportunismus rüde, der Darwinismus erschien allen plausibel und unnütz jeder Versuch, sich gegen den herrschenden Utilitarismus des Denkens und der Welterklärung aufzulehnen. Auch in diesem Sinne war das neunzehnte Jahrhundert kein Jahrhundert Frankreichs mehr.
Frankreich aber liebte Benn, Sohn eines protestantischen Pfarrers aus der Mark und einer Mutter, die aus Fleurier in der romanischen Schweiz stammte. 1934 bekennt er stolz, die Mittelmeerwelt in sich zu tragen, erinnert daran, daß in den Adern Friedrichs d. Großen französisches Blut floß und läßt das Deutschtum vornehmlich gelten, weil in ihm das Mediterrane seine „dämonisch-metaphysische Ergänzung“ fand. Für Benn gab es nur zwei Völker, die sich vollendeten: Dorer und Franzosen. Sie schaute der Deutsche, ans Formlose und Verschwommene gewohnt, ratlos und bewundernd an, früh fasziniert von Paris, wo täglich im Pantheon die kleinen Sträuße zu Füßen der Jeanne d’Arc ahnen ließen, wie frisch die Selbstgewißheit dieser Nation geblieben war. Die Konventionen der Latinität liebte Benn, ihren Formgenuß, die tiefe Leidenschaft für die Abstraktion und jene Wertschätzung der Artistik, die alle Inhalte in den Hintergrund treten läßt.
Der approbierte und promovierte Arzt, Schüler der Pépinière von 1905 bis 1911, der für eine Arbeit über Pubertätsepilepsie von der Berliner Universität ausgezeichnet worden war, stemmte sich gegen die induktive Biologie der Jahrhundertwende. Sein Abscheu vor dem „Erfahrungsmist“, über den er mit Goethe spottete, wurde schließlich so stark, daß er sich für den Einzelfall nicht mehr interessieren konnte, Krankengeschichten nicht mehr führen wollte: der Psychiater blieb nun an der Oberfläche und wurde zum Spezialisten für Haut- und Geschlechtsleiden. Und Lyriker dazu – von den Gedichten der Morgue (1912) an wird dieses Durchschnittsleben, wie er es ohne Koketterie nannte, poetisch und essayistisch von ihm selbst seziert. Hierin war Benn ganz Erbe des neunzehnten Jahrhunderts und eines frühen Positivismus, der das Experimentieren am eigenen Leibe und im eigenen Kopf seit Saint-Simon zur Lebensmaxime erhoben hatte.
Die Verknüpfung von denkerischer und dichterischer Begabung, die Benn als Erbe des protestantischen Pfarrhauses mitbekam, war nur eine der vielen Mischungen, die ihn prägten: introvertiert und leptosom war der Vater, pyknisch und aufgeschlossen die Mutter, Germanisches und Romanisches kam in ihm zusammen, jene Kombination, die Benn zufolge das Wesen des alteuropäischen Geistes bestimmt hatte. So wurde er vieles und manches zugleich, „Lyriker und Essayist, Bürger und Soldat, Einsiedler vom Lande und Homme du Monde in den Citys der Welt“, lebte in Hinterzimmern und dachte kühn, „das Äußere ein Earl, das Innere ein Paria“.
Zu den ersten Vorbildern Benns zählt der Däne Jacobsen: So nahe fühlte er sich ihm, daß er später den Freund und Patienten Klabund Jens Peter nannte. 1910, zwei Jahre vor der Gedichtsammlung, die ihn berühmt macht und berüchtigt dazu, veröffentlicht er in den Grenzboten ein „Gespräch“, in dem an Jacobsen der naturwissenschaftliche Stil gerühmt wird und seine Distanz zu Intuition, Schöpfertum und Spontaneität. Der Vierundzwanzigjährige nimmt in diesem Text eine Programmatik der Lebensführung und der dichterischen Weltanschauung, von Moral und Ästhetik vorweg, die sein ganzes Leben über bestimmend bleiben und dessen innere Einheit ausmachen sollte. Wenn davon die Rede ist, „daß das Spezifische in Jacobsens Kunst mit seinen naturwissenschaftlichen Neigungen ganz sonderbar eng zusammenhängt“, so spricht aus diesen Worten bereits der späte Benn, der nie Rodins „hartes Wort“ vergessen wird, daß es die Kunst überhaupt nicht gibt, sondern nur ein Handwerk. Weit geht die Wahlverwandtschaft mit Jacobsen und mit seinen Personen, sie reicht bis ins Konstitionelle, hin zu jener Müdigkeit und „vegetativen Ergriffenheit“, die Niels Lyhne verspürt und die Benn fortwährend an sich selbst wahrnehmen und beschreiben sollte. Und doch wird für den Antidarwinisten Benn gerade die Abkehr von einer Grundüberzeugung des leidenschaftlichen Darwinianers Jacobsen entscheidend: Naturwissenschaften und Geschichte hatten ausgedient; es blieb ihre tiefe, Stil schaffende Skepsis.
Benn gehört zu den Verkündern des Posthistoire, überzeugt davon, daß die geschichtliche Entwicklung Europas abgeschlossen, die weiße Rasse am Ende ist. „Plausibel, fix und massenhaft“, liegt die Illusion der Naturwissenschaften wie des Sozialismus im Glauben, dem Menschen noch über Inhalte zu seiner Welt- und Lebensorientierung verhelfen zu können. Das neunzehnte Jahrhundert ist das Zeitalter der Züchtung, doch scheitern alle Versuche, Varianten hervorzubringen, die sich auch halten. Das Neue bleibt ephemer, die organische Substanz ist verbraucht. Nun gilt es, mit den Beständen zu rechnen und die intellektuellen Ressourcen umzugruppieren. Bastler sind gefragt, und ein kaleidoskopisches Denken steht auf der Höhe einer Zeit ohne Entwicklungsperspektive.
Im achtzehnten Jahrhundert durften von einem Blick in das Ganze der Natur denkende Poeten und dichtende Wissenschaftler noch weitreichende Einsichten erwarten. Diese Zeit aber ist lange dahin, die Natur ist lyrik- und spannungsarm geworden, unnatürlich und motivlos. Nur der Spießbürger sieht Notwendigkeiten in ihr, in Wahrheit ist sie „ein Reich der Gefräßigkeit, des tollsten Übermuths, eine unglücksschwangere Unermeßlichkeit“ (Novalis), sie experimentiert fortwährend, bringt neue Formen hervor und läßt sie wieder fallen, wenn wir glauben, ihren Schöpfungsprinzipien auf der Spur zu sein. Geben die Fragmente in denen die Geschichte sich uns zeigt, überhaupt noch ein Struktur zu erkennen, so die des Zerfalls: „Auslese nach unten“, „Darwinismus nach rückwärts“ lauten Benns Formeln für die Finallage, der wir uns gegenüber sehen, ein Stoppelfeld, auf dem blicktrübend die Spreu uns in die Augen fliegt.
Liefert die Vergangenheit keine Lehren, ist die Zukunft nicht länger erwartbar, so verstärkt sich das Bedürfnis nach Haltung, nach einer Moral, die bleibt, wenn man nicht mehr die Welt, sondern nur noch sich selbst verändern kann. Benn ist weder ein Prophet des Pessimismus noch ein Dichter der Dekadenz, ihn kennzeichnet ein Nihilismus des Standhaltens, ein Denken am Ort, doch voll hoher innerer Beweglichkeit. An die Stelle der Geschichte treten nunmehr Erkenntnisformen des Stationären und des Immergleichen wie Anthropologie und Ästhetik. Das Posthistoire ist ihre Blütezeit, die Kunst schafft sich die Ausdruckswelt.
In der Ästhetik Benns steigern sich die anthropologischen Neigungen zum Mythischen und zum Primitiven. Einer Entwicklung fühlt er sich verpflichtet, die auf Jahrtausende zurückgeht, einer Prähistorie der Wirklichkeit weiß er sich nahe, „in der der akausale Beziehungswahn sein Arkadien feiert“. Es ist nicht nur für Gottfried Benn, sondern für die Weltbildkonstruktionen des zwanzigsten Jahrhunderts überhaupt bezeichnend, daß in ihnen die Wiederbelebung des Mythos mit den Mitteln der Wissenschaft erfolgt. Die daran beteiligten Disziplinen sind Typen- und Ausdruckslehre, Gestalttheorie und Psychoanalyse, Erbbiologie, Prähistorie und die Paläontologie. Sie rücken den Körper wieder in den Vordergrund, wirken der wachsenden Zerebralisation entgegen, und weisen dem Stammhirn auf Kosten der Großhirnrinde wichtige Funktionen zu. Die wissenschaftliche Erkenntnis führt zur Abwertung der intellektuellen Geistestätigkeit, in den Vordergrund rücken die Affekte, Trieb- und Instinktleben. Die Bindung an die Ratio wird aus Vernunftgründen gelockert, das geologische Prinzip, ein Denken in Schichten, ersetzt die Entwicklungstheorien. Hier liegen die Wurzeln der Affinität zu Goethe und dessen „ausgesprochen affekt-geführtem Denken, körperlich umwogt, mit starker Hirnstammkomponente, will man es biologisch basieren, im Gegensatz zum Rindentyp des intellektualistischen Professionals“.
Durch die Wissenschaften zum Mythos geführt, tritt für Benn dessen formale Komponente in den Vordergrund: der Ritus. In ihren Gehalten, in den Eindrücken, die sie hervorruft, ist die Dichtung dem archaischen Ich eng verbunden, in ihren Verfahrensweisen Ausdruck der Suche nach einer neuen Ritualität. Hierin liegt ihre Nähe zur Alchimie, wie Ernst Jünger sie beschrieben hat – „wissenschaftlich im Experiment, mythologisch in der Theorie“ –, doch ist Benns Dichtung kein Übergangs-, sondern ein Spätphänomen.
Zwischen dem Irrationalismus ihrer Inhalte und der experimentellen Rationalität der lyrischen Produktion besteht kein Gegensatz. Benn konnte sich auf Denker wie Lévy-Bruhl und Wittgenstein zugleich berufen: die Anerkennung der prälogischen Mentalität war mit der Wertschätzung eines Denkens zwanglos zu vereinbaren, das sich asketisch darauf beschränken wollte, Erkanntes in Protokollsätzen miteinander zu verknüpfen. Daß Clemenceau über Kunst Bescheid wußte, wie es bei Benn in einem eigentümlich sperrigen Gedicht heißt, zeigt sich nicht zuletzt in dessen Anweisung an seinen neuen Privatsekretär:

Ein Satz besteht aus einem Hauptwort und einem Verbum – wenn Sie ein Adjektiv verwenden wollen, fragen Sie mich vorher.

Die Notwendigkeit der Kunst wird von Benn – auch hierin ganz Nietzscheaner – anthropologisch begründet: der Mensch ist ein Wesen, das Kunst macht und ihrer bedürftig ist. Ihre Vorzugstellung gewinnt die Lyrik nicht aus ästhetischen, sondern aus Erkenntnisgründen: das lyrische Ich ist geschichtslos, im Gedicht produziert es die Querschnitte und Momentaufnahmen, die für die Jetztzeit aufschlußreich sind. Die Attraktivität des darwinistischen Denkens nimmt ab, die Epoche der Dramen und der Entwicklungsromane, in denen der Evolutionismus in die Literatur übergriff, ist endgültig vorbei. In Benns kaleidoskopischem Blick mischen sich die Genres: Essays sind lyrisch und Gedichte gedankenvoll, tatenarm handeln Dramen von Verben und vom Substantiv, alle Ironie aber gilt dem Roman. Ihn hatten die Goncourts, in denen sich die naturalistisch Strömungen des Zeitalters verbrüderten, als das Fragment einer möglichen Geschichte definiert. Benn schrieb den „Roman des Phänotyp“, und seine Charakteristik liest sich wie eine Parodie der eben gegebenen Definition:

Eine Prosa außerhalb von Raum und Zeit, ins Imaginäre gebaut, ins Momentane, Flächige gelegt, ihr Gegenspiel ist Psychologie und Evolution.

Historisch sein – ist das gut?, hatte Benn Paul Hindemith während ihrer Zusammenarbeit am Oratorium „Das Unaufhörliche“ gefragt und selbst die Antwort gegeben: teilnahmslos galt es zu leben und kontemplativ, untätig bei günstigen äußeren Lebensbedingungen, wie es, nicht ohne Selbstironie, 1941 in einem Brief an F.W. Oelze heißt. Im Hirn zerfiel das Ich, aufs Cogito war kein Verlaß mehr, Descartes, dessen Philosophie über Jahrhunderte das europäische Denken geprägt hatte, wurde nun als Intellektualverbrecher abgestempelt. Das Wort war da, um Regressionstendenzen zu verstärken, die Konzentration nach innen ließ das Individuelle versinken, „und eine Urschicht stieg herauf, berauscht, an Bildern reich und panisch“. Gedichte machten der Zivilisation den Prozeß: die Affekte wurden enthemmt und die Laute wieder archaisch. Für keinen galt dies mehr als für Stefan George, dessen Worte „weit ausgeschweifte Primitive“ waren, „zaubervoll und immer totemistisch“.
Die Wirkung Georges aber kann für Benn in ihrem dramatischen Ausmaß richtig nur begriffen werden, wenn man darin eine Reaktion auf die trübe Verfassung der Wissenschaften um die Jahrhundertwende erkennt. Substanz und Moral waren in ihnen nicht mehr vorhanden, die ängstliche Imitation der Naturwissenschaften hatte ihre Methoden verwirrt und ihre Weltsicht verzerrt. Trotz Goethe war in Deutschland seit dem achtzehnten Jahrhundert die Kunst mit ihrem Erkenntnisanspruch hinter die Wissenschaften zurückgedrängt worden. Der Augenblick ihrer Trennung läßt sich exakt bestimmen. Als Nietzsche sein Basler Ordinariat aufgibt, ist das Schisma zwischen der „historisch-wissenschaftlichen und der Expressions- und Ausdruckswelt“ besiegelt.
So sehr aber Benn auch das Kausalitäts- und Systemdenken des neunzehnten Jahrhunderts verhöhnte, das in den Naturwissenschaften der Epoche wirkungsvoll zum Ausdruck kam, seine Polemik richtete sich in erster Linie gegen jene Disziplinen, die in der traditionalen Gesellschaft des alten Europa oder in den Umbruchzeiten der industriellen und der Französischen Revolution mit dem Anspruch auftraten, den Menschen über die Richtungen und die Folgen des sozialen Wandels aufklären zu können. Von Theologie und Philosophie ist in diesem Zusammenhang die Rede, von Idealismus, Materialismus und Soziologie. Auch die Biologie wird genannt, doch bleibt ihr Status im Denken Benns stets doppeldeutig. Nicht jedes literarische Genre freilich darf den Anspruch erheben, mit den Wissenschaften konkurrieren oder ihre Erkenntnisleistungen gar übertreffen zu können. Schwundstufen herrschen vor: die Dramatik steht hinter der Typenlehre, die Novellistik hinter der Erbbiologie zurück. Unübertroffen bleibt das Gedicht.
Benns Gedichte sind – ihr betörender Klang täuscht oft darüber hinweg – gegen Erwartungen gefertigt, die herkömmlicherweise an lyrische Produkte gerichtet werden. Aus Worten, nicht aus Stimmungen zusammengesetzt, drücken sie die Grundüberzeugung Benns aus, daß zwar überall das sogenannte Zeitlose durchscheint, der Dichter sich aber an den Oberflächenphänomenen abzuarbeiten hat. Benns Nähe zur Latinität verrät sich auch in einem regionalen Denken, das mit dem dumpfen Weltschmerz, in welchen die Deutschen noch stets der Relativismus stürzte, nichts zu tun hat. Gerade in Gedichten zeigt sich nicht das Ewige, sondern die Stimmungslage einer Generation:

Nur keine Ausstrahlungen universalistischer Art!

Hier ist das Plädoyer für die Artistik das genaue Gegenteil des l’art pour l’art. Die Kunst beruht auf Antrieben und zielt über den Bereich des Ästhetischen hinaus: in ihr verkörpert sich für Benn ein anthropologisches Prinzip, eine idée directrice, die den Künstler nicht auf Programme, sondern aufs Produzieren verpflichtet und auf die Leidenschaft zur Form. Daher ist Benns Vorbild Nietzsche, der den Inhalten keinen Sinn gab, aber sein Inneres mit Worten zerriß, daher ist Heinrich Mann der Meister, der mit seinem Bruder den Deutschen die Artistik brachte, daher werden die Deutschen nie Hölderlin verstehen, weil sie nicht ertragen können, daß seine Gedichte substanzlos sind.
Die weißen Völker teilt Benn in zwei Menschenklassen: die handelnden und die tiefen, oder die geschichtlichen und die zentralen. In ihnen verkörpert sich der Gegensatz von Leben und Geist. Die Natur ist anarchisch, das Handeln Vagabondage, einzig der Geist ist Zwängen unterworfen. Als Methode, „die Erfahrungen des tiefen Menschen zur Sprache zu bringen“, ist die Kunst in ihrem Formierungsdrang auf den Geist angewiesen. Der Gott Nietzsches ist tot, aber Benns Gott ist Form, die auch dem Nihilismus noch seine Hoffnung läßt. Wenn die Inhalte schwinden und an ihre Stelle der Ausdruck tritt, wird vom Dichter alles andere gefordert als eine unkontrollierte Expressivität, die sich genialisch gebärdet: „Gerade der Expressionist erfuhr die tiefe sachliche Notwendigkeit, die die Handhabung der Kunst erfordert, ihr handwerkliches Ethos, die Moral der Form.“ So erblickt Benn mit Nietzsche in der Kunst die letzte metaphysische Tätigkeit innerhalb des europäischen Nihilismus.
Hieraus erklärt sich die große, die besessene Aufmerksamkeit, die Benn dem dichterischen Alltag entgegenbringt. Ein beträchtlicher Teil seines essayistischen Werkes, viele seiner Briefe analysieren die Mikrowelt der poetischen Produktion, für die ein stockender Füllhalter die Katastrophe bedeutet und das Prinzip Hoffnung sich in der Aussicht verkörpert, endlich jene englischen Federn zu erhalten, mit denen man einzig schreiben kann.
In dem 1951 in Marburg gehaltenen Vortrag über „Probleme der Lyrik“ wird das Interesse am Vorgang des Schreibens zentral. Selten entsteht ein Gedicht, es wird in der Regel gemacht, der Dichter verfährt experimentierend, dem Nihilismus der Werte setzt er die Transzendenz der schöpferischen Lust entgegen. Für den Reim wird aus formalen Gründen plädiert: nicht seiner Ausdrucksleistung wegen wird er bevorzugt, sondern weil er den Reimenden zur Kontrolle und zur Ordnung zwingt. Die Kunst ist der Versuch, sich innerhalb des Verfalls der Inhalte selbst als Inhalt zu erleben, die Hervorbringung eines Kunstwerkes muß als Kunstwerk angesehen werden. Nicht Schöpfung, sondern Arbeit und Handwerk kennzeichnen die Dichtung, und Benns tiefe, konstitutionelle Müdigkeit hat ihren Grund wohl auch darin, daß er seine dichterische Tätigkeit nie als Ausgleich oder Entlastung von der medizinischen Praxis, sondern stets als Arbeit empfunden hat. Zwar konnte und wollte er sich von produktiven Reizen treiben lassen, ihre Umsetzung ins Gedicht aber bereitete Mühe, kostete Zeit und Energie. Holten die Interpreten weit aus, spottete das Gedicht:

Lassen wir das Höhere, antwortet das lyrische Ich, bleiben wir empirisch.

Es ist diese existentielle Intensität der Kunst, die sie der Wissenschaft überlegen macht. In einem frühen Brief an Oelze hat Benn nur der Kunst die Möglichkeit der Erkenntnis gewährt, damit verglichen sei die Wissenschaft lediglich Sammelsurium, charakterloses Weitermachen, entscheidungs- und verantwortungsloses Entpersönlichen der Welt“, deren Ergebnissen gegenüber der Nihilismus die adäquate Haltung ist. Im Marburger Vortrag ist Benn so weit gegangen, die Philosophie – und gemeint war damit wohl auch ein Teil der Wissenschaft – als verhinderte Dichtung zu enthüllen:

Und noch einen ganz extravaganten Eindruck hat manchmal dieses lyrische Ich. Es gesteht ihn sich selber nur mit Vorsicht ein. Es kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, als ob es so aussähe, als möchten auch die Philosophen von heute in ihrem Grunde dichten. Sie fühlen, daß es mit dem diskursiven systematischen Denken im Augenblick zu Ende ist, das Bewußtsein erträgt im Augenblick nur etwas, das in Bruchstücken denkt, die Betrachtungen von fünfhundert Seiten über die Wahrheit, so treffend einige Sätze sein mögen, werden aufgewogen von einem dreistrophigen Gedicht – dies leise Erdbeben fühlen die Philosophen, aber das Verhältnis zum Wort ist bei ihnen gestört oder nie lebendig gewesen, darum wurden sie Philosophen, aber im Grunde möchten sie dichten – alles möchte dichten.

Der polemische Reiz solcher Passagen kann leicht verdecken, wieviel für Gottfried Benn die Kunst mit der Wissenschaft gemeinsam hat. Beider Nähe liegt nicht im Erkenntnisziel, sie liegt im Weg, auf dem die Erkenntnis erreicht werden soll. Die Wissenschaft wie die Kunst legitimieren sich als Verfahren, als Experiment und Methode, die gleichgültig gegenüber jedem Inhalt – ihren Wert in sich haben. Es gehört zu den Paradoxien Benns, daß er mit Hilf des Intellekts zum Affekt, mit wissenschaftlichen Vorgehensweisen artistische Wirkungen erzielen will. Nicht Kreativität und Inspiration trennen Kunst und Wissenschaft, und auch die technischen Probleme nicht, die auftreten, wenn schließlich Bild und Gedanke geformt werden müssen. Der Dichter mag sich an die Darstellung des Heiligen wagen – doch tut er es besser aus Distanz, seine Exaltation wird im Akt des Schreibens hinwegkontrolliert, wie sich die Inspiration im Experiment zum regelgeleiteten Handeln ernüchtert. Die sitzende Lebensweise, die der „Roman des Phänotyp“ beschreibt, ist für den Wissenschaftler ebenso charakteristisch, auch er ist „ein Held, der sich wenig bewegt, seine Aktionen sind Perspektiven, Gedankengänge sein Element… die Handlung besteht in gedanklichen Antithesen.“
Benns Abneigung gilt dem Wissenschaftsbetrieb. Er fühlt sich einer Zeit verbunden, da auch in den Wissenschaften der einzelne noch produktiv sein konnte. Goethe, der bereits Zeuge der beginnenden Professionalisierung wurde, markiert das Ende dieser Epoche. Daß in Benns Vorstellung gerade der Dichter berufsmäßige Züge annimmt, ist dazu kein Widerspruch: zwar ist er ein Profi, doch auf sich allein gestellt. Ichgebunden und solitär vollzieht sich ein Denken, das dichterisch produktiv werden will. So steht – zwischen Kunst und Wissenschaft – der Artist im Posthistoire, ein arbeitender und experimentierender Aristokrat, der der Wissenschaftler der Neuzeit einst war, ein Virtuose, bevor die Institutionen ihn betriebsblind machten.
Im „Roman des Phänotyp“ hatte Benn von der Verneinung als Denkfunktion gesprochen, in ihr erreichte das Denken seinen höchsten Rang. 1933 aber war es mit dem Verneinen zunächst vorbei und Benn ging unter sein Niveau. Auf einmal ist der Nihilismus ein Zwischenreich, und dieses nun zu Ende, kein Darwinismus wirkt nach rückwärts mehr, denn es geht von der Deszendenz wieder zur Aszendenz. Gegen die „europäische Makulatur“ der Gide, Joyce und Valéry wird nun die „große volkhafte Perspektive“ beschworen, der Universalismus kehrt zurück, im neuen „Zeitalter der Stahlgewitter und der imperialen Horizonte“ ist wieder Verlaß auf eine Weltanschauung, und es gilt, die „Lenden zu gürten und die Wurfschaufel in die Hand zu nehmen und sich in Gefahr zu begeben“. Die weiße Rasse ist zu Ende, hieß es einst, und nun wird Klaus Mann, der Emigrant in Le Lavandou an seinem lateinischen Meer, belehrt, in Deutschland trete ein neuer biologischer Typ hervor, die Geschichte mutiere und ein Volk wolle sich züchten.
Beim Wiederlesen Benns läßt die bloße Chronologie seiner Schriften noch heute den Schrecken und die Trauer verständlich werden, den seine intellektuelle Konversion bei Freunden und Bewunderern wie Klaus Mann auslöste. Man mochte an jene Historiette des Tallemant des Réaux denken, in welcher dieser unter der Überschrift „Schlechte Gewohnheiten beim Reden“ von einem Mann berichtet, der lange und gut sprach und am Ende gegen das eigene Empfinden sich nicht zurückhalten konnte, auszurufen:

Rien de tout cela!

Benns Artistik, die ihre ästhetische Qualität wie ihren moralischen Rang nicht zuletzt der Entschiedenheit verdankte, mit welcher hier der einzelne die Trends hinter sich ließ und einsam blieb, wurde nun in Façon gebracht. Zwar schrie auch der Mensch des Dritten Reichs nach Ausdruck, doch lag die Rettung nicht mehr allein im Gedicht, sondern ebenso im Staat, dessen „großartige Bereitschaft für Dinge der Kunst“ gepriesen wurde. Jetzt zeigte sich, wie Benns Wort, der Mensch könne nicht ein denkerisches und ein moralisches Wesen zugleich sein, variiert werden mußte: die politische Unmoral war mit der Abdankung des Denkens nur allzu gut vereinbar.
Es war die Sprache, die Benn verriet, und die ihn zugleich vor Schlimmerem bewahrte. Nach 1933 sind seine publizierten oder im Rundfunk gesprochenen Sätze kaum mehr extravagant. Ihr Vokabular bleibt aggressiv, ist jetzt aber angepaßt, gehorsam treten die zu Phrasen gewordenen Perioden ins Glied, Schlagwort und Schlachtruf lassen die einst visionäre Syntax verarmen. Geschmeidig bleibt die Prosa einzig dort, wo Benn in seiner Anpassung für Verfemtes kämpft, wie in der Verteidigung des Expressionismus.
Benns Kehrtwende ist kein Anlaß zum Moralisieren, Vorwürfe an die Person wären unergiebig. Es war die Wahrheit, als er Klaus Mann zu bedenken gab:

Ich gehöre nicht zur Partei, habe auch keine Beziehung zu ihren Führern, ich rechne nicht mit neuen Freunden.

Neue Feinde dagegen gab es, und auch die alten rührten sich. Bereits im Jahr 1933 durfte Benn seine Rede auf Stefan George nicht mehr halten, und der Eintritt in die Armee 1935 konnte die Angriffe im Schwarzen Korps nicht verhindern, den drei Jahre danach erfolgten Ausschluß aus der Reichsschrifttumskammer nicht rückgängig machen. Für sich allein, für wenige Freunde schreibt Benn nun, und die Sprache wird erneut kühn, er hat wieder etwas zu sagen, als er öffentlich nicht mehr reden kann. Aufs neue bestätigt sich die melancholische Erfahrung, daß die Zensur den Stil verbessert. Eine hurralose Neigung zum Militärischen hatte Benn schon früh verspürt. Ausgebildet an der berühmten Pépinière, der Kaiser-Wilhelm-Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin, durchlebte er im Ersten Weltkrieg als Militärarzt in der Brüsseler Etappe seine glücklichste Zeit. Eine Wanderniere, die beim Reiten schmerzte, setzte der Karriere ein Ende. Es lag daher nahe, daß Benn 1935 „die aristokratische Form der Emigration“ wählte, wie er mit einer berühmt gewordenen Wendung seinen Eintritt ins Heer umschrieb. Doch hat er als Gutachter im Heeressanitätswesen, ob nun in Hannover, Berlin oder in Landsberg an der Warthe, vom Glanz des Militärs wenig, von seinem Elend viel erfahren, und meist war es ihm mies in seiner Uniform. Auch in seinen Augen war der Dienst im Militär vorbehaltlos nur bis 1938 zu rechtfertigen – bevor Keitel an seine Spitze trat. Ohnehin war die Emigration in die Armee, die Entlastung durch Gehorsam, in einer Hinsicht alles andere als aristokratisch, ja geradezu das Gegenteil davon: man ließ die anderen machen und dachte sich seinen Teil.
Benns Haltung zum Nationalsozialismus ist über den Einzelfall hinaus bezeichnend. War es verwunderlich, daß eine Intellektuellenschicht, die den Gegensatz von Geist und Leben propagiert, die stolz war, auf moralische und philosophische Inhalte verzichten zu können, die reinen Form- und Ausdrucksprinzipien folgen wollte und diese nicht zuletzt im Rausch und in der Rückkehr zum Mythos suchte, den Nazis in den Armen lag oder ihnen doch die Stimmen gab, die Stimme lieh? Da half der Intellektualismus nichts mehr und sollte nichts helfen, keine kalte Betrachtung der Welt hielt auf Distanz, wo der Nationalsozialismus sich anschickte, ein toxisches und die Politik ästhetisch manipulierendes Regime aufzurichten, von dem auch Benn lange geträumt hatte. Die Affinitäten werden schmerzend deutlich, als Benn im fünften Kriegsjahr endlich ein Vokabular negativ verformt, mit dem er ein Jahrzehnt zuvor noch den eigenen Standort bestimmt hatte: „Eine mystische Totalität von Narren, ein prälogisches Kollektiv von Erfahrungsschwachen“ – etwas sehr Germanisches zweifellos und nur in diesem ethnologischen Sinn zentral zu erklären. „Im Nationalsozialismus nahmen die einst schockierenden Elemente der Bennschen Ästhetik altbackene Züge an: Regressionstendenzen mit Hilfe des Worts, heuristische Schwächezustände durch Substantive, die Provokation und Steigerung des Lebens – all dies wirkte nun provinziell, da der Staat für Regression, Enthusiasmus und Provokation im größten Maßstab sorgte.
Benn hat die nationalsozialistische Ideologie bald nach der Machtergreifung als Parodie eigener Überzeugungen durchschaut, er hat – vor allem in den Briefen an F.W. Oelze – seinen Abscheu vor dem Regime nicht verborgen, wo immer dies möglich war. Er wurde selbstkritisch, aber die Kritik ging nicht tief, sie blieb auch nach dem Ende des Dritten Reiches stumpf gegenüber den Gefahren, die darin lagen, alles gleich paläontologisch und nichts soziologisch zu sehen. Immer auf dem Sprung von der Vorgeschichte ins Posthistoire, blieb für das lyrische Ich die Gegenwart ein blinder Fleck. Jahrtausende überblickend, belehrte es die literarischen Emigranten und mokierte sich über deren Froschperspektive:

Es handelt sich hier gar nicht um Regierungsformen, sondern um eine neue Vision von der Geburt des Menschen, vielleicht um eine alte, vielleicht um die letzte großartige Konzeption der weißen Rasse, wahrscheinlich um eine der großartigsten Realisationen des Weltgeistes überhaupt…

Und dann beschwor Gottfried Benn, der frühe Verehrer Thomas und Heinrich Manns, Goethes Werk als das Präludium dieses Züchtungswahns.
Ein solches Verschwinden der Politik in Visionen war sehr deutsch, nichts mehr war in dieser, Richtung Mittelmeer adressierten Botschaft von jener Latinität zu spüren, die Benn so lange als Gegenmittel zu germanischem Brüten und Wabern verschrieben hatte. Bewundernd hatte Benn einst vom Himmel der Abstraktion gesprochen, der in den romanischen Ländern nicht unmenschlich und nicht unfruchtbar wirke – aber er hatte nie wirklich nach den Gründen dafür gefragt, sich nicht ins Bewußtsein gerufen, daß der lateinische Absolutismus ein politisches savoir-vivre nicht ausschließt, daß der radikale Zweifel des Descartes eine provisorische, und das heißt eine lebbare Moral zu Voraussetzung hatte. Über „die unsägliche Verlassenheit und Ausgestoßenheit des Geistesmenschen“ zu klagen, wie Benn es tat, war in einem romanischen Klima nicht möglich. Selbst Flaubert, der Einsiedler von Croiset, hatte im Hintergrund seine literarischen Zirkel, in denen er verkehrte, und als er 1866 Chevalier der Ehrenlegion geworden war, blieb er um so lieber in Paris und frequentiert fortan den Salon der Prinzessin Mathilde.
Gottfried Benn war ein Denker des Intérieurs, zeitlebens blieben ihm Institutionen fremd, die zwischen dem Ich und der Außenwelt vermittelten, öffentliche Tugenden waren nur schwach, nur in ihrer militärischen Variante, in einem Weltbild vertreten, das die Politik entweder triebmäßig oder kosmisch mißverstand.
Die Auffassung vom Menschen als Gemeinwesen hat Benn als späteuropäisch, als degenerativ und weißrassig abgetan; das neunzehnte Jahrhundert war ihm zuwider, weil es die Umstellung zum sozialen Ich mit sich brachte. Der Trance ausgeliefert, „daß es diese Wirklichkeit nicht gäbe“, spielt Gesellschaft in Benns Denken keine Rolle. Interessiert er sich einmal für die „gesellschaftlichen Dinge“, so geht es um die „Weiträumigkeit der Golfsitten“ und um die Frage, ob man Gamaschen zum Anzug trägt. Mit Klabund fand er die Realität, „von einer zivilisatorischen Menschheit geschaffen und behauptet, keines Blickes, keines Lächelns wert“.
Die Vorbilder und die Meister werden an der Energie gemessen, mit der sie ihre Abwendung vom Empirischen und Sozialen betreiben. Heinrich Mann bleibt dem neunzehnten Jahrhundert verhaftet, weil alles bei ihm in Psychologie und Soziologie endet, Nietzsche brach zusammen, weil er sich seiner „darwinistischen Pathetik“ schämte, und seiner Hoffnung ausgerechnet im Soziologischen und Psychologischen noch etwas verwirklichen zu können.
Benns Abneigung kann man verstehen – doch nicht, ohne eine tiefe Beunruhigung darüber zu empfinden. Die Sozialwissenschaften waren als Orientierungsdisziplinen der Industriegesellschaft entstanden, zu Benns Zeit aber schien offensichtlich, daß sie das Ausmaß der Welt- und Ich-Verwirrung noch gesteigert hatten. Die Skepsis gegenüber den Naturwissenschaften des neunzehnten Jahrhunderts wuchs sich aus zur Häme gegen die Humanwissenschaften der Gegenwart:

Soziologie, Phänomenologie, Grundlagentheorie – das klingt doch alles wie Puccini.

Benn, der poeta doctus, ist nicht jener Krankheit des Intellekts erlegen, an der seit Diderot die Europäer litten: er empfand die Reflexion nicht als Hemmung, sondern als Steigerung seiner lyrischen Produktion. So wie ihm die Natur, die er am liebsten den Spießbürgern überlassen wollte, in Form der Landschaft als Bildvorrat und Reizquelle unentbehrlich war, so lieferten ihm die Wissenschaften das Material zu einer Dichtung, die sich nicht nur in ihrer Ausdrucks-, sondern auch in ihrer Erkenntnisleistung den Wissenschaften überlegen glaubte. Benn, der ausdauernde Kommentator seiner selbst, hat Ansprüche dieser Art durch Ironie gedämpft und erträglich gemacht. Um so bedrückender erscheint auch heute noch sein Pathos von 1933, so kurzlebig es auch blieb. Es zeigt, wie sehr in Deutschland, der Heimat großer Sozialwissenschaftler, gegenüber Staatsvergottung und Rückzug ins Ich unpathethische Einstellungen zur Gesellschaft zurückgeblieben waren. Benns Kunst läßt etwas von dem Preis ahnen, der für Ihre artistische Vollendung gezahlt wurde.
Wir lesen Gottfried Benns Gedichte und wir lieben sie und ein wenig erschrecken wir dabei.

Wolf Lepenies, aus: Walter Hinderer (Hrsg.): Literarische Profile. Deutsche Dichter von Grimmelshausen bis Brecht, Athenäum Verlag, 1982

Eine Benn-Tour

– Lokaltermin in Benns Berlin. –

U-Bahnhof Bayrischer Platz, Berlin-Schöneberg. „Einsteigen bitte, zurückbleiben bitte“, sagt die Frauenstimme. Das Hupsignal ertönt, dann schlagen die Türen der U-Bahn-Linie 7 taktgleich zu. Der gelbe Zug beschleunigt scharf und schiebt sich mit aufstöhnenden Motoren aus dem Neonlicht in die Schwärze des Tunnels.
Ich gehe in Fahrtrichtung den Bahnsteig entlang, steige die Treppen hinauf und erreiche den bedeckten Nachmittag. Ich bin auf der Suche nach dem Berlin des Arztes und Dichters Gottfried Benn.

In ihrer Einzimmerwohnung einige Häuserblocke entfernt, in der Innsbrucker Straße, wartet Ursula Ziebarth auf mich, Benns junge Muse in seinen letzten zwei Lebensjahren. Als sie sich trafen war sie 33, er war 68 Jahre alt. Sie muss der letzte lebende Mensch in Berlin sein, der Benn gut kannte. Ich habe mit ihr einen Besuch in Benns Schöneberger Stammlokal verabredet. Benn war ein Kneipendichter. Beim Bier entstanden viele seiner schönsten Verse.

Bevor ich Frau Ziebarth abhole orientiere ich mich. Ich überquere die Grunewaldstraße – und finde mich in die Perspektive einer Postkarte aus den Dreißiger Jahren ein: der Blick geht über den Park, der das Zentrum des Platzes bildet, zum Gebäude Grunewald-/Landshuter Straße mit seiner abgerundeten Eckfront. Die Einmündung zur Bozener Straße ist 200 Meter die Grunewaldstraße hinauf, links zu entdecken. Unmittelbar hinter dem U-Bahn-Zugang, der Turm des Rathauses Schöneberg mit seiner riesigen Uhr. Gegenüber, Grunewaldstraße 59 der „Buchladen Bayrischer Platz“ (gegründet 1919 von Benedict Lachmann). Benn, aber auch Albert Einstein sollen hier gekauft haben.

Frau Ziebarth empfängt mich in ihrer mit Büchern und Gemälden überladenen Einzimmer-Wohnung, ich darf auf dem einzigen Stuhl ihrer Bleibe platznehmen. Den grössten Teil des Tages verbringe sie auf ihrem Bett mit lesen, erläutert sie mir. Sie erzählt mir über den kleinen Bastian, ein Arbeitskollege von mir, dem ich zu verdanken habe, dass ich Frau Ziebarth besuchen darf. Mit Bastians Vater, Walter Niemann, einem Maler der Künstlerkolonie Wopswede gab sie 1954 eine Liaison auf um sich auf eine Affäre mit Benn einzulassen. Bevor wir das Haus verlassen leitet mich Frau Ziebarth noch zwei Treppen tiefer und führt mich durch ihre sieben Kellerräume. Hier verwaltet die Globetrotterin enggestapelt Kunst und Gebrauchskunst, die sie aus allen Kontinenten zusammengetragen hat. Auf 36.000 Objekte ist die Sammlung inzwischen angeschwollen, vom hölzernen Miniaturlastwagen aus dem Erzgebirge, bis zur knapp meterhohen, reich geschmückten indischen Elefantenfigur. Der reisescheue Benn hatte freilich für ihre, schon seinerzeit ausgeprägte, Sammelleidenschaft wenig übrig, wie Frau Ziebarth klagt. Vor allem Gespräche über Geschichte und Literatur hätten die Beziehung getragen.

Wir biegen in die Bozener Straße ein. Sie überstand den Krieg ohne schwere Treffer. Benn verewigte sein Sträßchen, wie Frau Ziebarth nun anmerkt, in den Zeilen:

Ein breiter Graben aus Schweigen,
eine hohe Mauer aus Nacht
zieht um die Stuben die Steigen,
wo du gewohnt, gewacht.
(„Epilog 1949, 2.“)

Die Bozener Straße und der Bayrische Platz, das vor allem waren ab dem 1.12.1937 über fast 19 Jahre Benns Heimat, in die er sich selbst bei kurzen Reisen bald zurücksehnte. Aber ähnlich lang, vom 10.11.1917 bis 1.1.1935, lebte er in der Belle-Alliance-Straße No. 12 in Kreuzberg (nun Mehringdamm 38, ganz nahe zur U-Bahnstation). Unter dieser Adresse ließ sich er sich im November 1917 als Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten nieder. Seine Behandlungsräume befanden sich im l. Stock, direkt oberhalb der Belle-Alliance-Apotheke, am Ort seit 1865. Die Apotheke existiert noch heute unter dem gleichem Namen und in Benns Praxisräumen behandelt ein Frauenarzt. In der Praxis soll er öfter als zu Hause, in der vornehmen Passauer- Str. 20, nahe dem Kurfürstendamm, übernachtet haben. Dort wohnte Frau Edith mit Sohn Andreas aus ihrer ersten Ehe und Benns leiblicher Tochter Nele. Am 19.11.1922 starb Benns Frau, die nächsten 17 Jahre lebte Benn als Junggeselle. Mit der U7 Richtung Rudow sind es heute 5 Stationen und 12 Minuten vom Bayrischen Platz bis zur U-Bahnstation Mehringdamm.

Vor dem Haus Bozener Straße No. 20 bleibt Frau Ziebarth stehen (ein Vergleich mit einer Schwarzweiß-Aufnahme aus den Fünfzigern – ein VW-Käfer steht vor dem Haus – zeigt das viergeschossige Gebäude von der Substanz her weitgehend im orginären Zustand: vom ersten bis dritten Stock Balkone, flankiert von Doppelerkern. Dekors, Tympanons über den Fenstern und Rundbögen über den Balkonen des bürgerlichen Hauses aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sind freilich hinter glattem gelben und wäßrig blauem Putz wegsaniert). Rechts oben neben der Haustür eine steinerne Gedenktafel:

Hier wohnte vom 1.12.1937 bis zu seinem Tode am 7.7.1956 der Dichter Gottfried Benn.

Die Wohnung Benns lag Hochparterre rechts. Die Haustür steht offen. Das typische Berliner Treppenhaus sicherlich in dem selben Zustand, wie ihn Benn kannte: Marmorvertäfelung und Holztüren. Links neben der Treppe rotbraune Marmorwandplatten mit eingelassenem ovalem Spiegel. Frau Ziebarth zeigt auf das graue Steinbänkchen mit Platz für zwei unterhalb des Spiegels:

Hier habe ich zusammen mit Benn gesessen.

Acht weiße Marmorstufen, ein rotes Treppengeländer links führen zur Wohnung. Die hölzerne Tür mit Pflanzenmotiven in Jugendstilanklängen. Der metallene Kugel-Türknauf ist allerdings aus der Zeit nach Benn, wie Ursula Ziebarth erkennt; der Ursprüngliche sei als eine Plastik ausgeführt gewesen.

Bis zu Benns bevorzugtem Lokal der „Dramburg“, eine „gutbürgerliche“ Speisegaststätte an der Einmündung Bozener- in die Grunewaldstaße, waren es achtzig Schritte durch die „Steppe“ Schönebergs. Die verbleibende Strecke gehen wir Benns allabendlichen Weg.

Benn war laut Frau Ziebarth fast täglich etwa von 20 bis 22 Uhr im Gasthaus und trank in der Regel zwei, höchstens drei kleine Bier a 0,25l, dazu auch mal einen Schnaps. Meist saß er allein, häufig leistete ihm auch seine Frau Illse Benn Gesellschaft, selten andere Begleiter. Er rauchte die „Juno,“ lauschte dem Radio und beobachtete die Szene. Ziebarth:

Benn sah gerne Betrunkene.

Hin und wieder habe er etwas in seine schwarze Wachskladde gekritzelt.

Ein Wort, ein Satz-: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Spähren schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort-, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
Ein Flammenwurf, ein Sternenstrich-,
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.

Die „Dramburg“ heißt heute „Robbengatter“. Benn habe sie zwar einmal ganz kurz in die Dramburg hineingeführt, doch habe er es sonst vermieden, sich hier mit ihr blicken zu lassen. Frau Ziebarth zeigt mir die Stelle an der Benn bevorzugt saß: im Abteil nach dem Tresenbereich war es der hintere Winkel rechts am Fenster. Bisweilen sei sie abends an der Dramburg vorbeigestreift. Der Tisch habe damals so gestanden, daß sie seinen Oberkörper von der Seite mitten im Fenster sehen konnte (Benn wollte den Tresen und den Eingang im Blick haben).

Der Betrieb ist noch mäßig und wir können uns an dem Tisch, der Benns Lieblingsposition am nächsten steht niederlassen; gemäß der Einweisung durch Frau Ziebarth sitze ich nun ziemlich genau da, wo so manche bennsche Eingebung in die Welt fand. Die Bestuhlung stamme sogar noch aus der Dramburgära, meint sie.

Frau Ziebarth nimmt „Bruschetta“ und eine kleine Apfelsaftschorle, ich einen kleinen Salat dazu ein großes Pils. Was Benn gerne gegessen habe, will ich von Frau Ziebarth wissen. Benn liebte demnach Berliner Küche wie Roulade mit Speck und Gurke oder „Strammer Max“. Besonders gerne aß er Kompott (z.B. aus Pfirsich oder Mirabellen), auch Apfelmus; das gab es vor allem am Wochenende, daheim zur Kaffeezeit (im Gegensatz zu Frau Ziebarth war Benn Kaffeetrinker). Er mochte Streusel- und Butterkuchen. In der Küche Bozener Str. 20 stand Haushälterin Liselotte.

Als bekennender Currywurstfan frage ich Frau Ziebarth, ob Benn Currywurst gegessen habe (die erste Currywurst wurde 1949 von Herta Heuwer in ihrer Bude am Stuttgarter Platz, Berlin Charlottenburg verkauft). Aber Bratwurst oder dergleichen hat sie ihn nie essen sehen. Sie glaubt auch, daß die triefende Natur der Speise bei dem peniblen Benn den Appetit darauf gering gehalten hätte.

In die Dramburg sei Benn fast täglich eingekehrt, mindestens drei mal die Woche. Häufig, eventuell zwei mal in der Woche, wäre er auch im „Flint“ gewesen, einer einfachen Lokalität gleich ums Eck in Richtung Bayrischer Platz (der Wirt hieß Otto Flint, ein Boxer, 1919 erster deutscher Meister im Schwergewicht). Heute befände sich hier ein Reformhaus (offensichtlich erinnert sich hier Frau Ziehbarth hier nicht ganz richtig – nach dem Berliner Adressbuch sowie Telefonbüchern befand sich die Gaststätte Flint gegenüber dem heutigen Reformhaus im Eckhaus Innsbrucker Straße No. 1). Im Flint wäre manch wunderbarer Vers entstanden:

Ich erlebe vor allem Flaschen
und abends etwas Funk,
es sind die lauen, die faschen
Stunden der Dämmerung.
(„Destille I“)

Jeden Kneipenbesuch hielt der Dichter in seinem Notizkalender fest. Im Jahr 1950 finden sich auch Passagen in denen fast täglich „Flint“ eingetragen ist, „Dramburg“ nur gelegentlich.

Etwa alle 6-8 Wochen zog Benn nach Frau Ziebarths Erinnerung von der Dramburg aus in eine Schwemme eine Querstraße in die andere Richtung weiter. Hier, etwas entfernter von der Bozener Straße, durfte sie sogar mit ihm einkehren.

Nachdem wir uns verabschiedet haben, Frau Ziebarth legt Wert darauf allein zurück nach Hause zu gehen, forsche ich nach Benns Ausweichkneipe. Ich gehe die Berliner Strasse hinunter stoße auf den „Tresen-Treff“, Ecke Berliner Straße/Kufsteiner Straße; die Orientierung des Einganges wie beschrieben. Großformatige Gemälde mit Motiven aus dem alten Berlin prägen die Wände. Rund um die Theke in Form eines rechteckigen „U“ wird berlinert; ich setze mich dazu. Bei Kindl und Klarem komme ich mit einer Dame ins Gespräch, die sich als Stammgast seit 1958 offenbart. Ende der 50er Jahre habe die Lokalität „Mampe-Eck“ geheißen, erinnert sie sich; man treffe sich in der Destille, habe man gesagt.

Schäbig; abends Destille
in Zwang, in Trieb, in Flucht
Trunk- doch was ist der Wille
gegen Verklärungssucht.
(„Destille III“)

Die drei Herren links von mir überschauen ebenfalls seit einem halben Jahrhundert und mehr (!) die Geschichte dieser Berliner „Familienkneipe“. Um 1956 habe der „Tresen-Treff“ mit Sicherheit „Mampe-Eck“ geheißen, wird mir dreifach bestätigt. Die Einrichtung sei etwa 1995 erneuert worden. Mitte der Fünfziger seien riesige Lampen von der Decke gehangen, „wie in einer Bahnhofshalle“, an den Wänden Glasvitrinen, runde Holzfässer als Tische, die Theke gerade und längs der Wand gegenüber dem Eingang gezogen.
Ich habe mein Glas geleert und gehe die großzügige Grunewaldstraße zur U-Bahn hinunter, auf dem halben Weg noch ein kurzer Blick in Benns Strässchen. Am 6. Juni 1956 in den frühen Morgenstunden ist er hier das letzte Mal von den Stätten seiner Inspiration hinunter nach Hause getrottet. In Benns Notizkalender ist für den 5. Juni 1956 festgehalten:

Nachm. 4 ½… Mampe… Abends ich 1.) Dramburg… erst nachts 3 h zu Hause

Am nächsten Tag ergab eine Untersuchung im Krankenhaus, dass er unheilbar erkrankt war. Benn starb am 7. Juli 1956 morgens um 8 Uhr.

Hör zu, so wird der letzte Abend sein,
wo du noch ausgehn kannst: du rauchst die „Juno“,
„Würzburger Hofbräu“ drei, und liest, und liest die Uno,
wie sie der „ Spiegel“ sieht, du sitzt allein

der letzte Abend gute Nacht
(„Hör zu“)

Christian Wolter, manuskripte, Heft 214, November 2016

 

Am nächsten Mittwoch abends um elf Uhr bis elf Uhr 15 (also nur eine Viertelstunde lang) können Sie mich im N.W.D.R. reden hören – das übliche Interview, das ich ungern startete, aber dem ich mich nicht entziehen konnte, da der hiesige Redaktör sich gegenüber der Hamburger Zentrale stark gemacht hatte, mich ans Mikrophon zu bringen – und da man auch ganz gut dafür bezahlt, sogar erstaunlich gut, Stargage! Aber ich bin nicht enttäuscht, wenn Sie schon schlafen und es nicht hören, diese ganze Radiosache liegt mir nicht sehr: einerseits kann und will ich nicht von meinem Niveau heruntergehn,… und andererseits ist der Rundfunk doch mit Recht mehr für leichte Kost da und ich fühle mich immer fehl am Platze. Aber man muss es ja auch nicht zu wichtig nehmen.

Benn an F.W. Oelze am 8. Oktober 1949

u am Mittwoch abends 11h–1115 von Neuem N.W.D.R. – das übliche Interview, in dem ich mich auslasse, ich konnte mich dem nicht entziehn. Radio ist sehr gegen meine Neigung. Ich kann u will nicht unter mein Niveau u fühle doch deutlich, dass es fehl am Orte ist. Es ist aber nun das letzte Mal. Ich rede mein Neues Thema: Phase II, das wird schon an sich nicht Ihr Geschmack sein,…

Benn an F.W. Oelze am 9. Oktober 1949

 

Max Rychner: Gottfried Benn. Züge seiner dichterischen Welt, Merkur, Heft 18, August 1949

Max Rychner: Gottfried Benn. Züge seiner dichterischen Welt (II), Merkur, Heft 19, September 1949

Hans Egon Holthusen: Das Schöne und das Wahre in der Poesie. Zur Theorie des Dichterischen bei Eliot und Benn, Merkur, Heft 110, April 1957

L.L. Matthias: Erinnerungen an Gottfried Benn, Merkur, Heft 171, Mai 1962

Nico Rost: Begegnungen mit Gottfried Benn, Merkur, Heft 218, Mai 1966

Nino Franks Bericht über seinen Besuch bei Benn, Merkur, Heft 398, Juli 1981

Walter Aue: „Das ist Bahia, am Meer“. Wege zu Gottfried Benn

Norbert Hummelt: Auf einen Sprung zu Gottfried Benn

Hans Magnus Enzensberger: Überlebenskünstler Gottfried Benn

 

In der von der Akademie der Künste veranstalteten Reihe Berliner Schriftsteller über historische Autoren ihrer Stadt spricht Harald Hartung über sein Verhältnis zu Gottfried Benn, Oskar Pastior liest anschließend seinen Text „Heinrich von Kleist von Gottfried Benn. Ein Text. Und Gottfried Benn von Heinrich von Kleist. Ebenfalls ein Text.“

 

Helmut Böttiger: Gottfried Benn – Kleine Aster und andere Gedichte

 

Gottfried Benn: Kleine Aster – Gedichte und Prosa. Ulrike Draesner und John von Düffel im Gespräch mit Anja Brockert am 21.01.2019 im Literaturhaus Stuttgart.

 

Gottfried Benn. Der Mann ohne Gedächtnis

Lesung: Holger Hof
Moderation: Jörg Magenau
Im Literarischen Colloquium Berlin am 13.12.2011

 

Tondokument: Peter Rühmkorf und Adolf Muschg über Benn und Brecht am 16.9.2006 in der literaturwerkstatt berlin.

 

 

 

Fakten und Vermutungen zum Herausgeber + Kalliope

 

Zum 60. Geburtstag des Autors:

Carl Werckshagen: Gottfried Benn 60 Jahre
Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung, 27.4.1946

Zum 70. Geburtstag des Autors:

Max Rychner: Gottfried Benn
Die Tat, Nr. 120, 3.5.1956

 

Zum 80. Geburtstag des Autors:

Adolf Muschg, Jürgen P. Wallmann, Edgar Lohner: Abschied von Gottfried Benn?
Die Tat, 29.4.1966

Zum 10. Todestag des Autors:

Jürgen P. Wallmann: Kunst als metaphysische Tätigkeit
Die Tat, 2.7.1966

Bruno Hillebrand: Gottfried Benn – zehn Jahre nach seinem Tod
Neue Deutsche Hefte, Heft 110, 1966

Zum 90. Geburtstag des Autors:

Peter Rühmkorf: „Und aller Fluch der ganzen Kreatur“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.6.1976

Jürgen P. Wallmann: „Der Ruhm hat keine weissen Flügel“
Die Tat, 30.4.1976

Zum 20. Todestag des Autors:

Gert Westphal: Gottfried Benn – nach zwanzig Jahren
Neue Zürcher Zeitung, 23.7.1976

Heinz Friedrich: Plädoyer für die schwarzen Kutten
Merkur, Heft 30, 1976

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Albrecht Schöne: Gottfried Benn?
Die Zeit, 2.5.1986

Peter Rühmkorf: Gottfried Benn oder „teils-teils das Ganze“
Deutsches Sonntagsblatt, 6.7.1986

Zum 50. Todestag des Autors:

Wolfram Malte Fues: Nur zwei Dinge
manuskripte, Heft 174, 2006

Jörg Drews: Das Gegenteil von ,gut gemeint‘
Tages-Anzeiger, 4.7.2006

Cornelius Hell: Persönlich, poetisch, politisch
Die Furche, 29.6.2006

Fakten und Vermutungen zum Autor + Archiv 12, 3 & 4 +
Internet Archive + Kalliope + KLG + IMDb +
Georg-Büchner-Preis 1, 2, 3 & 4
Autorenäußerungen zu Person und Werk von Gottfried Benn
Porträtgalerie: Keystone-SDA + deutsche FOTOTHEK
shi 詩 yan 言 kou 口
Nachrufe auf Gottfried Benn: Deutsche Rundschau ✝ Merkur
Aufbau ✝ Tumba

 

Gottfried Benn – das letzte und einzige Fernseh-Interview mit Gottfried Benn am 3. Mai 1956 zum 70. Geburtstag.

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