Grenzfallgedichte

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch Grenzfallgedichte

Grenzfallgedichte

WER ÜBER IST BLEIBT

das wegwollen ist zwar keine bewegung
fürwahr eine fortbewegung mithin
ist auch dumm rumsitzen kein kultus
obwohls als bewegung so schiene
wird das langweilende nicht besser
wenns ordentlich durchgehalten wird
der faden der erzählung zieht sich hin
bewegte die die strassen begehen
verwegene die vor den wegen zaudern
die faden unterhaltungen ziehn sich hin
aber, worauf ihr schon wartet, aber
damit geht ihr um im fortschrittkabolz
unterwegs der maulwurf, der macher übermacht
tritt auf als kleines glänzendes ding
das die sprache beherrscht und sich rauslügt
unterwegs die maus, machthalters ohnmacht
das unscheinbare passt sich an scheinbar
scheinbares passt auf unscheinbar.
das rauswollen ist zwar eine regung
als bewegung letztlich stehts dumm rum
und jener der sich in die szene setzte
er beisst sich fest im spott der spots
und jener der querfeldeinsam streunt
der wolfshimmel bleckt die sterne über ihm.

Stefan Döring

 

 

 

Man könnte Verse aus dieser Sammlung zitieren,

um zu erzählen, wie sie entstand: ,,Im Vordergrund meines Interesses taucht der Deutsche auf, / eine Begegnung, die mich freut…“ Wie schreiben deutsche Dichter im Osten und Westen über ihr nun endlich nicht mehr vom Stacheldraht zerrissenes Land? – fragten wir uns.
Kern des Buches sind unveröffentlichte Gedichte – im persönlichen Kontakt mit den Autoren gesammelt –, die mit dem Fall der Mauer entstanden: ein vielstimmiges lyrisches Nachdenken über die deutsche Wende. Es wird Bilanz gezogen, Hoffnungen und verlorene Träume werden wach.
Die Sammlung enthält auch bereits veröffentlichte, gewissermaßen historische Texte über Deutschland, Verse, die die Mauer durchdrangen, in denen die Zunge das Wort Vaterland wie eine fremde Frucht probierte, ferne Stimmen, durch den Tunnel der Zeit immer noch vernehmbar.
Ein Riß schließt sich, andere Wunden bleiben. Eine tastende Suche nach Zukunft hat angefangen. Ein „versteinerter Fuß“ tritt langsam aus seinem Schatten.

Aufbau Verlag, Klappentext, 1991

 

 

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